Mit einer Lady in den Finnland-Urlaub – 188.000 Seen, endlose Wälder und drei Superfähren locken in den hohen Norden

MS FINNLADY querab Visby Gotland. © Finnlines

Helsinki, Finnland (MaDeRe). Schauplatz Lübeck-Travemünde Skandinavienkai. Voraus eine fast unübersehbare Autoansammlung. Unser knallrotes Kajak PERO auf dem Dach schwebt scheinbar über dem Blechmeer – wie ein Rettungsboot.

Mitternacht: Einschiffungsbeginn. Die Heckklappe der 218 Meter langen FINNLADY ist weit geöffnet. Es dauert noch, bis ein Kombi mit grell blinkenden Rundumleuchten eine Fahrzeugschlange nach dem anderen über das weitläufige Terminal mit seinen verschlungenen Pfaden in den Rachen der Ro-Pax (Güter-, Passagier-)-Fähre lotst. Überdies schluckt der 46.000-Tonnen-Riese auch noch jede Menge unbemannte Trailer und Lastzüge mit Fahrern. Insgesamt können Fahrzeuge auf 4,2 Kilometern Länge an Bord geparkt werden. Gewaltig!

Vor den Fahrstühlen zu den Passagierdecks stauen sich Finnland-Urlauber und -Heimkehrer mit ihrem Bord-Handgepäck. Bald verschwindet die müde Meute in ihren Kammern, verschläft nach ermüdender Autofahrt das Auslaufmanöver um drei Uhr früh und freut sich auf den ersten Seetag. Vorher müssen allerdings noch die Uhren umgestellt werden, denn in an Bord gilt finnische Zeit, also eine Stunde plus. Man fährt ja schließlich nach Nordost.

FINNLADY-Kaptän Pekka Stenvik auf der Brücke. © Finnlines

Entspanntes Tummeln

Das Tagesprogramm verspricht nicht nur für den Hunger eine Menge: vom kleinen Frühstück bei Roggenbrot und Rentierfleisch im „Star Café“ über das große Brunch-Büffet (das man sogar zwei Mal besuchen darf) im Restaurant „Mare Balticum“ bis zum „Sailors Shop“ mit Duty-Free-Ware wird hier einiges zu nicht übertriebenen Preisen geboten. Übrigens: Passage-Frühbuchern winken kräftige Rabatte, wie die Reederei Finnlines für ihre drei Linienschiffe auf der Finnland-Route wirbt.

Auf den weitläufigen Decks kann man sich bei Sonne entspannt tummeln, während die Kids ausgelassen in ihrer Spielecke toben. Die bordeigenen Saunen werden auch gern frequentiert. Die Fernfahrer haben ihre eigene, um sich hier vor langer Fahrt noch mal richtig entspannen können.

Das alles macht Hunger, den man mühelos beim Seetags-Dinner im „Mare Baltikum“ stillen kann. Mit Genuss, wohlgemerkt. Bei Wein, Bier und Softdrinks gratis (auf der Rückreise gegen Bezahlung, um die Autofahrer nicht unnötig zu verführen).

Auf der Brücke wachen die Steuerleute über einen sicheren Kurs, den der fünfsprachige Kapitän Pekka Stenvik vorher festgelegt hat. Seine langjährige Erfahrung und die Wachsamkeit der Crew garantieren eine sichere und abwechslungsreiche Überfahrt nach Helsinki-Vuosaari. Auf der Rückfahrt hat man leider nur eine Bordnacht, „um einen hohen Umlauf zu garantieren“, erklärt Pekka aus Turku, der mit seiner „Lady“ einen Traumjob gefunden hat. Sein Kollege, Zweiter Offizier Justus Nyquist, ist gebürtiger Potsdamer, lebt aber aus Liebe zu Land und Leuten mit Frau und Kindern auf einer einsamen Insel im lappländischen Inarisee. Wir verstehen uns auf Anhieb, nachdem er von meinem „Nordspleen“ erfahren hat.

Typisch Finnland. Seen, Wälder, Wolken. Quelle: Pixabay, Foto: Jacquelinge Macou

Endlich da!

