Wellenbrecher vorm Wangerland oder Winter auf Wangerooge

© Kurverwaltung Wangerooge

Wangerooge, Deutschland (MaDeRe). Wenn die Zugvögel nicht mehr ziehen, aber die Nasen noch laufen, dann ist Winter an der Nordseeküste und also auch auf dem „Wellenbrecher vorm Wangerland“, wie Menschen mit Humor, die achter de Diek und also hinter dem Deich leben, lustig lästern. An der Küste und auf den Inseln, buten und binnen ist das Wetter im Winter vor allem eines: rau.

Manche meinen, gerade dann, wenn der Wind einem um die Ohren pfeift, reif für die Insel zu sein. Dann, wenn das Eiland von wogenden Wellen umtost wird, weht der Wind nicht mehr nur stark, sondern als steife Brise. Die in Beaufort gemessene Windstärke steht kurz vor stürmisch und in der Küche Grog bereit.

© Kurverwaltung Wangerooge
© Kurverwaltung Wangerooge

Wenn dann das alkoholische Heißgetränk aus Rum, Wasser und Zucker auf Wangerooge ausgeschenkt wird, wird auch auf dieser Insel von einer ziemlich groben See gesprochen. Gemeint ist immer die Nordsee, die für zu viele Menschen schon zur Mordsee geworden ist. Keine Frage: Nordsee ist Mordsee und weit mehr als nur ein deutsches Filmdrama.

Vor allem wenn die See nicht ruht, liegt im Winter der lange Strand von Wangerooge, dieser östlichsten der bewohnten Ostfriesischen Insel im Mare Germanicum, angenehm einsam und verlassen da, wie im Sommer der Osten der knapp 9 Kilometer langen und zwischen 1,2 und 2,2 km breiten Insel.

Wangerooge im Mare Germanicum hat vor sich die offene Nordsee, hinten sich das Wattenmeer mit dem Wangerooger Inselwatt und dem Wangerwatt, links Spiekeroog, dazwischen das Seegatt Dove Harle, und rechts hinter dem Seegatt Blauen Balje die Minsener Oog und Oldoog, die wie Mellum an der Jade liegt.

© Kurverwaltung Wangerooge
© Kurverwaltung Wangerooge

Und Wangerooge als Insel bietet auch einen Ort gleichen Namens, wo neben Insulanern über Wochen und Monate zahlreiche Zugereiste Quartier beziehen. An den Hauptstrand entlang der Strandpromenade gelangen die meisten Gäste der Insel über die Zedeliusstraße, Wangerooges Haupt- und Geschäftsstraße. Im Sommer ist sie vor allem nachmittags und abends proppevoll. Wer die zur Nordsee leicht ansteigende Zedeliusstraße hochschlendert, der kann oben bei den Pollern und Seehunden um den Pudding gehen und sich in den solchen setzen. Dort, wo einst eine Dünenbake abgebrochen und der alte Westturm gesprengt wurde, steht seit Winter 1948/49 auf einem Sandhaufen rund um einen alten Bunker das Café Pudding. Früher war die zu allen Seiten offene Rund-um-Terrasse auf dem Dach der Hit. Auch heute noch lädt Familie Folkerts drinnen zu tollen „Torten und Gebäck aus eigener Herstellung“ ein. Zu empfehlen ist der Käsekuchen, in dem sich Rosinen tummeln, mit einem Pott Kaffee oder einem Kännchen Ostfriesentee, der nur mit Kluntje und Sahne und nur in Teetassen mit der Ostfriesenrose so richtig zu schmecken scheint.

Im Winter ist das Café Pudding leider zu und öffnet erst Anfang April, wenn der Winter nachlässt, wieder. Also wandern die paar Hundert Insulaner und solche, die es für ein paar Tage oder Wochen sein wollen, von dort entweder nach links oder nach rechts, wenn sie nicht einen der anderen Wege zur Strandpromenade genommen haben. Im Sommer sind die Leute leicht und leger gekleidet, Wangerooge ist nicht Sylt – und das ist gut so -, im Winter wetterfest verpackt.

