Magadan, Erineiska-Bucht, Ochotskisches Meer, Russland (MaDeRe). Alex, Ende Zwanzig, haust hier mit vier Kollegen. Sibirische Überlebenskünstler. Sie kommen aus der einige hundert Kilometer entfernten Halbinsel-Hauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski. Einziges weibliches Wesen: Kätzchen Anja, das vergnügt zwischen dem Müll herumtollt. Von Juni bis September, übersetzt Mari, fischen sie Lachse. „Produktionsergebnis“ der kurzen Saison: 20 Tonnen Kaviar, das Kilo zu 20 Rubel. Ein schöner Batzen für die freien Unternehmer, mit dem sie und ihre Familien gut über den langen Winter kommen. Anders der etwa fünfzigjährige Einsiedler Igor in der Erineiska-Bucht auf dem sibirischen Festland. Nur hat er andere Motive: Harte Schicksalsschläge vertrieben ihn in die Wildnis – für immer. Einzige Lebensgrundlage ist das, was die Natur so bietet: Fische, Tiere, Pilze, Beeren, Kräuter. Elisabeth Sommer bringt ihm einen abgelegten Pullover mit. Der Mann bedankt sich überschwänglich.

Ostsibirischer Aussteiger. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Die beiden wettergegerbten Wildhüter, denen wir später auf der Fedora-Insel begegnen, leben schon seit zwölf Jahren in ihrer Station, drei Tagesmärsche von der nächsten Ansiedlung entfernt. Ein junger Betriebswirt aus Wladiwostok verbringt einen Natur-Urlaub bei ihnen – Zubrot für die Männer, deren selbstgewählte Isolation die wenigsten nachvollziehen können. Wolodjas Taiga-Lieder zur Gitarre klingen schwermütig. Auch nach dem „Ankerplatz der Hölle“. So nannte der russische Ex-Sträfling und Schriftsteller Warlam Schalamow die Stalinschen Straflager des Archipel GULAG, in denen zwischen 1932 und 1954 zwölf bis fünfzehn Millionen Menschen umkamen. Der einstige Verwaltungssitz Magadan des „Schwarzen Planeten“ wird zwangsweise an Steuerbord liegen gelassen. Die Stadt mit der finsteren Vergangenheit ist, wie Klaus Bednarz in seinem Buch „Östlich der Sonne“ beschreibt, nach wie vor „Grenzgebiet, Sperrzone, nur mit besonderer Genehmigung zu betreten“. Außerdem gelte die Hafenstadt als besonders kriminelles Pflaster. Wir tuckern nachdenklich auf unsere Luxus-Insel zurück.

Einheimischer Fischer von Ost-Sachalin. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Alex und seine Aussteiger-Kumpels auf Zeit hingegen sind weltverbunden. Alle paar Tage fährt ein Sil-Gelände-LKW vor und holt die begehrte Ware ab. Im Gegenzug karrt er frisches Brot und andere Lebensmittel aus dem 40 Kilometer entfernten Dorf heran. Lektor Tim Johnson ergänzt die Lieferung außerplanmäßig durch eine Stange Zigaretten und Streichhölzer. Alex revanchiert sich mit einem Sack voll frisch gefangener Lachse. Als ein Entenschwarm schnatternd über die Hütte sirrt, erwacht sofort sein Jagdinstinkt. Wir wollen so ein Geschenk nicht und winken eiligst ab Er lässt enttäuscht die Flinte sinken. Vor ein paar Jahren noch, auf der „World Discoverer I“, waren wir die Ziele von wodkaseligen Fischern. Sie beschossen das Schiff beim ersten Anlandungsversuch auf Ost-Kamtschatka.

Fotoreportagen

Siehe auch die Fotoreportage: Das Ochotskische Meer und die Seelöwen und die Fotoreportage: Auf der „World Discoverer“ im Ochotskischen Meer von Dr. Peer Schmidt-Walther.

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