Geschafft! Nach flotter 23 Knoten-Fahrt mit urlaubseinstimmender Kreuzfahrtatmosphäre über die kajakstille Ostsee. Ein paar geruhsame Stunden Autofahrt – ohne deutschen Straßenstreß – sind es bis zu „unserem“ Ferienhaus, auf Finnisch „mökki“, mitten im Seen-Gebiet. Die Blechlawine verflüchtigt sich Gott sei Dank schon gleich hinter der finnischen Hauptstadt. Wie schon seit 50 Jahren, als ich zum ersten Mal in den hohen Norden startete. Wobei Finnlines immer ein zuverlässiger Transportpartner war, auch bei winterlichem Eis.

Hügelauf, hügelab, durch dichtes Nadel- und Birkenwaldspalier, windet sich das schwach befahrene Asphaltband. Immer öfter blitzt ein Seestück von insgesamt 188.000 durchs Gehölz. Das älteste Gestein der Welt, der granitene Baltische Schild, und die Eiszeiten standen Pate für diese attraktive Landschaftstrilogie aus Wald, Wasser und Fels.

Um überhaupt zu unserer Hütte – sie soll uns die nächsten drei Sommerwochen gehören – zu finden, ist das Navi mit der genauen Anschrift ein unentbehrliches Hilfsmittel.

Letztes Stück: eine kilometerlange trockene Splitt- und Sandpiste, auf der der Wagen ins Schleudern geraten kann wie im Winter auf eisglattem Untergrund. Der Kajak-Resonanzboden verstärkt das markerschütternde Rütteln der Wellblechpiste. Undurchdringliche Staubwolken vernebeln die Sicht nach hinten. Ende der Wüsten-Wald-Strecke. Vor uns auf einer baumbestandenen 700 Meter langen Insel unsere Blockhütte und ringsherum der See. Weit und breit kein Nachbarhaus.

Auf einem Hügel im Wald unser Inselhäuschen. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Hüttenkomfort finnisch

Erste „Amtshandlung“: Abladen des Bootes und „Taufe“ mit See-Wasser vom Näsijärvi. So heißt das über 100 Kilometer lange Gewässer nördlich von Tampere. „Tervetuloa! „Willkommen!“ Der Besitzer ist zu unserem Empfang aus der 35 Kilometer entfernten Stadt angereist. Per Motorboot schippert er mit uns und dem Gepäck, vor allem feste und flüssige Nahrung, hinüber zur Insel. Auf Deutsch macht er uns mit dem Häuschen vertraut. Dazu gehören natürlich auch ein Ruderboot, Sauna, Herd, Kühlschrank, Wasserpumpe mit Filteranlage und Kamin. Gas, Holz und sogar Solarkraft sind unsere Energiequellen.

Beide Seiten sind zufrieden, und der freundliche Finne verabschiedet sich landesüblich mit: „Näkemiin!“ „Auf Wiedersehen!“ und rauscht winkend wieder davon. Wir sind hier ganz allein bei größtmöglichem Abstand: 17 Kilometer bis zum nächsten Supermarkt. Sollte es Probleme geben, ist Besitzer Anders übers Handy erreichbar. Übrigens: Der Empfang ist hier „in the middle of nowhere“ besser als in manchen deutschen Funklochgebieten. Aber davon sollte man möglichst wenig Gebrauch machen, wenn man entspannt urlauben möchte.

Abend am See mit Wein. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Haus statt Zelt

Allein in der Wildnis! Ringsum, so Karte und Augenschein, nur die typischen Landschaftselemente. Vor allem viel, viel Wasser. Das ideale Kajakrevier. Früher ging so eine Tour nur per Zelt ab. Heute, „ein bißchen älter geworden“, freuen wir uns auf das gemütliche Haus mit seinem bescheidenen Komfort. Bei Regen in ein nasses Zelt zu kriechen – keine wahre Freude. Nach einem langen Tages-Kajaktörn noch in der „eigenen“ Sauna zu schwitzen und anschließend mit einem typischen „Karhu“-Bier vor dem knisternden Kaminfeuer zu hocken – ein durchaus angenehmes Gefühl. Außerdem ist dies die landestypische Urlaubsform.

