Porto, Portugal (MaDeRe). Mit Kabine auf der Backbord-Seite vom Flusskreuzfahrtschiff lag man goldrichtig. Denn von „Port“ aus war der Blick auf Porto zu Tag, zu Nacht berauschend; die Unterstadt der Ribeira, Oberstadt, „die“ Brücke; und kurze Wege aus Portweinkellereien am Cais de Gaia in Vila Nova zum „Cruiser“ verliefen problemlos. Erst in eine nebulöse Temperaturmessung eingehüllt, dann sicher „ohne“ auf Steuerbord zurück ans Deck. Reisen zu Corona-Zeiten mag lästig sein; aber so lässig wie jetzt öffnete sich das Land lang nicht mehr der Vorstellung des Touristen. Doppelt willkommen, lohnt es sich nun beim Landgang auf Entdeckungsreise zu gehen. Portugiesen achten sehr auf Anstand und Sauberkeit – auch im abgelegen Ort findet man, seit alters her, meist ein Waschbecken im einfachen Restaurant. Vermutlich ein Grund – von vielen – warum Portugal bis jetzt relativ gut durch die Pandemie gekommen ist.
Vila Nova hat die Uferpartie in den letzten Jahren herausgeputzt, zumindest dort wo Ausflügler und Kreuzfahrer festmachen, und einige dickbäuchige Segler. Die „Barcos Rabelos“ transportierten einst den Douro-Wein in die Portweinkellereien; heute dienen sie nur noch Werbezwecken der Produzenten. Zweier und Vierer und Kanus in allen Farben werden am Ende der Promenade zu Wasser gelassen. Kein Mangel an Café-Snacks, aber eine nahe Markthalle bietet besseres. Oben im Ort oder in gebotenen Abstand von der Kaikante prangen bekannte Markennamen wie Cockburns, Croft, Offley, Taylors, oder Sandeman, Calém, Ferreira. Sie laden (meist) gern nach dem obligatorischen Kellerrundgang zur Portprobe ein. Protzige Portale – bescheiden dagegen der Eingang zu Burmester am diesseitigen Brückenpfeiler. Vom Kai leitet eine neu-mondäne Seilbahn hinauf bis zum oberen „Deck“ des Bauwerks.
Die Ponte Dom Luís I ist wohl die meistfotografierte der halben Dutzend Brücken welche über den Douro zwischen Vila Nova de Gaia und Porto eingefügt wurden – aber die von Eiffel ist es nicht. Gustave gestaltete Maria Pia, bei ihrer Eröffnung 1877 die größte Bogenbrücke der Welt mit einer Gesamtlänge von 353 Meter. Ein filigranes Meisterwerk, steht die einst für die Eisenbahn errichtete Überquerung heute leider nutzlos in felsiger Landschaft herum – Züge verkehren seit 1991 über die benachbarte Ponte de Sao Joao. Beide liegen etwa einen Kilometer flussaufwärts von Luís I, für die Eiffel 1879 seinen Entwurf einreichte – mit nur einer Ebene, damit Schiffschornsteine unterdurch kamen. Wichtiger war die direkte Anbindung von Ober- sowie Unterstadt; so kam Eiffels ehemaliger Kompagnon Théophile Seyring 1881 zur Ausführung. 1886 wurde die wie Maria Pia ‚Fachwerk-Bogenbrücke’ vom König eingeweiht. Auf dem oberen Deck in 60 Meter Höhe gleitet nun die Metro von Ufer zu Ufer, zum Mosteiro da Serra do Pilar am Steilhang, meist militärisch genutzt, mit „rundem“ Kreuzgang und Miradouro zum schön schauen. Spaziergänger oben erlauben sich den Blick in die Tiefe wo vom unteren Deck, für Fahrzeuge wie zu Fuß, Burschen mit Applaus und Aplomb den Sprung ins Wasser wagen.
Die Unterstadt der Ribeira von Porto hat am Flussufer – daher der Name – nun auch wie drüben in Vila Nova eine touristische Meile am Kai. Auf langgezogenen Mauerumgang Muro dos Bacalhoeiros ist man dem Getriebe bereits ein wenig entrückt, und sitzt erhöht mit Blick. Bis in den Himmel hinein scheinen bei Manuel Andrade seine maritimen Modelle zu schweben. In den Gassen abseits das ach so pittoreske Bild von flatternder Wäsche auf der Leine und – eher authentisch: in lichtloser Enge hochragende Hausfronten aus grobbehauenen grauen Granit, Kneipen im gleißenden Neon mit Kaldaunen im Angebot: tripas. „Tripeiros“ werden die Portoenser genannt, seit Heinrich der Seefahrer die Fleischbestände für seine Flotte beschlagnahmte und der Stadt nur noch Innereien blieben. Glanzvoll in Weiß das Museo do Vinho do Porto, Rua Reboleira 37, in altem Lagerhaus am westlichen Ende der Ribeira: ein Museum mit Ausschank. Als Geburtshaus wurde Heinrich ein Gebäude am Rande der Ribeira zugewiesen welches auch als Zollstation und Münze diente – die Casa del Infante. Nahebei am Platz mit seinem Denkmal erhebt sich mit großartigem Glaskuppelsaal der Palácio da Bolsa – ehemals Sitz der Börse und nunmehr ein Musentempel geschmückt mit historisch-heroischen Wandmalereien.
