Von Lausanne ins Lavaux – Serie: Am Genfer See oder Löötig Lust auf Lac Léman (Teil 1/2)

Genfer Seengebiet
UNESCO-Weltkulturerbe: Die Weinterrassen des Lavaux. © Foto: Alain Jarne, BU: Primo PR

Lausanne, Schweiz (MaDeRe). Durch das tiefe Blau dort unten schaufelt, ganz offensichtlich, ein Spielzeugdampfer. Sein Riesenrad wälzt sich im weiten Wasser – ob er dabei schnauft können wir hier oben nicht vernehmen. Im Grünen am steilen Hang und entlang der Hügel hüben stehen die Reben satt. Wo mal kein Wein wächst treten schmucke Dörfer, in allerlei Stein festgefügt wie in Tradition, pittoresk in Erscheinung. Dort drüben dann die Giganten der Alpen, sogar im Sommer oft noch schneebedeckt. Im Herbst ist auf der Schweizer Seite vom Genfer See eine goldene Gala zu erleben: lauter propere Pracht in önologischer Tracht – bis die letzten Hüllen fallen zur Zeiten der Lese. Ausgeschenkt werden die exzellenten Ergebnisse der Ernte bei den hiesigen Winzern, Vinotheken und Händlern, nur geringe Mengen gelangen in den Export über den Hochrhein zu uns. Ein Grund von vielen, ganz leger ein paar Tage zu verweilen.

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Raddampfer La Suisse: Goldbetresst und mit Fahne vorweg. © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Die Schweiz betrachten wir vom „großen Kanton“ Deutschland aus gerne als biederes Schmuckstück ohne Charme und Esprit. Weil wir die französische Suisse nicht kennen. Wie Le Vaud, den Kanton Waadt mit Lausanne als Hauptstadt, mit Montreux, Vevey und all den Dörfern am und oberhalb vom See. Total entspannt zu erreichen, denn die Pünktlichkeit der Schweizer Bahn ist wirklich keine Mär (wer weinwandert, sollte dies bedenken). Natürlich hat das perfekte Paradies seinen Preis. Aber den berappt man gern, wenn die Leistung stimmt bis ins i Tüpfelchen. Zum Beispiel – so eine schicke Metro wie unter Lausanne wird in Berlin in tausend Jahren nicht gebaut. Schiebetüren geben gemach den Weg frei ins klimatisierte Innere. Angenehm angesprochen und beinah lautlos gleiten wir hypermodern hinab zur Anlegestelle der Raddampfer. Futuristisch trifft nostalgisch, was für eine schöne Symbiose.

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Schneebedeckt: Dachlandschaft von Lausanne im Winter. © Tourismusverband Genferseegebiet, BU: Primo PR

Ein Gang durch Lausanne in der Cité, erhobenem Herz der Stadt seit dem Mittelalter, geht hinauf vom Markt zur Kathedrale hier, dem Kastell dort als Trutzburgen der Geistlichkeit und gräflicher Gewalt. Steinerne Krone und spitze Haube der markanten Türme überragen in der Silhouette viele weiß bekleidete Viertausender auf Savoyer Seite vom See, auf französisch Lac Léman. 224 Stufen führen im Glockenturm an schon mal laut läutenden Klangkörpern zur Aussicht – und diese ist atemberaubend. Vom 1275 geweihten Gotteshaus, im gotischen Stil erbaut, lohnen das Südportal mit den farbenfrohen Figuren, die Rosette mit der Darstellung des Lebens und Strebens kurz nach 1300, das reich geschmückte Chorgestühl und nebst vielen anderen Details si qua fata sinant die Kapelle und Grablege Bischofs Aymon de Montfalcon, ausgestaltet 1504-1509, mit seinem soeben erwähnten schicksalhaftem Motto.

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Hoch auf dem Marktbrunnen: Justitia mit Schwert und Waage. © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Die Escaliers du Marché winden sich, steil ansteigend, überdacht, den Hügel hinauf. Vom schmucken Marktplatz Place de la Palud, mit Renaissance-Brunnen samt Justitia-Statue sowie Figuren- und Glockenspiel beim Rathaus. Ein handwerkliches Meisterwerk in Holz ist diese Treppe, welche oben in eine Pflasterstraße mündet. Tu Felix Helvetia, keine Bomben zerstörten deine Bauten. Wer die Stufen im Turm scheut findet leicht Terrassen mit Panoramablick. Drei bedeutende Werke überbrücken das trockengelegte Tal der Flon zu Füßen. Seit gut 100 Jahren geleitet die Bessières-Brücke, nun mit Metro auf halber Höhe, von der Cité ins Caroline-Quartier.