Der riesige Seengebiet bietet so viele Tourenmöglichkeiten – auch mit dem hauseigenen Ruderboot, wenn man kajaklos ist -, die vom jeweiligen Standort aus unternommen werden können. Das Landschaftsbild ändert sich auch nicht entscheidend, so dass wir auf eine Wanderfahrt im klassischen Sinne verzichten können. Kilometerfresserei adé.

Sportlich geht es weiter im Tagesprogramm – per Kajak. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Standortgebunden, doch bootsaktiv

Wir staunen, was man so alles im Umfeld einer Finnenhütte unternehmen kann!

Nach der Morgentoilette – für „das andere“ gibt’s ein Trockenklo – vom Bootssteg aus, dort liegt auch der Kahn vertäut, gehen wir erst mal auf „Kontrolltour“, die Fischreusen nachsehen. Könnte ja das „Abendbrot“ drin sein. Eine Schleppangel für Hecht und Zander macht´s auch. Erlaubt und scheinfrei. Das Wasser ist so sauber, dass sich hier sogar Krebse und Maränen wohlfühlen.

Auf der topografischen Karte (am besten 1: 20 000) wird ein Rundkurs abgesteckt, der mit Pausen gut abzupaddeln oder -rudern ist. Mal geht es über den offenen See, so dass das Seekajak PERO wellenfreudig reagiert; mal durch schmale Felskanäle und an Dutzenden von Inseln vorüber. Deren glattgeschliffene Buckel mit vom Eis ausgeschürften Einlaufbuchten verlocken zum Anlegen. FKK-Baden im klaren See, Sonnen auf durchwärmtem Fels, Blaubeeren- oder Pilzesammeln – oder auch nur ein entspannendes Erholungsschläfchen halten. Die Seele vom Boot aus baumeln lassen, das läßt sich hier trefflich machen.

Zum „Fünfuhrtee“, je nach Lust und Laune, aber ohne Uhr, machen wir wieder am heimischen Steg fest.

Die Sauna soll angeheizt werden (etwa eine Stunde braucht’s bis zur Schwitztemperatur zwischen 60 und 75 Grad Celsius); vielleicht muss noch Holz gehackt – das ist zwar reichlich vorhanden, aber die Arbeit macht Spaß – oder Wasser neben dem Ofen aufgefüllt werden.

Seele baumeln lassen. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Tierisches ohne Vorurteile

Zwischenspiel: Das intensive Abendlicht bietet sich Hobbymalern an zum Aquarellieren und Fotografieren. Unsere vier Privatinselchen rings um das Haus sind ideale Standorte dafür. Sie dienen allerlei Vogelarten wie Kanadagänsen – sie lassen sich sogar vom Steg aus füttern – Kranichen, seltenen Enten und Tauchern als Rast- und Ruheplätze.

Übrigens: Gegen das Finnland-Vorurteil Nummer eins „Mücken“ kann man sich schützen; die Nummer zwei heißt „Kälte“. In der Schule mal was von „kontinentaler Sommerwärme“ gehört? Na, also, die hatten wir nämlich schon ein paar Mal mit 32 Grad im Schatten „satt“. Apropos: An Verpflegung haben wir fast alles im Auto aus Deutschland mitgenommen (in Finnland ist so manches doch viel teurer, vor allem Alkoholika). Dazu kommt, dass der nächste Laden weit von unserer Hütte entfernt ist. Sinnvoll erweist es sich, schon zu Hause einen Menüplan zu erstellen, so dass man nicht in „Proviantnot“ geraten kann. Außerdem wollen wir nicht Auto fahren! Lebensnotwendige Vitamine aus Blau-, Preißel- und Himbeeren ergänzen wir gratis während unserer Streiftouren direkt aus der Natur. Dazu kommen Maronen, Birkenpilze, Pfifferlinge und andere Pilzarten.

