Nicaragua, für das Wohl der Welt – rund um Estelí, León und Granada

Unterwegs in Nicaragua. © 2017, Foto: Thilo Scheu

Estelí, León und Granada, Nicaragua (MaDeRe). Eine Reise durch Nicaragua rund um Estelí, León und Granada gewährt fantastische Einblicke in dieses mittelamerikanische Land mit seinem Reichtum an Kultur, Natur und einem Volk voller Herzlichkeit und Selbstbewusstsein. Wir entdecken aktive Vulkane, koloniale Geschichte, eine spannende Tierwelt und einen der größten Seen Lateinamerikas. Wer ein wenig spanisch spricht, individuelles Reisen liebt und den Kontakt zur Bevölkerung nicht scheut, wird mit unvergesslichen Erlebnissen belohnt. Ein empfehlenswertes Urlaubsziel, insbesondere auch, weil Nicaragua als das sicherste Land Zentralamerikas gehandelt wird.

Kaffee und Cowboystiefel im Norden

Ein Verkaufsstand mit Obst auf den Straßen von Esteli. © 2017, Foto: Thilo Scheu

Wir starten in Estelí, einem, trotz seiner rund 200.000 Einwohner, eher verschlafenen Nest im Norden des Landes. Auf den schachbrettartig angeordneten Straßen verkaufen Bauern frisches Obst und Gemüse, andere Händler versuchen mit quietschbuntem Plastikspielzeug ein paar Córdobas zu verdienen und der Sorbetes-Mann mit seinem silbergestrichenen Dreirad offeriert eiskalte Leckereien. Wer auf handgemachte Cowboystiefel und derbe Gürtel steht, sollte in Estelí sein Glück versuchen. In manch einer Straße trifft man auf kleine Produktionsstätten, die ihre Lederwaren vor Ort zu deutlich günstigeren Preisen feilbieten, als jene, die sie in die Hauptstadt Managua liefern. Estelí breitet sich in einer Region mit hohen Bergen aus, besitzt ein angenehm gemäßigtes Klima und ist umgeben von vielen Kaffee- und Tabakplantagen, die den Ort weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt gemacht haben.

Zigarren von höchster Qualität

Lohnarbeiter in einer Zigarrenfabrik in Esteli. © 2017, Foto: Thilo Scheu

Daher gehört der Besuch einer Zigarrenfabrik zum Pflichtprogramm in Estelí. Wir haben uns für eine Tour bei „Plasencia-Cigars“ entschieden. In der 5. Generation stellt die Familie Plasencia nun schon Zigarren her, als erste Produzenten Nicaraguas auch aus zertifiziertem Bio-Tabak. Auf dem Rundgang durch die Fabrik, mit dem selbstverständlich Zigarre rauchenden Guide, erfährt man Spannendes über Tabakanbau und die Herstellung der Zigarren, die insbesondere aufgrund ihres komplexen und kräftigen Geschmacks Zigarrenliebhaber aus aller Welt begeistern. Besonders fasziniert uns der Bereich, wo dutzende Arbeiterinnen und Arbeiter, sogenannte „torcedores“, mit ihren geschickten Händen aus unterschiedlichen Tabakblättern eine perfekte Zigarre nach der anderen rollen. Eine Fertigkeit, die ständig geübt werden muss, wie uns Francisca, eine der Arbeiterinnen erzählt: „Mit dem Rollen verhält es sich wie mit dem Spielen eines Musikinstrumentes, man muss stetig dran bleiben“. Rund 300 bis 350 Stück stellt sie am Tag her. Gearbeitet wird an 5 Tagen in der Woche. Bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden verdient ein „torcedores“ im Durchschnitt 4000 Córdobas, aktuell etwa 105 Euro. Wenig Lohn für viel exzellente Arbeit. Für Nicaragua jedoch kein allzu schlechtes Gehalt, wenn man bedenkt, dass ein Lehrer noch weniger Geld mit nach Hause bringt. Übrigens: Wer in Estelí lieber seine Spanisch-Kenntnisse auffrischen als Rauchen möchte, ist hier ebenfalls goldrichtig. Denn in keiner anderen Stadt Nicaraguas existieren so viele Sprachschulen wie hier. Ein perfekter Ort, um mit neu erlerntem Spanisch-Vokabular die Reise Richtung Pazifik nach León fortzusetzen.

