Berlin, Deutschland (MaDeRe). Eine Reise entlang der Seidenstraße durch die zentralasiatischen Länder Usbekistan und Tadshikistan hat neben den Kulturschätzen und der orientalischen Exotik in den alten Handelsstädten auch faszinierende Naturschönheiten zu bieten: Karge Wüsten, tiefblaue Seen und schroffe Hochgebirgszüge.
Das Jurten-Camp in der Wüste Kyzylkum
Usbekistan ist vor allem das Land der Wüsten und Steppen. Sie machen etwa drei Viertel vom Territorium des Landes aus. Wer die Wüste hautnah erleben möchte, kann sich in ein Jurten-Camp begeben. Zu den knapp ein Dutzend solcher Quartiere in Usbekistan gehört das Jurten-Camp Safari in der Nähe des Dorfes Khayat. Es liegt in der Wüste Kyzylkum. Sie ist eine der Roten Sandwüsten und außerdem eine der größten Wüsten in Zentralasien. Das Lager besteht aus zwanzig Jurten und besitzt einen Massivbau für die Einnahme von Essen sowie ein Haus mit ausreichend Toiletten und Waschbecken. Niemand muss für den Toilettengang in die Wüste rundherum geschickt werden. Romantik liefern dann eher eine Stromsperre, die etwas Improvisation bei der Essenszubereitung erfordert und die Fotomotive in der Morgensonne: Sandhügel und ein knappes Dutzend am Eingang des Camps lagernde Kamele. Die Wüstenschiffe warten auf ihre Kundschaft für einen Ausritt – wenn kein Sandsturm dazwischenkommt.
Über die Grenze
Wenn den Touristen aus EU- Ländern beim Reisen innerhalb der EU an Grenzübergängen mittlerweile die Grenzerfahrung abhandengekommen sind, hier an der Grenze auf einer Landstraße zwischen Usbekistan und Tadshikistan kann er sie wieder auffrischen. Ausstieg mit allem Gepäck aus dem Kleinbus und dann beginnt das Prozedere. Ausreise usbekische Seite: Koffer und Rucksack durchleuchten, Pass zeigen, der Zoll schaut streng. Fußmarsch über mehrere hundert Meter Betonpiste im Niemandsland zur tadshikischen Seite: Koffer und Rucksack durchleuchten, Pass zeigen, der Zoll schaut streng, wieder mehrere hundert Meter Fußmarsch zu einem Zaun. Und in der Ferne steht der Kleinbus, der leer durchfahren durfte. Wie zu erfahren, können sich alle Insassen eines PKW mit diplomatischer CD-Schild-Kennung nicht auf der langgestreckten Grenzanlage die Beine vertreten. Sie zeigen die Papiere und fahren einfach durch.
Das Naturwunder der sieben Seen
Die Landschaft von Tadshikistan empfängt im Kontrast zu usbekischen Steppen und Wüsten seine Besucher mit schroffen Berglandschaften und grünen Tälern. Das Reiseziel sind die 80 Kilometer entfernten berühmten sieben Seen im westlichen Teil vom Fann-Gebirge. Es erreicht zwar nicht die Höhen des Pamir, aber mit seinen über 5000 Meter hohen Gebirgszügen wird die Bergwelt Europas mühelos übertroffen.
Auf der Fahrt wird man von dem sich durch die Berge schlängelnden Fluss Magjandarija begleitet, einzelne Häuser und kleine Dörfer schmiegen sich an die Berghänge. Hin und wieder stehen am schmalen Flussufer Gerätschaft und Hütten der Gold- und Silberschürfer, meist chinesische Unternehmen, die den Reichtum der Bergwelt industriell abbauen. Und dann tauchen auf Berg-Plateaus auf unterschiedlichen Ebenen die einzelnen Seen auf. Eines ihrer Markenzeichen in dieser atemberaubenden Bergkulisse sind ihre unterschiedlichen Farben, die von türkis und grün, glasklar bis dunkelblau reichen. Unterschiedliche Mineralien im Wasser sorgen für diese Farbspiele.
Ab und zu ist es erholsam, für eine Strecke zu Fuß den Bus zu verlassen, der sich auf der unbefestigten Schotterpiste von Schlagloch zu Schlagloch holpert. Doch diese durchgeschüttelte Mühsal verfliegt im Nu beim Anblick dieser unvergleichlichen Naturschönheiten.
Die Prozedur an der Grenze hat dem Zeitplan des Programms mehr als eine Stunde Zeitverzug beschert. Durch die tief stehende Sonne wird das wunderschöne Panorama von See und Bergen durch Schatten beeinträchtigt, befürchten manche Fotografen. Aber die Sorge ist nicht angebracht. Die wachsenden Schatten über den Seen geben den Bildmotiven sogar einen zusätzlichen Reiz.
