Die Albhoftour – Wandern, staunen und probieren auf der Schwäbischen Alb

Kühles Quellwasser am Fuße der Wimsener Höhle. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Pfronstetten, Schwäbische Alb, Deutschland (MaDeRe). Malia drückt das Lämmchen fest an sich. Welches Herz schlägt wohl heftiger? Das des Neugeborenen oder das der 6-Jährigen? Doch dann verlangt die Mutter laut blökend ihr Junges zurück. Bei der Schäferei Fauser in Pfronstetten auf der Schwäbischen Alb kommt man nicht nur hautnah in Kontakt mit den Tieren sondern man erfährt auch viel Interessantes über das Leben in einer Schäferei. Längst ist die Romantik des mit seiner Herde umherziehenden Schäfers der rauen Wirklichkeit gewichen. Um ungefähr 2000 Tiere kümmert sich Familie Fauser. Da muss schon jeder Hand anlegen. „Ein Teil unserer Herde grast tatsächlich noch auf den Wiesenflächen der Schwäbischen Alb,“ erklärt man uns. Die Schafe tragen einen wichtigen Teil zur Landschaftspflege bei. Regelmäßiges Abgrasen verhindert das Hochwachsen von Buschwerk. Dadurch erhalten niedrigere Pflanzen eine Chance. Außerdem verschleppen die Tiere in ihrem dichten Fell Samen und sorgen damit für Artenvielfalt. Im Stall befinden sich zur Zeit vorwiegend Mütter mit ihren neugeborenen Lämmern. Nach dem Rundgang steht „pfiffiges Hofgeschehen“ auf dem Plan. Aus unverarbeiteter Wolle, Wasser und Seife werden Filzkugeln hergestellt. Geduldig erklärt Frau Fauser die einzelnen Schritte. Zur Brotzeit lassen sich die Besucher die leckeren selbst hergestellten Produkte schmecken. Wer abends zu müde zum Weiterziehen ist kann es sich im Heulager oder im Schäferkarren gemütlich machen. Die Schäferei ist eine der Stationen einer möglichen „AlbhofTour“ zwischen Zwiefalten, Pfronstetten und Hohenstein. Die gesamte Region befindet sich südlich von Reutlingen auf der mittleren Schwäbischen Alb. Unterwegs ist man mit dem Rad oder zu Fuß.

Gemütliche Einkehr am Bachlauf bei der Wimsener Höhle. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Gemütliche Einkehr am Bachlauf bei der Wimsener Höhle. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Das Biosphärenreservat Schwäbische Alb versucht modellhaft intakte Natur und wirtschaftliche Aktivitäten des Menschen dauerhaft in Einklang zu bringen. Diesen Gedanken hegten auch die Initiatoren, die sich zur Gründung der AlbhofTouren abgesprochen hatten. Erlebnisse in der Natur, verbunden mit Kultur, aber auch mit Menschen, die mit originellen Ideen auf sich aufmerksam machen wollen, waren ein hoch gestecktes Ziel. In einer Zeit wo ständig neue Hotels mit immer gleichen Standart-Angeboten auf den Markt kommen, ist eine Rundreise zu den verschieden Zielen der AlbhofTour erfrischend, erholsam und gleichzeitig lehrreich. Sie ermöglicht gerade Kindern aus der Stadt allerlei Aktivitäten und gewährt ihnen Einblick in die Herstellung von Lebensmitteln, die täglich auf den Tisch kommen.

Kopf einziehen, bei hohem Wasserstand in der Höhle. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Kopf einziehen, bei hohem Wasserstand in der Höhle. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Lautlos gleitet das Boot in die Höhle. Dann heißt es: Kopf einziehen. Der Wasserstand ist nach all dem Regen hoch. Wir sind an unserem nächsten Ziel. Eine der vielen Höhlen, die im wasserdurchlässigen Kalkstein entstanden sind ist die Wimsener Höhle. Nach dem Besuch bei der Schäferei Fauser geht es auf einem einsamen Wanderweg weiter, vorbei an überdimensionierten Holzspielzeugen und einer Vielzahl an Wildblumen, die erstaunlicherweise auf dem kargen Kalkboden gedeihen. Ab der Hayinger Brücke begleitet uns ein klarer Bach, indem sich die Sonne spiegelt durch das Glastal. Bizarr geformte Kalkfelsen ragen in den wolkenlosen Himmel.

