Sechs auf Kraut bei der Steinernen Brücke – Unterwegs in Regensburg

Rstikales Wurstküchenrestaurant in Regensburg an der Donau. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Regensburg, Bayern, Deutschland (MaDeRe). Dämpfige Luft erfüllt den Raum mit den blitzblanken Kupferkesseln bei der Brauerei Kneitlinger. „Stimmten Mischung oder Temperatur nicht waren Hopfen und Malz verloren. Im schlimmsten Fall schlug es dem Fass den Boden aus,“ erfährt man während der Brauereibesichtigung beim Kneitinger in Regensburg. Daher stammen also die uns gebräuchlichen Redensarten. Die Geschichte der Biererzeugung ist uralt. Mit großer Wahrscheinlichkeit war vergorener Brotteig Ausgangspunkt für die Herstellung eines Gebräus, das man als Bier bezeichnen könnte. Als „flüssiges Brot“ half es die wochenlange Fastenzeit zu überstehen. Laut Urreinheitsgebot aus dem Jahre 1469 heißt es: „Niemand darf zum Bierbrauen etwas anderes verwenden als Gerstenmalz, Hopfen und Wasser.“ Heute trinkt man Regensburger Bier u. a. für einen guten Zweck, denn alle drei Traditionsbrauereien sind Stiftungen. Dabei fließt der Erlös von jedem Glas Bier in eine lokale gemeinnützige Einrichtung.

Sicher begibt man sich nicht nur wegen des Bieres in die Stadt am nördlichsten Punkt der Donau. Regensburg mit ca. 140.000 Einwohnern ist Hauptstadt des Bezirks Oberpfalz und Sitz der Regierung der Oberpfalz. Im Jahre 2006 wurde ihr der Status UNESCO-Welterbe verliehen. Über 1500 gut erhaltene bzw. restaurierte Denkmäler begleiten den Besucher auf seinem Gang durch die 2000-jährige Geschichte der Stadt. Castra Regina oder Ratisbona, die Namen der ersten Hauptstadt Bayerns im frühen Mittelalter änderten sich über die Jahrhunderte. Das Besucher-Zentrum im reichsstädtischen Salzstadel informiert über den langen Weg zum Welterbe, eine Auszeichnung die man auch wieder verlieren kann.

Gewaltig strömt die Donau unter der 308 Meter langen „Steinernen Brücke“. Gebaut wurde sie samt Brückturm von 1135 bis 1146 und gehört zu den bedeutendsten Bauwerken des Mittelalters. Sie gilt als Vorbild für die Prager Karlsbrücke. Vorbei sind die Zeiten als es für junge Mädchen und Burschen unschicklich war, sich mit Partnern vom anderen Donauufer zu vermählen. Bei einer „Romantischen Mondscheinführung“ erfährt man immerhin, in welchem Haus der älteste deutsche Liebesbrief gefunden wurde.

Doch man fand nicht nur Liebesbriefe. Reste einer römischen Kastellmauer sind im Parkhaus an der D.-Martin-Luther-Straße und am Ernst-Reuter-Platz ausgestellt. Ebenfalls aus der Römerzeit stammt das weltweit einzig erhaltene Legionslagertor die Porta Praetoria am Bischofshof.

Sakrale Baudenkmale – Zeitzeugen des Wohlstandes

Stiftskirche zu Unserer lieben Frau zur Alten Kapelle in Regensburg, ein Meisterwerk des Rokoko. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Stiftskirche zu Unserer lieben Frau zur Alten Kapelle in Regensburg, ein Meisterwerk des Rokoko. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Das geistliche Leben spielte eine wesentliche Rolle in der Stadt, wo sich heute auch der Bischofssitz der Diözese Regensburg befindet. Zahlreiche historische Kirchen und ehemalige Klöster prägen das Stadtbild. Bereits im frühen Mittelalter blühte der romanische Baustil. Während Regensburg sich zur Fernhandelsmetropole entwickelte fand die Epoche ihren architektonischen Ausdruck in den Meisterwerken der Gotik. Die Stiftskirche zu Unserer lieben Frau zur Alten Kapelle, erbaut um 875, Mitte des 18. Jahrhunderts neu ausgestattet, zählt zu den prachtvollsten Rokoko-Kirchen Bayerns.

Orgelspiel ertönt aus dem eindrucksvollen Gotteshaus. Beim Betreten des Domes St. Peter verfällt selbst die lebhafteste Besuchergruppe ins Schweigen ob der gewaltigen Architektur. Über das Mittelschiff erhebt sich ein 32 Meter hohes Gewölbe im Stil der französischen Gotik. Die Kirche entstand über 600 Jahre in mehreren Bauabschnitten als dreischiffige Basilika mit drei Polygonalchören. Begonnen wurde mit dem Südchor um 1270. Faszinierend ist das Farbenspiel der fast vollständig erhaltenen mittelalterlichen Glasfenster. Die Türme baute man erst später an.

Inzwischen intoniert der Organist einen Choral, der die ganze Kirche mit seinem Klang erfüllt. Die 36 Tonnen der größten freihängenden Domorgel der Welt werden von vier Stahlseilen gehalten. Ein gläserner Aufzug bringt den Musiker nach oben, wo er mit 80 Registern und 5.871 Pfeifen seinem Instrument ein vielseitiges Klangspektrum entlockt.

Man könnte sagen, sie sind ein Teil des Domes: die Regensburger Domspatzen. Gegründet wurde der Chor, der auch heutzutage Spitzenleistungen aufweist, im Jahre 975. Nicht nur aus Bayern kommen musikalische Jugendliche an das Musikgymnasium. Ohne strenge Disziplin und viel Übung hätte man die weltweite Anerkennung nicht erreicht.

