Einzigartige Naturschätze – Eine Reise in die Schweizer Jungfrau-Region im Berner Oberland

Quelle: Wikimedia, CC BY-SA 4.0, Foto: Roland Zumbühl, Arlesheim

Thun, Schweiz (MaDeRe). Der Blick von der Wengernalp ist grandios: Jungfrau, Eiger und Mönch sind zum Anfassen nah und offenbaren imposant ihre ganze Pracht. Wasserfälle stürzen geräuschvoll zu Tal. Doch diesmal geht es nicht nur um die berühmten Berggipfel der Jungfrau-Region, sondern ebenso um Schönheiten ganz anderer Art. Wildwachsende Orchideen. Mal nach Schokolade duftend, mal rotpurpurn oder zungenförmig im Wind wiegend, die Edelsteine unter den Blumen gedeihen auch in den Schweizer Bergen.

Wandernde Orchideen

Doris Schmied, Wanderleiterin und ausgewiesene Orchideen-Kennerin, weist den Weg zu den floralen Schätzen. Auf den Alpwiesen zwischen Zwergsträuchern und Hochgebirgsrasen stößt man auf das Schwarze Kohlröschen, auch als Männertreu bekannt, die Blutrote Fingerwurz oder das Fuchs ´Knabenkraut. Dutzende Orchideenarten, die allesamt geschützt sind, konnten sich im Schatten der Schweizer Berge ansiedeln und so auch isolierte Standorte für sich gewinnen. Wer mit Doris Schmied durch die Berge rund um Wengen und Lauterbrunn streicht, erweitert nicht nur seinen Horizont zum Thema Orchideen, sondern erfährt auch einiges zu den Auswirkungen des Klimawandels. Und so hört man der Expertin interessiert zu, wenn sie erläutert, dass aufgrund der Erderwärmung immer mehr Verwandte von Frauenschuh und Co. aus dem Mittelmeerbereich in die Schweiz einwandern und dort heimisch werden. Orchideen besitzen unterschiedlichste Strategien, um sich zu vermehren und nicht vom Erdball zu verschwinden. Der pantoffelförmig gelippte Frauenschuh etwa lockt Insekten durch seine gelbe Farbe und den aprikosenähnlichen Duft an. Einmal in die zum Kessel umgeformte Lippe geraten, führt der Weg hinaus für die Bestäuber nur vorbei an Staubblättern und Narbe. Allgemein verschiebt sich die alpine Grenze aufgrund der steigenden Temperaturen in immer höhere Bereiche. So finden Orchideen auch rund um Eiger, Mönch und Jungfrau immer neue Refugien, die zum Präsentieren ihrer ganzen Pracht geeignet sind und gleichzeitig dem Pflanzenliebhaber ein herrliches Bergpanorama bieten.

Ein Klima-Guide zum Anfassen

Wer mehr über die Folgen der Klimaerwärmung und Naturereignisse wie Gletscherschwund, Felsabbruch und Hochwasser erfahren möchte, ist ebenfalls in der Jungfrau-Region rund um Grindelwald, Mürren und Eigergletscher richtig. Denn hier kann man sieben verschiedene GPS-gestützte Wanderungen zum Thema Klimawandel unternehmen. Mittels eines ausleihbaren iPhones und dem darauf installierten, unter anderem von der Universität Bern entwickelten, Klimaguide wird man auf leicht verständliche Weise an das Thema herangeführt. Manch einer entscheidet sich für eine mehrstündige Tour in Richtung Unterer Grindelwaldgletscher, bei der einem viel Interessantes zu Ohren kommt. Beispielsweise äußert sich der kleine, gut in der Hand liegende Klimaguide über die Gründe für den vom Pfad aus bestens zu sehenden Eiger-Felssturz aus dem Jahre 2006 oder vermittelt Wissen zum weiter bergauf liegenden Gletschersee und der dort vor kurzer Zeit neu errichteten Berghütte, die übrigens bestens geeignet ist für eine ausgiebige Brotzeit. Dagegen informiert der etwa 4 km lange, leicht zu gehende Klimapfad Grütschalp-Mürren an insgesamt 7 Stationen über Stürme, Lawinen und die Klimaforschung an der Universität Bern. Vor lauter Wissensdurst sollte man jedoch hin und wieder einen Blick auf die Landschaft riskieren, denn diese ist immer noch der wahre Anreiz für eine Tour durch die Jungfrau-Region mit ihren insgesamt über 500 km ausgeschilderten Wegen.

Donnernde Wasserfälle im Lauterbrunnental


Weltberühmt ist die spektakuläre Fahrt zur höchstgelegenen Bahnstation Europas auf 3.454 Meter, dem Jungfraujoch. Jedoch muss man nicht immer so hoch hinaus, um Einzigartiges zu erleben und zu bestaunen. Denn kaum weniger eindrucksvoll als der Blick auf Eigerwand und Gletschereis gestaltet sich eine Wanderung durch das Lauterbrunnental mit seinen 72 Wasserfällen. Die spektakulärsten ihrer Art stürzen sich zwischen Lauterbrunnen und Stechelberg über die steilen Felswände zu Tal. Am besten beginnt man die einfache Tour in Lauterbrunnen, das auch für das Spitzenklöppeln bekannt ist. Berühmter ist jedoch der Staubbachfall, mit einer Höhe von 287 Meter, soll er der höchste freifallende Wasserfall Europas sein. Beeindruckt von diesem Naturphänomen war auch schon Johann Wolfgang von Goethe, der inspiriert vom Staubbachfall das Gedicht „Geister über den Wassern“ verfasste. Nach gut einer halben Stunde Gehstrecke erreicht man das absolute Highlight: Die Trümmelbachfälle. 10 Gletscherwasserfälle im Inneren des Berges suchen sich auf spektakuläre Weise ihren Weg durch das Gestein, und das seit vielen tausend Jahren. Wer zur Schneeschmelze in den Monaten April bis Juni den Weg hier her findet, kann die ganze Wucht, der dann zu Tal stürzenden Wassermassen erleben. Zu dieser Zeit lohnt sich der Eintrittspreis ganz ohne Zweifel. Zurück auf dem Wanderweg steht der Mürrenbachfall als nächstes auf dem Programm. Zwar nicht freifallend, aber mit 400 Meter zählt er zu den höchsten Wasserfällen Europas. In Stechelberg endet die Tour und mit zahlreichen Eindrücken bepackt, geht es, wer mag, mit dem Postpost zurück nach Lauterbrunnen. Übrigens sollte man zwischen fallenden Wassermassen und steilaufragenden Felswänden immer mal einen Blick ebenso auf die Flora der Gegend werfen, vielleicht entdeckt man auch hier die ein oder andere Orchideenart.

Anmerkung:

Vorstehender Artikel von Thilo Scheu wurde unter dem Titel „Auf den Spuren des Klimawandels und einzigartiger Naturschätze – Eine Reise in die Schweizer Jungfrau-Region im Berner Oberland“ am 1.12.2012 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.

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