Erlebte herzliche Gastfreundschaft unterwegs
Über das Naturwunder der sieben Seen haben sich einige Legenden gebildet. Darüber erzählt Reiseführer Adib, von den Sieben Töchtern, die den Verlust ihres Vaters beweinten. Sie füllten mit ihren Tränen das Tal und ertranken in den Seen. Als der Reisebus an einem der Seen eine Pause einlegt und ich beim Aussteigen noch über die bemerkenswerte Legende nachdenke, sehen wir am Ufer drei Männer uns einladend zuwinken. Sie haben auf einer Feuerstelle in einer großen Metallschüssel Hammelfleisch gebraten. Im Nuh angelt einer der Männer mit einer Kelle Fleischstücke aus der Schüssel und reicht sie uns auf einem Teller. Ein anderer öffnet eine Flasche heimischen Wodka der Marke Keklik und füllt damit kleine bunte Schälchen. Vom Stimmengewirr aus russisch und englisch ist wenig zu verstehen, aber diese Begegnung braucht keine Worte.
Ähnlich herzliche Begegnungen waren auch in Usbekistan zu erleben. Bei einem Besuch eines Touristenzentrums mit historischer Papierherstellung in Usbekistan treffe ich den 91-jährigen Usbeken Raymond. In gebrochenem Deutsch sagt er, dass er sich freue, deutsche Besucher zu empfangen. Er war von 1964 bis1967 als Soldat der sowjetischen Armee in Neustrelitz stationiert. Und dann kramt er in seinen Erinnerungen und findet die Redewendungen „pünktlich wie die Deutschen“ oder „gesagt – getan“, die er als charakteristisch für Deutsche ansieht. Er wünsche Freundschaft und noch einmal Freundschaft – ein bewegendes Zusammentreffen.
Das Volk der Sogdian
Wer sich auf die Fahrt durch Tadshikistan begibt, dem wird nicht allein eine grandiose Bergkulisse geboten. So kann sich der Besucher in dem historisch spannenden Umland des Ortes Penjikent im Rudaki-Museum auf Spurensuche begeben. Das Museum erzählt die Geschichte der alten pre-islamischen Hochkultur der Sogdians, die in dem Gebiet der heutigen Länder Usbekistan, Tadshikistan, Kasachstan und Kirgisien lebten und eine bedeutende Rolle als Zwischenhändler auf den Handelsrouten der Seidenstraße spielten. Das Wege- und Handelsnetz der Seidenstraße wurde schon in der Antike genutzt, um Seide, Gewürze, Glas, Pelze, Gold und Edelsteine zwischen West und Ost zu transportieren. Nach der Herrschaft der Araber wurde sie im 13. Jahrhundert von den Mongolen wiederbelebt und auch Marco Polo überquerte auf ihr das Pamir-Gebirge in Richtung China und beschrieb Landschaft und Kultur in seinen berühmten Reiseberichten.
Das Museum enthält eine umfangreiche Sammlung von Fundstücken, die bei Ausgrabungen sowohl im alten Penjikent als auch in der antiken Siedlung Sarazm, etwa 15 Kilometer westlich von Penjikent, gefunden wurden. Sarazm hatte seine Blütezeit im 4. und 3. Jahrtausend v.Chr.(!). Aus dieser Zeit stammen steinzeitliche Werkzeuge, bronzene Grabbeigaben, Schmuck und Keramiken.
Sensationelle antike Wandmalerei
Neben dem Museum haben Archäologen damit begonnen, die Ruinen des antiken Penjikent auszugraben, das vor über 2500 Jahren gegründet wurden und im 8. Jahrhundert von arabischen Eroberern zerstört wurde.
In ihrer Blütezeit sollen zwischen fünf- und zehntausend Menschen in der Stadt gelebt haben. Fachleute wagen den Vergleich und bezeichnen die Grundmauern dieser antiken Stadt als „Pompei von Zentral-Asien“. Das antike Penjikent wurde vor allem dank der Wandmalereien aus dem 5. bis 7. Jahrhundert weltweit bekannt. Die Wandmalereien wurden von sowjetischen Archäologen im Königspalast, in zwei Tempeln und in Dutzenden von Häusern der wohlhabenden Bürger der Stadt entdeckt und sorgfältig restauriert. Auf den Wandmalereien sind Jagdszenen, Festmahle, Schlachten, Traditionen und Bräuche des sogdischen Volkes zu sehen. Weitere Wandmalerei aus dieser Zeit ist in Dushanbe und in St. Petersburg in der Eremitage ausgestellt.
Die weiteren Ausgrabungen werden auch durch Finanzen (160.000 US-Dollar) von der US-amerikanischen Botschaft in Tadshikistan unterstützt. Nur Bruchteile der Kosten von neuen Waffensystemen könnten die Ausgrabungen schnell zum Abschluss bringen.