León und die Kette der Vulkane

Leon und die Kette der Vulkan. © 2017, Foto: Thilo Scheu

In Nicaragua existieren noch heute zahlreiche aktive und inaktive Vulkane. Auf dem Weg nach León passieren wir die sogenannte „Kette der Vulkane“, eine Ansammlung dutzender Vulkane, die sich von der Grenze zu El Salvador im Norden bis zum Managua-See südlich von León erstreckt. Einer dieser Vulkane ist der rauchausstoßende, aus der Ebene herausragende und unübersehbare Momotómbo, den wir aus dem Busfenster von der Straße aus erkennen können. Die Einheimischen nennen ihn auch den „Zerstörerischen“, da er 1609 das alte León unter Asche begrub und zerstörte. Die Einwohner gründeten daraufhin an andere Stelle das neue, das heutige León, in dessen Innenstadtbereich zurzeit über 100.000 Menschen leben. Bei einem Spaziergang durch das Zentrum besichtigen wir zuerst die imposante, in weiß erstrahlende Kathedrale aus dem Jahre 1860, eines der Highlights der Stadt. In ihren mit Marmorstatuen geschmückten Mauern fanden einige berühmte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte. Der bekannteste ist der 1867 in León geborene Dichter und Nationalheld Rubén Darío, dessen Grabmal von einem Löwen bewacht wird. Richtig eindrucksvoll wird es, sobald wir auf dem Dach des Gotteshauses angelangt sind und den Blick über die Stadt bis zu den Vulkanen genießen können. Später schlendern wir noch ein wenig durch den nahen Parque Central und tauchen ein in eine lockerte Atmosphäre zwischen fliegenden Händlern, spielenden Kindern und Entspannungsuchenden.

Ein heißer Ritt auf dem Vulkan

Unterwegs auf dem Vulkan Cerro Negro. © 2017, Foto: Thilo Scheu

Ganz und gar keine Entspannung, sondern einen ordentlichen Adrenalinkick verspricht dagegen ein Ausflug zum nur 20 km von León entfernten aktiven Vulkan Cerro Negro. Wir wollen das in verschiedenen Agenturen buchbare Vulkan-Boarding ausprobieren. Eine rasante, heiße Abfahrt über schwarzen Sand. Doch bevor wir an der Flanke des Vulkans auf einer Art Surfbrett und mit Schutzanzug und Skibrille hinab zum Fuße des Berges sausen, steht ein gut einstündiger Marsch samt Sportgerät auf den Gipfel an. Allein der Weg hinauf mit grandiosen Ausblicken in die Umgebung lohnt die Anstrengung. Wir sind begeistert. Oben angekommen bekommen wir dann doch etwas kalte Füße trotz leicht warmen Vulkansands unter unseren Schuhsohlen und Schwefelgeruch in der Nase. Vor uns liegt ein steiler Abhang von einigen hundert Meter Länge und 45 Grad Gefälle. Ein Tuch vor den Mund gebunden, Handschuhe übergespült und los geht die wilde Fahrt. Erst langsam, dann nach kurzer Eingewöhnung und steigendem Mut lassen wir es rutschen. Schneller und schneller. Am Ende hauen wir die Hacken in den grobkörnigen Vulkansand, der uns gewaltig um Gesicht und Ohren fliegt. Ordentlich eingestaubt und mit schwarz gefärbtem Gesicht schütteln wir uns glücklich die Hände und gratulieren uns für das Überstehen dieses einmaligen und unvergesslichen Erlebnisses.