© Kurverwaltung Wangerooge
© Kurverwaltung Wangerooge

Nach links geht’s Richtung Westturm, dem Wahrzeichen von Wangerooge. Dort in den 7 von acht Stockwerken des 56 Meter hohen eckigen Turms, der 1932 errichtet wurde und heute unter Denkmalschutz steht, sowie seit 2005 in einem rundlichen Neubau, der halbwegs dahin passt, ist eine Jugendherberge untergebracht, die statt von einem Herbergsvater von einer Frau geführt wird. Der Westturm wurde 1933 für die Hitlerjugend Herberge und nach dem zweiten Weltkrieg westdeutsche Jugendherberge. Ganz oben in der mittleren und weit höheren der drei steilen Spitzen, die wie Zeltdächer aussehen, können alle Gäste und Besucher der Herberge eine wunderbare Aussicht auf den Westinnen- und Westaußengroden, ganz Wangerooge und umzu bis weit übers Watt und ins Wangerland hinein genießen. Also unbedingt hoch hinaus wollen und Treppen steigen!

© Kurverwaltung Wangerooge
© Kurverwaltung Wangerooge

Nach rechts geht`s zu Mutter Natur. Strandkörbe und kleinbürgerliche Strandvergnügungen sind an der Ostspitze, wo der Strand weiter und wilder wirkt, das ganze Jahr über passé. Schiffe legen lange nicht mehr im alten Hafen an. Längst sind dort Sturm-, Lach- und Silbermöwen zuhause, auch noch weitere Möwen und immer der Austernfischer, der gerade seine Verwandten und Bekannten aus Norwegen zu Gast hat. Jetzt schlägt die Stunde der Wintervögel. Hochseevögel wie Basstölpel und Eissturmvögel sind zu sehen und vielleicht Klippenspringer, die eigentlich auf den Helgoländer Klippen oder Hafenmolen der Nordseeküste überwintern. Arktische Wintergäste wie die Schneeammer gesellen sich hinzu. Doch die werden weniger wie auch weitere kleine Singvögel aus dem Norden, die im Winter gerne Platz auf den Salzwiesen im Wattenmeer nehmen wie Berghänflinge und Ohrenlerchen. Dennoch beleben auch diese Vögel das Wattenmeer zwischen Wangerooge und Wangerland im Winter und mancher Besucher reist nur ihretwegen an.

Andere Gäste geraten wegen Thalasso ins Verzücken. Seit 2014 ist Wangerooge als Thalasso-Nordseeheilbad anerkannt. Keine Frage: Das gesunde Reizklima ist Geschäft und die Insel die erste zertifizierte Thalasso-Region Europas.

© Kurverwaltung Wangerooge
© Kurverwaltung Wangerooge

Wer sich nicht nur von Krankheiten mit kaltem oder erwärmtem Meerwasser, Meeresluft, Sonne, Algen, Schlick und Sand behandeln und von mehr oder weniger redseeligen wie medizinischen Bademeisterinnen und Bademeistern berühren lassen sondern selber etwas tun will, der ist auch im Winter bei der Strandgymnastik willkommen. Wenn`s arg stürmt, dann recken und strecken sich die Wintergäste drinnen. Neben dem Knacken von Knochen geht Aquajogging auch gut und zwar im Hallenbad, das auf der Insel Meerwasser-Erlebnisbad genannt wird und den Titel Oase trägt. Tja. Immerhin kann man im Wangerooger Wüstenwahnsinn in einer finnischen Sauna schwitzen und dann draußen frieren. Das hat doch was.

Das gilt auch für andere Bausünden und Hinterlassenschaften. Bunker gibt es auf Wangerooge als ehemaliger Vorposten des Reichskriegshafens Wilhelmshaven viele und jede Menge Bombentrichter, wovon noch der eine oder andere Tümpel und Teich zeugt. In einigen sollen heute noch Kugeln liegen. Boßelkugeln. Doch die Geschichte übers Boßeln steht im Beitrag übers Wangerland, wo die Leute so herzlich rau sein können, wie das Wetter, und das Land so karg wirken kann wie das Watt.

Informationen:

Kurverwaltung der Gemeinde Nordseeheilbad Wangerooge, Postfach 16 20, 26480 Wangerooge, Telefon: 04469/990

Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde unterstützt von Die Nordsee GmbH.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Ole Bolle ist eine Erstveröffentlichung.

Vorheriger ArtikelRaues reizendes Land zwischen zwei Meeren – Die einzigartige Landschaft ist nur ein Anziehungspunkt von Schleswig-Holstein
Nächster Artikel50 Jahre Hippie-Hauptstadt, 241 Jahre San Francisco – Die Weltstadt an der Westküste der USA