In einem Pavillon vor dem Museum werden die Besucher aus Deutschland in bestem Englisch von einer Gruppe tadshikischer Studentinnen angesprochen. Eines Ihrer Hauptfächer ist die englische Sprache. Sie freuen sich über die Gelegenheit, englisch Konversation zu betreiben. Eine neue Frauengeneration aus einem islamischen Land.
Tee vom Pamir und Konfekt aus Moskau
Die bunten Märkte und Basare malen den Fahrten über Land zusätzliche Farbtupfer. Allein die unglaubliche Vielfalt an Teesorten und für viele Europäer unbekannte Gewürze sind Exotik pur. Tee aus der Pamir-Region, Gewürzpyramiden in ganz kräftigen Farben und sogar russisch geprägte Spezial-Läden, die eine unermessliche Vielfalt an Moskauer Konfekt mit dunkler Schokolade anbieten.
Bei aller Schwere des Händler-Daseins scheint auch hier der Grundzug der Freundlichkeit gegenüber den Fremden immer die Oberhand zu behalten.
Und sie setzt sich in der Busfahrt durch kleine Dörfer fort, wo Kinder in ihren Schuluniformen, Jungens mit rotem Schlips und Mädchen mit blauen Kleidern und kleinen weißen Tüchern auf dem Weg nach Hause sind. Sie alle winken uns freundlich zu und wir winken zurück.
Und schließlich in den Unterkünften auf dem Land, den Guest Houses, wird der Tourist von der Gastfamilie wie ein Freund aufgenommen. In der Familie sind scheinbar alle vom Schüler bis zum Großvater bei der Bewirtung der Gäste eingespannt. Auch hier wie in vielen Restaurants in Usbekistan und Tadshikistan wird zum Abendessen der Marathon mit dem bekannten Plov, dem Reisfleisch, fortgesetzt, traditionell mit Hammel zubereitet. Und es wird dann jede Menge weiteres Fleisch vom Lamm, Rind und Huhn serviert, dazu das unverzichtbare Fladenbrot und Rohkost-Salate. Wenn dann am Abend allerdings mit mehreren Wodka-Runden auf das Wohl der Gäste und des Hauses angestoßen wird, übernimmt dies der Hausherr und Gastgeber allein.
Der majestätische Iskanderkul-See
Ein weiterer Glanzpunkt einer bezaubernden Seen- und Bergwelt ist der Iskanderkul-See. Er liegt auf einer Höhe von 2225 Metern und ist über 70 Meter tief. Er gehört zu den beliebtesten Ausflugszielen für Einheimische wie auch Touristen und ist ein Wanderparadies. Wörtlich übersetzt heißt Iskanderkul „See von Alexander dem Großen“, und nach einer Legende soll Alexander hier in einer Schlacht sein Lieblingspferd verloren haben, welches heute noch bei Vollmond aus dem See steigt, um am Ufer zu grasen. Allerdings ist es wohl historisch nicht belegt, dass er jemals hier war.
Das Blau des Sees steht im Kontrast zu den umliegenden zerklüfteten rötlichen Bergen und selbst bei etwas diesigem Wetter wirkt er majestätisch. Bei einer Wanderung entlang eines Flusses zu einem Wasserfall erlebt man noch einmal die ganze Schönheit des Bild-Ensembles von Bergen und klarem schäumenden Wasser.
Die Wasserkraft spielt in Tadshikistan eine herausragende Rolle. Mehr als 90 Prozent des Stroms werden damit erzeugt. Aber die extensive Wassernutzung durch die Nachbarländer führt auch in bestimmten Monaten zu Wasserknappheit und damit auch zu Stromsperren.
Der Präsident auf der Plakatwand
Mitten in den Bergen am Beginn einer kleinen Siedlung ist eine gut sichtbare große Plakatwand aufgestellt. Darauf ist der heute 70jährige Präsident von Tadshikistan Rahmon Danghara-Kulob abgebildet. Er ist seit 1994 im Amt, hat zusammen mit seinem Familienclan die Regierung in fester Hand und wurde im Oktober 2020 für eine fünfte Amtszeit wieder gewählt. Sein Bild wird den Reisenden an manchen Orten des Landes bis in die Hauptstadt von Tadshikistan begleiten. Dort in Dushanbe angelangt, erfährt dann jeder: Das ist die Stadt von Rahmon.
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Dr. Ronald Keusch wurde im Mai 2022 auf der Heimatseite Keusch-Reisezeiten im Weltnetz erstveröffentlicht.
Die Reise wurde organisiert und durchgeführt von der französischen Organisation ACTED und dem usbekischen Reiseverband APTA. Finanziert wurde sie vom Projekt der Europäischen Union „Silk Road CBT Initiative: Connecting Central Asian Community-Based Tourism and European Markets“ im Rahmen des Programms „Central Asia Invest V“.
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