Lötzen, Rössel, Heiligelinde, Wolfsschanze und Nikolaiken – Serie: Kultur und Kulinarik, eine Woche Flusskreuzfahrt in Masuren (Teil 4/7)

Morgenhimmel mit Nebel in Masuren, Ostpreußen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Lötzen, Rössel, Heiligelinde, Wolfsschanze, Nikolaiken, Polen (MaDeRe). Masuren ist seit eh und je Synonym für eine der schönsten europäischen Landschaften. Während der Flusskreuzfahrt über die Masurische Seenplatte erlebt man unberührte Natur und Sehenswürdigkeiten einer mehr als siebenhundertjährigen deutsch-polnischen Geschichte. Und natürlich die nach wie vor deftige ostpreußische Küche.

4. Tag: Lötzen – Rössel – Heiligelinde – Wolfsschanze – Nikolaiken

Scherzhaft-doppeldeutig meint Tischnachbarin Monika beim Frühstück: „Heute haben wir einen Termin beim Führer“. Gemeint ist der lokale polnische Reiseführer, ein namhafter Historiker und Buchautor. Im damaligen Hauptquartier Hitlers, der „Wolfsschanze“ (Wilczy Szaniec) bei Rastenburg (Ketrzyn). Hier wird einem beim Anblick gesprengter Betonmauern der Wahnsinn des „Tausendjährigen Reiches“ bewusst. „Das ist ein Stück sichtbare Geschichte“, antwortet Wolfgang, befragt nach seinem Besuchsmotiv, „das muss man mal gesehen haben!“

Offizielles Programm:

Am Vormittag wird Lötzen (Gizycko) per Stadtrundfahrt erkundet, vorbei an der nach Plänen des preußischen Hofarchitekten Schinkel erbauten Kirche. Dort findet heute wieder ein deutschsprachiger Gottesdienst statt. Ein seltenes Technikdenkmal ist die handbetriebene Drehbrücke über den Kanal zum Mauersee.

Nach einem Besuch der Feste Boyen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die auf einer Fläche von 100 Hektar zwischen Löwentinsee und Mauersee errichtet wurde, geht es weiter nach Rössel (Reszel).

Weithin sichtbares Wahrzeichen der verträumten Stadt ist die klotzige Burg, die 1350 bis 1401 von ermländischen Bischöfen erbaut wurde. Noch 1807 wurde hier eine Frau als Hexe verbrannt!

Heiligelinde Orgelkonzert. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Nächste Station ist die barocke Wallfahrtskirche „Heiligelinde“ (Swieta Lipka) aus dem  17. Jahrhundert. Sie zählt zu den schönsten ihrer Art in Europa und begeistert durch die prachtvolle Innenausstattung und das Orgelspiel mit seinen beweglichen Posaunenengeln. Dass der jesuitische Pater den Zuhörern zwar den Segen erteilt, aber übergangslos den auf dem Vorplatz der Kirche verbotenen Zigarettenhandel geißelt, ist schon gewöhnungsbedürftig. „Und vergessen Sie Ihre Sachen nicht!“, schickt er hinterher.

Eine Schleuse des Masuren-Kanals. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, 2020

Nach dem Mittagessen bringt der Bus die Gäste zur „Wolfsschanze“, bis 1945 Hitlers ostpreußisches Führerhauptquartier, umgeben von bis zu neun Meter mächtigen Betonmauern. Das gesprengte Areal ist heute Gedenkstätte für Graf Stauffenberg und die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944.

Nach einer Führung geht es zurück zur CLASSIC LADY, die schon nach Rhein (Rhyn) am Talter Gewässer vorausgefahren ist.

Über den See gleitet das Schiff an seinem Heimatanleger vorbei in zwei Stunden nach Nikolaiken (Mikolaiki). Die Kleinstadt, einst „masurisches Venedig“ genannt, gilt als beliebtester und damit belebtester Ferienort der Region mit dem größten Hotelkomplex Nordpolens. Er liegt nahe am Spirdingsee, dem mit 120 km2 größten See Masurens.

Für das Abschiedsessen auf dem Schiff hat sich der Koch etwas Besonderes ausgedacht und präsentiert eines seiner Kunstwerke zum variantenreichen Thema „Fisch“.

Dr. Peer Schmidt-Walther mit Fischsülze von Tadeusz auf der Classic Lady. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, 2020

„Sieht aus wie ein echtes Aquarium“, meint Jürgen, als Tadeusz und die Bootsleute – hier kann jeder alles, sogar kochen, selbst Kapitän Tomasz Biadun – einen gläsernen Kasten hereinschleppen. Der ist gefüllt mit Fisch in Aspik. Des Weiteren werden aufgefahren: Lieblingssuppe, Pillkaller; Vorspeise: Henriks Aquarium; Salatbuffet: mit Sellerie-Apfel-Salat; Hauptgang: Schweinebraten, gefüllt mit Pflaumen, Speckklöße, und Teltower Rübchen; Dessert: Pfannkuchen mit Quark und Früchten; Seelenwärmer: Henriks Trunk. Kein Geringerer als Goethe lieferte dazu das Motto: „Das Essen soll zuerst das Auge erfreuen und dann den Magen“. Letzteren erfreut der „Bärenfang“ am Schluss. Tadeusz kennt das Geheimnis des ostpreußischen Nationalgetränks: „Weil die Bären gern Honig klauten, hat man ihn mit Alkohol versetzt, so dass sie einschliefen und gefangen werden konnten“.

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