Die zu Ehren des Herzogs Friedrich II. auch genannte Friedrichshöhle ist die einzige auf dem Wasser befahrbare Höhle Deutschlands. Auch wenn von den 723 Metern nur etwa 10 Prozent für den Besucher erfahrbar sind vermittelt sie doch einen guten Einblick in das Kalksteingebilde. Im Jahre 1995 fand man Tonscherben und Menschenknochen die wahrscheinlich aus der späten Bronzezeit stammen. Zur damaligen Zeit war der Wasserstand niedriger und die Höhle begehbar. Zeugnis davon geben auch Tropfsteine, die nur im Trockenen entstehen aber in 2 Meter Wassertiefe gefunden wurden. Bereits im 12. Jahrhundert wurde der Bach unterhalb des Höhlenausganges für die Wimsener Mühle aufgestaut. An dem kleinen Wasserkraftwerk wird nicht nur ein interessantes Kulturprogramm geboten sondern auch eine ausgezeichnete Restauration.

Wurstspezialitäten und Nudeln mit Biss

Rainer Bendel zeigt stolz seinen Nudelvorrat. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Rainer Bendel zeigt stolz seinen Nudelvorrat. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Die Sonne meint es zu gut mit uns. Zwischen Wiesen und Feldern wandern wir zur nächsten Station. Auf dem Hof der Familie Münch in Hochberg erwarten uns erst einmal spezielle Aufgaben die gelöst werden müssen. Beim Quiz über Kühe erfahren wir wie viel Futter so eine Kuh morgens und abends braucht um ca. 20 Liter Milch zu produzieren. Nach unserer Einschätzung wäre sie wahrscheinlich verhungert. Doch mit dem Raten ist es nicht getan. Erst muss die Kuh gemolken werden und das mit Hand. Etwas mulmig ist es uns schon zwischen den Bäuchen. Doch das Tier lässt unsere Versuche geduldig über sich ergehen: „Nicht ziehen, nur drücken“, erklärt Pia. Und tatsächlich zeigt sich ein dünner Strahl. Mit zwei Händen braucht es schon gewisse Koordination. Doch auch bei Münchs verrichtet die Melkmaschine diese Arbeit. Trotz allem ist noch viel Handarbeit erforderlich. Auch auf diesem Hof wird das Fleisch der eigenen Tiere verarbeitet. Im Hofladen findet man eine gute Auswahl an „Bichsawurst-Spezialitäten“. Der selbst gemachte Holundersaft und die liebevoll dekorierte Wurstplatte schmecken köstlich nach getaner Arbeit.

Möglichst weit weg mit den Kranken, den Siechenden, den Ärmsten der Gesellschaft war 1606 der Gedanke Michael Müllers, seinerzeit Abt im Kloster Zwiefalten. Eine wechselhafte Geschichte hat die Radlerherberge in Baach hinter sich. Zwischen dicken Mauern und Fachwerk bietet das Haus heute gemütliche Zimmer zur Übernachtung nicht nur für Radler. Von hier aus blickt man schon auf die eindrucksvollen Türme der Barockkirche im ungefähr 3 Kilometer entfernten Zwiefalten.

Über den Prälatenweg geht es zu den Sonderbucher Landeiern. Bereits in 5. Generation wird dieser Hof heute von Rainer Bendel und seiner Familie geführt. Etwa 800 Hühner in Bodenhaltung legen fast jeden Tag ein Ei. Diese Menge muss verarbeitet werden. Warum nicht zu Nudeln? Man nehme Weizengries und Eier, eine Nudelmaschine mit verschiedenen Formscheiben und schon entsteht eine „Nudel-Fabrik“. Rainer Bendel zeigt uns sein Lager, wo Spätzle, Penne usw. gelagert sind. Quasi als Nebenprodukt entstehen aber auch Eierlikör, Backerbsen und Anisschnitten. Das Besondere an seiner Nudelfabrikation: Man kann von den eigenen Hühnern Eier bringen und diese verwendet er zur Verarbeitung. Man erhält dann seine ganz persönlichen Nudeln! „Reich werde ich damit nicht, muss ich auch nicht, es macht einfach Spaß!“ Erklärt uns Rainer lachend.

