Die Loire im Glanz ihrer Schlösser – Wo Frankreich am französischsten ist

Steinbrücke über die Loire bei Blois. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Aufnahme: 23.7.2011

Blois, Frankreich (MaDeRe). Grüne Flussauen umrahmen die träge dahin strömende Loire. Nie hat man offenbar versucht, das flache Gewässer in größerem Stil schiffbar zu machen. So blieb die liebliche Flusslandschaft des Loire-Tales erhalten, die heute auf gut ausgebauten Uferwegen die Fahrradfahrer anlockt. Gerade im Sommer bietet diese reizvolle Naturlandschaft mit ihren prächtigen Königsschlössern ein ganz besonderes Erlebnis.

Stolz überragen die Türme der Stadt Blois diese Flussidylle. Unter ihnen ducken sich die Häuser der verwinkelten Altstadt, die sich um schmucke Straßen, Gässchen und Plätze herum gruppieren. Wenig pompös und ohne Allüren schmiegen sie sich harmonisch aneinander. So erwecken sie zunächst nicht den Eindruck, als handle es sich hier um das östliche Eingangstor zu jener Region, von der aus Frankreich einst regiert wurde, bevor Paris ihr den Rang als Regierungssitz streitig machte.

Wendeltreppe im Schlosshof von Blois. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, 2011

Schauplatz der Geschichte

Die Funktion der Repräsentation erfüllt stattdessen das mächtige Schloss, das sich über den Dächern von Blois auftürmt. Seine unterschiedlich gestalteten Flügel, die den geräumigen Innenhof umschließen, legen Zeugnis ab von den jeweiligen Stilepochen, die sich hier im Laufe der Jahrhunderte vereinigten. Gleichzeitig wecken sie die Fantasie zu überlieferten historischen Ereignissen, die bis heute die Gemüter bewegen. Wie ein Krimi wirkt die Ermordung des Herzogs von Guise. Als Anführer der Katholischen Liga lockte man ihn während der Religionskriege hinter die Festungsmauern, um sich des Konkurrenten im Ränkespiel um die Königsmacht gewaltsam zu entledigen.

Und immer wieder ist es König Franz I., der sich hier wie kein anderer einen Namen machte. Einzigartiges Prunkstück seiner Bautätigkeit ist die im Renaissancestil errichteten weiße Wendeltreppe im Innenhof des Schlosses, von der aus sein Wappentier, ein Feuer speiender Salamander, den Betrachtern Respekt abnötigt. Diese Wirkung war natürlich beabsichtigt, denn immerhin setzte der französische König alles daran, seinem Rivalen Karl V. im Kampf um die Kaiserwürde zu übertrumpfen. Doch der Coup misslang, denn der Habsburger schnappte ihm diesen fetten Brocken vor der Nase weg.

Seitenansicht des Schlosses Chambord. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, 2011

Architektonische Sinfonie

Doch die abgrundtiefe Enttäuschung über das Scheitern der hochfliegenden Pläne barg auch etwas Gutes in sich. Denn aus der Frustration des Verlierers erwuchs der Plan, etwas zu erschaffen, das in seiner Pracht bis in die Ewigkeit Bestand haben sollte. So gab der König ein Bauprojekt in Auftrag, das mit seiner Dachkonstruktion als einer Symphonie aus Kuppeln, Türmen und Türmchen alles Bestehende in den Schatten stellen sollte.

Schon bald nahm das Wunderwerk mit Hilfe des künstlerischen Großmeisters Leonardo da Vinci unter dem wohlklingenden Namen Chambord Gestalt an. Besonders die doppelspiralige Wendeltreppe wollte nach ihrer Vollendung vorgezeigt werden. So sah sich der König in einer Mischung aus Stolz und gekränkter Eitelkeit veranlasst, seinen einstigen Konkurrenten Kaiser Karl V. an diesen Ort einzuladen. Dieser akzeptierte und soll sich laut Überlieferung sogar zu einem Lob herabgelassen haben. Mit diesem Pflaster auf die Wunde des verletzten Machtanspruches ließ es sich dann doch noch leben.