Romantik pur so ein Abend am See. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Lange Nächte

Nach der Sauna mit Abkühlungssprüngen in den See ein eiskaltes Helles zum Abendbrot auf der Terrasse mit 180-Grad-Ausblick – doppelter Genuss! Vor uns leuchten Wald und See im letzten goldenen Abendlicht. Die Tagesabschluss-Kajakfahrt zum Sonnenuntergang muss einfach noch sein. Auf einer kilometerlangen gleißenden Sonnenbahn mitten durch den hier acht Kilometer breiten, stillen Seespiegel. Ein unendliches Gefühl der Ruhe durchströmt uns. Ich habe Hemmungen, dieses Bild durch Paddelschläge zu zerstören. Der hohe, weite Mittsommernachtshimmel glüht in allen Rottönen noch lange nach, während wir nur Wellenkreise hinterlassen.

Tagesausklang bei Spiel, Büchern und Wein. Kerzen und Kamin liefern stimmungsvoll Licht und Wärme. Die Kiefern rauschen uns in einen kuschligen Schlaf.

MS FINNLADY im Hafen Archipel vor Helsinki. © Finnlines

Infos:

Kartenmaterial Finnland: über jede Buchhandlung (Topografinen Kartta 1: 20 000, 1: 100 000); Routen-Übersichtskarte 1: 800 000 bekommt man mit den Reiseunterlagen zugeschickt.

Lebensmittel: nach eigenen Vorstellungen zusammenstellen und aus Deutschland mitnehmen, auch Getränke. Kühltasche für den Transport von empfindlichen Produkten zu empfehlen. Küchengeräte und Geschirr sind vorhanden. In den finnischen Supermärkten kann man seinen Proviant ergänzen (Obst, Gemüse, Milchprodukte, Fleisch, Eier etc.). Zur Erleichterung beim Blaubeerenpflücken sollte man dort auch das entsprechende Kämmgerät kaufen. Zu empfehlen sind außerdem frisch geräucherte oder gebratene Maränen – „muikku“ genannt – auf den lokalen Märkten.

Kleidung: so wenig wie möglich, so viel wie nötig – Jogginganzug, Sweat- und T-shirts, Turnschuhe, Hausschuhe, Regenzeug. Mit dem warmen Saunawasser läßt sich auch schnell etwas durchwaschen und in der Sauna über Nacht trocknen. Ansonsten kann frau/man hüllenlos herumlaufen, sofern man kann und mag.

Bettwäsche: ist mitzubringen, ebenso Körper- und Geschirrtücher.

Kohleanzünder: mit dem lassen sich Sauna- und Kaminfeuer problemlos entfachen.

Auch sollte man an Mückenmittel, Saunakonzentrat, Bücher, Spiele, Kerzen, Bademantel und Badelatschen denken. Eine kleine Hausapotheke ist ratsam.

Keine Angst vor Transportproblemen: in den meisten Autos findet all das ohne weiteres Platz. Am besten, man legt sich vorher eine Checkliste an, die immer wieder benutzt und ergänzt werden kann.

Ferienhaus-Anbieter: findet man reichlich im Internet, z. B. Finntouring, Interchalet etc. Die Auswahl für unterschiedliche Ansprüche ist groß. Dabei sollte man auch darauf achten, wie weit das nächste Ferienhaus entfernt ist. Sonst kann es unliebsame Überraschungen geben. Bei den meisten Anbietern ist ausgerechnet diese wichtige Angabe nicht enthalten, so dass man immer nachfragen sollte. Schließlich kommt nach Finnland auch und wegen der Stille und Ruhe.

Fährüberfahrt: www.finnlines.de

MS FINNLADY (Schwesterschiffe auf der Travemünde-Helsinki-Route: FINNSTAR, FINNMAID); sonst noch fünf weitere Ro-Pax-Schiffe auf den Routen zwischen Deutschland, Schweden und Finnland; Bauwerft: Fincantieri, Italien; Baujahr: 2007: BRZ: 45.923; Länge: 2018,80 m; Breite: 30,5 m; Tiefgang: 7,10 m; Lademeter: 4200; Hauptmaschinen: 4 x Wärtsilä a 10.200 kW; Bugstrahlruder: 2 x 2000 PS; Rufzeichen: OJMQ; IMO: 9336268; Nationalität: Finnland; Heimathafen: Mariehamn: Reederei Finnlines, eine Gesellschaft der Grimaldi Group

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