Weideglück und Wacholderwiesen

Blick von der Radlerherberge Siechenhaus auf Zwiefalten. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Blick von der Radlerherberge Siechenhaus auf Zwiefalten. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

„Ich bin nicht geduscht und nicht gebügelt. Fahren wir?“ Wir sind unterwegs mit Albrecht Freytag, der gerade aus dem Stall vom Melken kommt zwischen Getreidefeldern in Münsingen-Bichishausen. Sie werden biologisch-dynamisch nach Richtlinien des Demeter-Verbandes bearbeitet. „Demeter, die Göttin der Fruchtbarkeit auf der Alb?“ Begeistert weiht er uns in seine Vorgehensweisen ein und freut sich über das gute Gedeihen des Kornes. Die Lehren von Rudolf Steiner beziehen sich auf alle Gebiete des Lebens. Gerade in der Landschaft wären sie eine Alternative um vom ständigen Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger wegzukommen. „Lebensmittel die Körper, Seele und Geist nähren.“ Ein völlig anderer Ansatz im Gegensatz zur heutigen Massenproduktion unter der auch die Qualität leidet und die teilweise sogar krank macht. Auch Gemüse und Obst im Garten gedeihen prächtig nach den Steinerschen Grundsätzen. Alle Produkte finden auf dem Hof oder auf Märkten Absatz. Am nächsten Morgen macht sich eine Gruppe mit Sichel und Sense auf den Weg. Der Kurs bei der VHS fand großen Anklang, und es waren nicht nur Sensen-Männer sondern auch einige Sensen-Frauen dabei.

Es sind nur wenige Schritte vom Hof bis zum Bürzel von dem man nicht nur einen herrlichen ins Lautertal hat sondern auch auf die Wacholderwiesen, auf denen in der entsprechenden Jahreszeit Küchenschellen und Orchideen zu bewundern sind.

Käseherstellung ist Handarbeit. © Foto: Rainer Hamberger, 2016
Käseherstellung ist Handarbeit. © Foto: Rainer Hamberger, 2016

Unterwegs zu unserem letzten Ziel zum Altschulzenhof in Münzdorf wandern wir über eine Hochebene, vorbei an Wacholderbüschen und vielen Wildblumen. Traditionelle Landwirtschaft mit Milchverarbeitung und Direktvermarktung ist das Ziel dieses Betriebes. Während in der Käseküche die Milch verarbeitet wird, zeigt uns Elisabeth Engst den Käsekeller. In natürlicher Kälte lagern hier eine Vielzahl von Käseleibern, große und kleine, runde und eckige, darunter auch ein Wacholderkäse zur Landschaft passend. Wieder oben wird die mit Lab versetzte und erhitzte Milch in gelöcherte Plastikformen gegossen. Dabei landet leider die gesunde Molke im Abfluss. „Vielleicht hab ich mal eine Idee, wie ich dieses „Abfallprodukt“ als Schönheitsmittel verwerte,“ hofft Elisabeth. Wer sich in einer ihrer Ferienwohnungen einmietet darf jeden Tag frische Milch und natürlich auch selbst hergestellten Käse genießen. Viele Wander- und Radwege führen von Münzdorf ins Lautertal.

Den Initiatoren der AlbhofTour ist es mit viel Fleiß gelungen, interessierten Urlaubern interessante Einblicke in die Vielseitigkeit von Landwirtschaft zu geben. Hinter jedem Projekt stehen Menschen die mit Leib und Seele ihre Aufgabe erfüllen. Ein gutes Gefühl für sich selbst aber auch für diejenigen die daran teilhaben dürfen.

Reiseinformationen:

Ausführliche Beschreibungen der einzelnen Höfe, sowie der Rad- und Wanderwege findet man im Buch AlbhofTour, ISBN 388627280-X, Oertel+Spörer Verlags-GmbH+Co.KG, Reutlingen. Oder unter www.albhoftour.de

Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde von der Albhoftour unterstützt.

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