Schloss Amboise auf einer Felskante. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, 2011

Kraftstrotzendes Wunderwerk

Gefühle verbanden Franz I. auch mit dem Schloss Amboise, in dem er einst aufgewachsen war. Gelegen auf einer Felskante hoch über der gleichnamigen Stadt an der Loire, verfügte das kraftstrotzende Wunderwerk über einen Turm, in dem sich eine schiefe Ebene in vielen Windungen spiralförmig nach oben schlängelte. Zwei Reiter konnten auf diese Weise in voller Rüstung nebeneinander auf den Burghof hinauf gelangen, ohne sich dabei auch nur zu berühren.

Und da sich die umliegenden Wälder mit ihrem Wildreichtum als ein hervorragendes Jagdgebiet anboten, wurde eine dem Heiligen Hubertus gewidmete Kapelle zum Hauptblickfang auf dem Burggelände. In ihren Glasfenstern durfte natürlich die Jungfrau von Orleans nicht fehlen und zu ihren Füßen – welch großmütige Anerkennung seiner Leistung! – das Grab von Leonardo da Vinci.

Als enger Freund und Vertrauter von Franz I. war er hier im Schloss gestorben, obwohl ihm der König in unmittelbarer Nähe mit Clos Lucé ein eigenes Schloss zur Verfügung gestellt hatte. Dort legte er einen heute noch existierenden parkähnlichen Garten an, dem er die Naturstudien vieler seiner Bilder entnahm. Mit Porträts wie dem der Mona Lisa oder der Dame mit dem Hermelin, angebracht in der luftigen Höhe der Baumkronen, wird noch heute das Andenken an den großen Künstler gewahrt.

Parkanlage von Schloss Chenonceau. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, 2011

Liebliches Ambiente

Als das schönste aller Schlösser an der Loire jedoch gilt Chenonceau, das legendäre Schloss royaler Frauen, Witwen und Mätressen. Von seiner Intention her diente es weniger der Repräsentation als vielmehr dem Wohnkomfort. In großzügig gestalteten Gartenanlagen mitsamt einer eleganten Orangerie konnten sie allesamt stilvoll ihre Zeit genießen.

Das romantische Schloss, errichtet auf den Grundmauern einer ehemaligen Wassermühle, wölbt sich mit seiner Galerie über einen Kanal. Vor allem bezaubert es durch die Leichtigkeit, mit der die über das Wasser gewölbten Steinbögen das Gebäude tragen. So ist es auch heute noch ein Eldorado für Erholung Suchende, bei denen sich die Lieblichkeit des Ambientes herumgesprochen hat. Wahrlich, eine göttliche Landschaft, die dazu einlädt, zu „leben wie Gott in Frankreich“. Und wer wollte sich dazu zweimal auffordern lassen?

Echte Haudegen auf Schloss Blois. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, 2011

Fotoreportage

Mehr Bilder zum Beitrag in der „Fotoreportage: Wo Frankreich am französischsten ist“ von Dr. Bernd Kregel.

Reiseinformationen „Loire“:

Anreise: Mit dem Auto über Paris nach Blois; mit Bahn nach Paris (mit Thalys ab Köln), weiter nach Tours/Blois; mit Flugzeug über Paris, weiter mit der Bahn

Reisezeit: Die Loire lässt sich am besten in den Sommermonaten vom späten Frühling bis zum frühen Herbst genießen.

Essen und Trinken: In Blois gepflegtes Speisen in L’Orangerie du Chateau, oder in Le Tribulet

Anmerkung:

Vorstehende Reportage von Dr. Bernd Kregel wurde unter dem Titel „Wo Frankreich am französischsten ist – Die Loire im Glanz ihrer Schlösser“ am 8.4.2017 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.

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