Lago de Nicaragua – Bullenhaie und Kapuzineraffen

Fischer auf dem Lago de Nicaragua. © 2017, Foto: Thilo Scheu

Knapp 150 km südöstlich von León erreichen wir die Stadt Granada am riesigen Lago de Nicaragua. Der See zählt mit einer Fläche von gut 8000 km² zu den größten seiner Art Lateinamerikas und ist damit rund 15-mal so groß wie der Bodensee. Bei einer organisierten Bootstour über das eindrucksvolle bis zu 45 m tiefe Gewässer schippern wir vorbei an kleinen Inseln auf denen wohlhabende Nicaraguaner teils riesige Villen erbaut haben. Andere Mini-Eilande locken mit traumhaftgelegenen Restaurants und Kneipen und wieder andere beherbergen seltene Tier- und Pflanzenarten. Sogar die mächtigen mehrere Meter messenden und nicht ganz ungefährlichen Bullenhaie kann man hier antreffen. Unterwegs begegnen wir Fischern, die mit ihren winzigen Holzbooten und Wurfnetzen manch Leckerei aus dem See fangen, um sie wenig später an die nahen Restaurants weiterzuverkaufen. Gutes Geld bringt beispielsweise der Guapote, ein Buntbarsch. Jimmy, unser einheimischer Guide, macht uns kurze Zeit später auf einige Affen aufmerksam, die durch die Bäume tollen. Wir entdecken ein paar Klammeraffen und einen Kapuzineraffen. Namen haben sie auch: Pancho, Pandito, Lola und Lucy. Zurück an Land machen wir uns auf in die Innenstadt von Granada.

Granada – Koloniale Bauwerke und mittelamerikanische Lebensfreude

Iglesia de La Merced in Granada. © 2017, Foto: Thilo Scheu

Die Innenstadt und die meisten Sehenswürdigkeiten lassen sich wunderbar zu Fuß erleben und erkunden. Einer der schönsten und lebhaftesten Orte Granadas ist der zentrale Park. Den ganzen Tag herrscht buntes sympathisches Treiben. Freundliche und unaufdringliche Händlerinnen verkaufen Souvenirs, unter wunderbar schattenspendenden Bäumen lässt sich ein kühles Getränk erstehen oder lecker speisen und zahlreiche Kutscher mit ihren schönen Pferdegespannen warten darauf, geneigten Gästen die Stadt zu präsentieren. Wir verlassen diesen liebgewonnen Platz schweren Herzens und gehen zur nur wenige Meter entfernten Kathedrale. Nun steht Kultur und Geschichte auf dem Programm. Das Gotteshaus und Wahrzeichen Granadas wurde einst Anfang des 16. Jahrhunderts erbaut, jedoch Mitte des 19. Jahrhunderts während des nicaraguanischen Bürgerkriegs durch den US-Amerikaner und Freibeuter William Walker und seine Söldner-Truppe vollständig zerstört. Erst 1915 konnte das nun im neoklassizistischen Stil erstrahlende Sakralgebäude mit seinen schönen Deckengemälden wieder für die Gläubigen eröffnet werden. Um den besten Blick über Granada zu genießen, laufen wir zur nicht weit entfernten sehenswerten Iglesia de La Merced mit ihrer verwitterten Außenfassade und erklimmen den angegliederten Glockenturm, nachdem wir ein paar Córdoba für den Eintritt bezahlt haben. Oben erwartet uns ein phänomenaler Ausblick über die Stadt bis hin zum Nicaragua-See. Zum Ausklang des Tages streunen wir abends noch ein wenig durch die oft in liebevoll restaurierten Kolonialbauten untergebrachten Kneipen rund um den Parque Central, trinken einige nicaraguanische Toña-Biere und resümieren über unsere Tour nach Mittelamerika. Wir sind uns einig: Nicaragua ist ganz sicher eine Reise wert.

Einen ersten und guten Überblick mit vielen Informationen, Bildern und Videos über das gesamt Land bekommt man auf der offiziellen Tourismus-Website www.visitanicaragua.com.

Fotoreportage

Mehr Bilder zum Beitrag in der „Fotoreportage: Nicaragua, ein buntes Fest für die Sinne“ von Thilo Scheu.

Anmerkung:

Vorstehender Artikel von Thilo Scheu wurde unter dem Titel „Ein buntes Fest für die Sinne – Nicaragua, eine Reise durch Nicaragua rund um Estelí, León und Granada“ am 16.1.2018 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.

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