Die Seilbahn Funicular dos Guindais verbindet schräg und schnell Unter- mit Oberstadt, führt ab Luís I am Rest der Stadtmauer hoch zur Igreja de Santa Clara, 1416, außen schlicht und innen prächtig mit üppigem „talha dourada“ ausgestattet, reichlich vergoldetem Holzwerk teils phantastisch geschnitzt. Brasilianisches Edelmetall verschwenderisch eingesetzt im barocken Überschwang: im eher hanseatisch kühlen Porto ein reizvoller Gegensatz – zu entdecken auch in Sao Francisco bei der alten Börse, und der Kirche Ingreja dos Grilos genannt unterhalb der Kathedrale, Sé. Und in Sao Pedro dos Clérigos, 1732-1755 vom Baumeister Nicoló Nasoni errichtet, mit seinem 75 Meter hohen, rhythmisch gegliederten, bekrönten Turm: „Wahrzeichen“ von Porto. 240 Stufen führen zur Plattform mit Panoramasicht. Den Aufstieg vor sich, lohnt die Rundtour mit der Tram 22 ab Santa Clara zum „Torre“ und zurück. Unterwegs zeigt diese reiche Industrie- und Handelsstadt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sich von seiner besten repräsentativen Seite, im Historismus und Jugendstil. Besonders ausgeprägt an der Avenida dos Aliados, ausgerichtet auf die Camara Municipal, dem Rathaus. Mit wenig Touris ist das „Majestic“ in der Rua Santa Caterina auch wieder nostalgischer Treff der gediegenen Gesellschaft.
Nostalgisch erscheint ebenso der Ascensor da Ribeira, ein silbern glänzender „Turm“ von Fahrstuhl hinauf aus dem Häusergewirr – nach Nirgendwo? Man landet in einem eher privaten Garten. Eine Fahrt für Eingeweihte, ohne Entgelt. Durchs Tor dann noch einige Schritte ganz steil bergan – und man steht auf dem Terreiro da Sé der Aussichtsterrasse neben Kathedrale und Bischofspalast – mit einem prächtigen Pranger mittendrin. Von Romanik bis Rokoko vereint die Sé alle Stile in sich, Azulejos sind sehr religiös geprägt. Die blau-weiße Kachelkunst. Wandgemälde in Fliesenform, sind besser im Bahnhof Estacao de Sao Bento zu bewundern. Er liegt oberhalb der Altstadt – UNESCO-Weltkulturerbe mit der Ribeira. Für alle, auch für ankommende Analphabeten war der Exkurs in portugiesischer Geschichte in der hohen Halle sehr einprägsam. Heinrich der Seefahrer darf nicht fehlen, der Infante wird bei der Eroberung von Ceuta, 1415, in Szene gesetzt. Von Sao Bento aus könnte man mal mit der Bahn das Douro-Tal erkunden…
Oder nahe der Nordseite vom Bahnhof eine Tram Linie 22 entern, am Park unterm „Torre“ in die 18 umsteigen und mit der Richtung Meer gleiten. Aber die 1 nach Boa Vista hat da doch mehr Charme. Mittag legt der „Douro Cruiser“ vom Cais de Gaia ab jedoch bleibt ja noch der Nachmittag vom sechsten Kreuzfahrttag wo wieder in Vila Nova festgemacht wird. Also über die Brücke, durchs Ribeira und beim Praca „Infante“ warten aufs Gefährt. Das ruckelt heran, es ächzt und quietscht – und ist einfach wunderschön anzusehen. Innen ist alles auf Hochglanz poliert, die Lederstühle und -bänke aus Philadelphia, USA, das Messingdrehrad in der Kabine, welches der Fahrer ganz stolz in den Händen hält. Lang bimmeln und kurz halten, elf mal bis zur Endstation „Passeio Allegre“ und vorbei an mancher pseudo-gotischen pseudo-byzantinischen Schnörkelvilla. Spaziergang durch den Park, die Palmenallee zum Atlantik, zu der Reihe der städtischen Strände. Abbiegen zum Leuchtturm, Farol, an der Mündung des Douro. Fischer warten auf den Fang. Hinterm Horizont kommt wie wir wohl wissen eher nur Amerika.
Anmerkungen:
Die Recherche wurde unterstützt von Nicko Cruises Schiffsreisen.
Siehe auch die Reportagen „Von Porto über Régua nach Pinhao – Serie: Auf dem „Douro Cruiser“ von Nicko Cruises den Portwein-Fluss entlang, hier und da ein Landgang (Teil 2/3)“ und „Bestes Stück: bis Barca, und zurück – Serie: Auf dem „Douro Cruiser“ von Nicko Cruises den Portwein-Fluss entlang, hier und da ein Landgang (Teil 3/3)“ von Christoph Merten.