Das angrenzende Rotillon-Quartier ist eines der Szeneviertel der Universitätsstadt, und ihre Rue de Bourg zum Wochenmarkt die Nachrichtenbörse. Das Revier für Kommissar Maigret: 17 Jahre lebte hier Georges Simenon. Ab dem Grand-Pont in Richtung Pont Chauderon wurden Lagerhallen von ehedem Teil der angesagten Ausgehmeile. Oben in Beaulieu birgt die einzigartige Collection de l’Art Brut 60 000 Werke, on Show sind nur 700: Kunstwerke von Autodidakten und Außenseitern der Gesellschaft. Mit 5300 von Jean Dubuffet als Donation ging die Sammlung 1971 an den Start.

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Goldener Weinherbst: St. Saphorin, Genfer See und Berge. © Foto: Alain Jarne, BU: Primo PR

Gemächlich wäre es wohl gewesen, mit dem schön nostalgischen Schiff nach Saint-Saphorin zu gelangen, aber einige hatten es eilig. So nahmen wir die Bahn, verließen sie an der Station mit Seeblick und bewegten uns gar allmählich bergan, beschwingt vom hehren Anblick der Rebenhänge, zogen durch den Torbogen ins idyllische Winzerdorf mit seinen fein zurückhaltend geschmückten Häusern aus hellem Stein. Schöpften Wasser aus stattlichem Brunnen wie im Lesebuch bevor wir uns drüben auf der Terrasse der Auberge de l’Onde labten. An hervorragenden Speisen und den exzellenten Weinen, kredenzt von einem der besten Sommeliers der Schweiz. Von Jérome Aké Beda, der wirkt als wär’s ihm in die Wiege gelegt: eine wundersame Lebensgeschichte. Die Auberge ist Herberge mit Tradition, berühmtester Gast war ein angeblich kommunistischer Komiker: Charlie Chaplin. Seinen Tisch oben hatte er gut gewählt.
Unten warten wir, warm ist’s, ein wenig mit weiter wandern.

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Weinterrassen mit Hüsli an einem Wanderweg im Lavaux. © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Das Weinbaugebiet Lavaux AOC erstreckt sich über 825 Hektar, es reicht von Lausanne bis zum Chateau de Chillon bei Montreux und umfasst 14 Gemeinden. Chasselas ist im Vaud oder Waadtland die wichtigste Rebsorte mit mehr als 2/3 der Anbaufläche. Besonders mit rund 90% im Dézelay das mit Calamin eigene AOC im Lavaux bildet. Derart gebildet, eilen wir mit unserem Guide entlang dem „Chemin de la Vigne A Gilles“ und durch einen Teil vom UNESCO-Weltkulturerbe. Ausgezeichnet wegen seiner Weinterrassen, die in Jahrhunderten von Generationen angelegt und gepflegt wurden. Etwa 10 000 Terrassen auf 40 Ebenen, erstmals 1331 erwähnt. Mit 400 km mächtigen Steinmauern, welche die Wege begrenzen sowie die Steilhänge stützen und schützen, grau aber hübsch mit buntem Blumenschmuck verziert. Bis auf 600 Meter wächst Wein, 200 Winzer sind noch tätig und von vielen ihrer Rebenhäuschen weht stolz die Schweizer Fahne. Uns ruft Rivaz und der Zug nach Cully. Wir schlendern durchs Dorf mit seinen propren Gebäuden – und schnell noch hinein ins Vinorama. Dort könnten wir an die 300 gute Tropfen aus dem Lavaux probieren. Aber uns erwartet in Cully bei Louis Bovard eine Degustation vom Alleredelsten.

Kontakt:

Office du Tourisme du Canton de Vaud, Avenue d’Ouchy 60, CH-1001 Lausanne, E-Mail: info@genferseegebiet.ch, Web: www.genferseegebiet.ch

Anmerkung:

Die Recherchereise wurde unterstützt vom Tourismusverband Genferseegebiet, Lausanne Tourisme und Montreux Riviera.

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