Romantik trifft Praxis

Ein kunstvoller Hut mit einer jagdlicher Deko.  © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Ein kunstvoller Hut mit einer jagdlicher Deko. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Der Weg in die Innenstadt führt durch winkelige Gässchen. Wunderliche Straßennamen sind da zu lesen. Das Kuhgässl ist wohl der engste Verkehrsweg in Regensburg. Angeblich spielte sich hier eine Konfrontation zwischen einem Bäckergesellen und einer Kuh ab, wer wem Durchgang gewährte. Es heißt die Kuh habe den Sieg davongetragen. Vorbei geht es an vielen kleinen Geschäften. Einen Blick in den Hutladen des Hutkönigs zu werfen ist ein Muss. Schließlich ist er Europas einziger Hutmacher der einen Meistertitel für Damen- als auch für Herrenhutmacher besitzt. Da darf so eine extravagante Kopfbedeckung schon mal an die 400 Euro kosten. Wer hätte gedacht, dass der bekannte süße Senf vom „Händlmaier“ in einem eigens dafür eingerichteten Senfladen verkauft wird. Beim „Lederer“ gibt es individuelle und antike Lederwaren.

Vorbei geht es an zahlreichen, markanten Geschlechtertürme der Patrizier, die allein dazu dienten den Wohlstand der Kaufleute zu präsentieren.

Im Mittelalter bis in die Neuzeit war Regensburg eine Handelsstadt von europäischer Bedeutung. In zahlreichen Speichern lagerte Handelsgut. Der um 1580 erbaute Gewürzspeicher, genannt „Leerer Beutel“ machte hoffentlich nicht seinem Namen Ehre. Mittlerweile sorgen eine Städtische Galerie und ein Kino für das Füllen des Beutels. Ein gesundes wirtschaftliches Polster der Stadt sind heute u. a. ein Automobilzulieferer, Firmen für Biotechnologie und Weltraumtechnik.

Riechen und Schauen, vielleicht probieren

Zwei Löwen säumen das prächtige Portal in der Gesandtenstraße, dem einstigen Eingang zur Schnupftabakfabrik. Über 200 Jahre produzierten die Gebrüder Bernhard edle Tabaksorten. Im Museum sind nicht nur alte Gerätschaften und Arbeitsplätze zu sehen. Der Geruch des verarbeiten Produktes haftet noch intensiv an den Wänden. Dem zerriebenen Tabak gaben Kalk und Butterschmalz die richtige Konsistenz. Die Sorte „Schmalzler Franz“ war dermaßen beliebt, dass vor dem 2. Weltkrieg in der Fabrik 350 Männer und Frauen Arbeit fanden.

Vorläufer moderner Demokratie

Eine breite steinerne Treppe zwischen meterdicken Wänden führt im Alten Rathaus hinauf in den Reichssaal. Erbaut wurde es 1245 als Stauferkaiser Friedrich II. , der Regensburg zur Freien Reichsstadt erhob. Besondere Bedeutung erhielt der einstige Tanzsaal nachdem dort ab 1663 der immerwährende Reichstag stattfand. Er gilt als Vorläufer der deutschen Parlamente und anderer politisch wichtiger Zusammenschlüsse. Eindrucksvoll die große Wanduhr, ausgestattet mit nur einem Stundenzeiger, was dem damaligen Zeitverständnis entsprach. Im Keller ist es kalt und fast könnte man sich einen eigenartigen Geruch einbilden eine Mischung aus Schweiß und Blut. Hier im alten Gewölbe stehen noch originale Folterwerkzeuge aus dem Mittelalter bis Anfang des 19. Jahrhunderts deren sich auch die Kirche bediente. Fragstatt nannte man diesen Ort beschönigend. Unvorstellbar welchen Qualen sich Menschen unterziehen mussten, die oftmals unschuldig waren. Um den Schmerzen ein Ende zu bereiten gestanden sie Taten, die sie nicht begangen hatten.

Lebenslust heute

Spezialität sind Bratwürste vom Grill. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Spezialität sind Bratwürste vom Grill. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Die Regensburger wissen zu feiern. Nicht nur auf der „Dult“ wie hier der Jahrmarkt heißt. Zahlreiche Festivals, Theater, Restaurants und Cafés beleben die vielen Plätze der Stadt. Humorvoll geht es auch in der historischen Wurstkuchl an der Donau zu, die ja angeblich die älteste der Welt sein soll. „Sechs auf Kraut, bitte!“ Bestellt der Gast. „Jo mei, dös is scho a Weile her,“ feixt die Bedienung zurück.

Wen wundert´s da dass laut Umfrage eines Fernsehsenders zum Thema Glück in Regensburg die zufriedensten Menschen leben.

Reisehinweise:

Informationen: www.tourismus.regensburg.de ; Rathausplatz 4, 93047 Regensburg; Tel: (49) 941- 5074410; tourismus@regensburg.de

Innenstadtnahe Unterkunft direkt in der Altstadt: z. B. Hotel Müncher Hof, www.muenchner-hof.de. Brauereibesichtigung Kneitinger unter www.knei.de

Literaturtipp: „Das Unesco Welterbe – Deutschland, Schweiz, Österreich“ 336 Seiten, Hintergrundinformationen, Panoramaseiten, separater Kartenteil; Format 23,1 x 29,5 cm; € 29,95 (D), € 30,80 (AU); ISBN 978-3-95504-143-4; www.kunth-verlag.de

Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde von Tourismus Regensburg unterstützt.

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