Oberschleißheim, Bayern, Deutschland (MaDeRe). „Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt sich’s ohne ihr„. So hätte der Wahlspruch der Wittelsbacher lauten können. Erschreckenderweise wünschen sich immer noch viele Bayern diese Blutsauger und einen König wie den ausgeflippten Ludwig II. (bairisch: „der Kini“) zurück.
Der Legende nach stammen die Wittelsbacher von Karl dem Großen ab. Sie sind weit verzweigt und mit allen Herrscherhäusern verwandt. Das Königreich Bayern (ab 1805) ist mehr oder weniger ein Produkt der Wirren und des Chaos, das Napoleon in Europa angerichtet hat. Am bekanntesten ist sicher Ludwig II., der verklärte „Märchenkönig“, der im absolutistischen Wahn im 19. Jahrhundert (!) seine Schösser hat bauen lassen: Herrenchiemsee, Linderhof und Neuschwanstein.
Der Größenwahn hat bei den Wittelsbachern Tradition. Ob es nun die monumentale Residenz in München ist, das Schloss Nymphenburg oder der Münchner Königsplatz mit den klassizistischen „griechischen“ Tempeln und die Walhalla bei Regensburg, die Ludwig I. erbauen ließ (sein Sohn Otto wurde 1832 als Otto I. König von Griechenland und hat das bayerische Weißblau mitgenommen, weshalb die griechische Flagge bis heute diese Farben hat).
Am wenigsten bekannt ist vermutlich das riesige Schloss Schleißheim, nördlich von München (von der Autobahn Ausfahrt Garching Süd geht es ca. 10km in Richtung Westen bis nach Oberschleißheim). Genau deshalb wollen wir uns alles etwas genauer ansehen. Eigentlich stehen in der ausgedehnten Parkanlage sogar drei Schlösser.
Das kleinste, aber auch schon ziemlich große, der drei ist Schloss Lustheim, das sich der Kurfürst Max Emanuel Ende de des 17. Jh. anlässlich seiner Hochzeit mit der österreichischen Kaisertochter Maria Antonia hat errichten lassen. Es ist von einem künstlich angelegten Wassergraben umgeben und damit sozusagen auf einer Insel. Ein breiter, gut einen Kilometer langer Kanal, der mit Wasser aus der Isar gespeist wird, verbindet Lustheim mit dem Neuen Schloss.
Das Alte Schloss
(1623 vollendet) orientiert sich stilistisch an den wiederum am antiken Stil ausgerichteten Villen von Andrea Palladio im Veneto und wurde im 2.Weltkrieg stark beschädigt. Die gesamte Anlage ist riesig und umschließt einen kleineren Hof und einen großen parkartig angelegten Hof.
Dem bereits erwähnten Max Emanuel war das Alte Schloss, das diesen Beinamen damals natürlich noch nicht trug, nicht fein und groß genug. Ein noch feineres und noch größeres musste her. Ab 1700 wurde der später „Neues Schloss“ genannte Superpalast erbaut. Bedeutende Künstler der Zeit aus Deutschland und Italien arbeiteten an dem Projekt. Auch als das Geld knapp wurde und das ursprünglich noch viel größer geplante Schloss etwas „kleiner“ werden musste, wurde geklotzt und nicht gekleckert. Max Emanuel (+1726) erlebte die Fertigstellung nicht mehr. erst zur Regierungszeit seines Enkels Maximilian III. Joseph (1745-77) war das Schloss fertig. Weil die Räume jedoch nicht gut zu heizen waren, wurde es auch später kaum genutzt.
Das Neue Schloss
hat die stattliche Breite von 300 Metern! Man betritt es rechts von der Mitte und kommtt von hier zu dem gigantischen stuckverzierten und kuppelgekrönten Treppenhaus des italienischen Meisters Zucalli. In der Kuppel ist ein Fresco des großen bayerischen Künstlers Cosmas Damian Asam (Venus in der Schmiede des Vulcanus). Von hier gelangt man zum imposanten Vestibül, der eigentlichen Eingangshalle, mit zahlreichen Marmorsäulen. Im Stockwerk darüber ist der großen Weiße Saal mit dem riesigen Deckengemälde und viel Stuck. Mit mythologischen Szenen aus der Aeneas Sage feiert sich Max Emanuel in Gestalt des Aeneas als Kriegsheld gegen die Türken.
Neben zahlreichen ebenfalls üppig geschmückten Räumen, von den prunkvollen Schlafzimmern über die Audienzzimmer mit kostbaren Brüsseler Gobelins bis zu den privaten Kapellen des Kurfürsten und der Kurfürstin ist besonders die lichtdurchflutete Große Galerie bemerkenswert. In dieser fast 100 Meter langen Galerie hängen Werke bedeutender Künstler wie Poussin, Rubens oder Pietro da Cortona. In einem Raum im Erdgeschoß zeigt ein Modell, wie der von der Realität etwas eingebremste Größenwahn hätte aussehen sollen. Nehmen Sie sich ruhig die Zeit auch die weniger zentralen Räume anzusehen, man kommt aus dem Staunen kaum heraus.
Ach ja:
der bayerische Größenwahn ging weiter. Die Bayerische Staatskanzlei, der Amtssitz des Ministerpräsidenten wurde von Franz Josef Strauß als gigantischer Monsterbau geplant, der im Volksmund als „Straußoleum“ bezeichnet wird. nach seinem Tod schrumpfte man das Projekt, Kosten spielten dennoch eine untergeordnete Rolle. Es ist eines der größten Regierungsgebäude überhaupt, für den Ministerpräsidenten eines der sechzehn Bundesländer. Man gönnt sich ja sonst nichts!
Fotoreportage
Mehr Bilder zum Beitrag in der Fotoreportage: Schloss Schleißheim von Gerhard Kotschenreuther.