Auf den Spuren der Goldsucher – Mit dem Schiff lassen sich große Gebiete Alaskas relativ bequem erkunden

Start mit der Norwegian Sun. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker

Juneau, Alaska, USA (MaDeRe). Der Name dieses Landes trägt quasi schon das Abenteuer in sich. Wer Jack London mag, wird sich gern auf seine Reisen durch die schier unendliche weiße Weite, die Wildnis der Berge und Wälder begeben haben – immer mit einem bisschen Gänsehaut, wenn das Geheul der Wölfe näher kommt und der Trapper am Lagerfeuer deren einzige aktuelle Beute zu sein scheint.

Okay, die Abenteuer haben sich etwas gewandelt. Vieles ist heute einfacher, technisierter, bequemer. Zwar kann man dieses „Land, in dessen Richtung das Meer strömt“ – so übersetzt sich der aleutische Name „Alaxsxag“ für Alaska – auch heute noch relativ individuell bereisen. Doch die Straßen sind besser ausgebaut, insbesondere der Alaska Highway. Es gibt Bahnlinien, Busse und natürlich größere und kleinere Schiffe, mit denen sich der rund 1,72 Millionen Quadratkilometer große und seit dem 3. Januar 1959 nördlichste Bundesstaat der USA, diese größte Exklave der Erde, erkunden lässt.

Übrigens: Am 8. November 1960 durfte Alaska erstmals an einer US-Präsidentschaftswahl teilnehmen. Lediglich 1964 erhielt mit Lyndon B. Johnson der bislang einzige Demokrat die Wahlmännerstimmen aus Alaska. Stets gewannen Kandidaten der Republikaner die Wahl in Alaska, wo heute rund 710 000 Menschen leben – so auch in diesem Jahr: Trump konnte deutlich über Clinton triumphieren.

Im kanadischen Vancouver beginnt die Alaska-Reise. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker
Im kanadischen Vancouver beginnt die Alaska-Reise. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker

Vor rund 15 000 Jahren gab es noch eine Landbrücke zwischen Asien und Nordamerika. So konnten sibirische Nomaden Alaska erreichen, quasi die Ureinwohner. Mit dem Ende der Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren hob sich der Meeresspiegel, und beide Kontinente wurden durch die heute so benannte Behringstraße getrennt. Erst im 17. Jahrhundert kamen die ersten Europäer nach Alaska, das sich schließlich das Russische Kaiserreich aneignete.

Im Jahre 1867 erwarben die USA dieses vermeintlich nutzlose Fleckchen Erde am Nordpolarmeer für lächerliche 7,2 Millionen Dollar. Doch so ärmlich war das Land gar nicht: Ende des 19. Jahrhunderts kam es direkt zum Goldrausch am Klondike und Yukon, den großen Flüssen Alaskas. Die Kunde der dort gefundenen Nuggets lockte mehr als 40 000 Abenteurer aus aller Herren Länder in die eisigen Weiten Alaskas. Allein die Anreise zu den Goldfeldern war schon Abenteuer genug – viele gaben unterwegs auf oder kamen um.

Damals ging es mit dem Dampfer zunächst nach Alaska, in die Häfen von Skagway oder Dyea. Anschließend folgte ein beschwerlicher Marsch mit Tonnen von Proviant und Ausrüstung über den White Pass oder den Chilkoot Pass zum Bennett Lake. Dort wurden Boote und Flöße gebaut, mit denen der Yukon bis nach Dawson City befahren wurde – ein abermals beschwerlicher Teil der Reise.

Wer sich heutzutage auf die Spuren der Goldwäscher begeben will, hat es viel einfacher. Über Schluchten führen Brücken, die Straßen sind gut ausgebaut, und es existiert eine funktionierende Infrastruktur. Dennoch gibt es auch heute noch Gebiete, in denen praktisch Funkstille herrscht – ohne Handy-Emfang und ohne Internet. Aber dort findet der Wanderer dafür eine Landschaft vor, die sich zum Teil allen Vorstellungen entzieht.

Wer Zeit hat, kann Alaska im Wohnwagen bereisen und dabei auch eine Vielzahl von Fähren nutzen. Vor allem die zahlreichen Gezeitengletscher sowie die vielen Meeresbewohner und Wildtiere an der Küste machen aber auch Alaska-Reisen auf dem Seeweg zu einem spektakulären Erlebnis. Per Kreuzfahrtschiff geht es von Vancouver oder Seattle Richtung Norden, immer tiefer hinein in die dünn besiedelten Regionen am Rande des Kontinents. Dorthin, wo mehr Bären als Menschen zu Hause sind. Dorthin, wo der Westen noch immer wild ist.

Wir sind auf der Inside Passage unterwegs, der beliebtesten Schiffsroute in Alaska. Die Reise führt entlang der spektakulären Südostküste Alaskas, die durch Hunderte von Inseln vor der rauen See geschützt wird. Nach einem Seetag auf der „Sun“ der amerikanischen Reederei Norwegian Cruise Line, werden mit Spannung die ersten „Haltestellen“ in dieser Wildnis erwartet. Erstes Ziel ist Ketchikan, die südöstlichste und die erste Stadt in Alaska. Natürlich steigen wir von Bord, doch das Wetter in diesen späten Sommertagen könnte es durchaus besser mit uns meinen. Zum Glück ist es recht mild, und ab und zu lässt der Regen nach.

Carlos Zarate, umtriebiger und umsichtiger Concierge auf der Norwegian Sun, hat den Tipp gegeben, zum Creek zu laufen – einem Fluss, in dem es unzählige Lachse geben soll, die gegen den Strom zu ihren Laichplätzen schwimmen. Tatsächlich waren dort auch stattliche Exemplare zu sichten. Entlang des Creeks aber gibt es noch anderes Interessantes: ein Rotlicht-Häuschen neben dem anderen, mit genauen Beschreibungen der Dirnen, die hier einst die Fischer und Goldgräber auf andere Gedanken brachten, bis die Prostitution ab 1954 verboten wurde.

Die Dirnen-Häuschen am Creek von Ketchikan. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker
Die Dirnen-Häuschen am Creek von Ketchikan. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker

Wer will, kann in Ketchikan auch schon zahllose mehr oder weniger geschmackvolle Souvenirs oder teuren Goldschmuck erwerben. Originell sind die gläsernen Anhänger für Kettchen mit kleinen originalen Nuggets darin. Natürlich kann man von hier aus auch Ausflüge buchen, zum Beispiel zum Misty Fjords National Monument mit seinen hohen Küstenbergen und tiefen Einschnitten, die zum Teil bis zu 300 Meter unter dem Wasser liegen. Oder zum Hochseeangeln fahren, oder zur Holzfäller-Show, oder zum Abendessen in der Wildnis.

Weiter geht die Reise nach Juneau, der Hauptstadt von Alaska und mit 30 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Alaska, deren Ausfall-Straßen aber erstaunlicherweise im Nichts enden. Nur per Schiff oder Flugzeug kommt man hierher. Interessant ist, dass man von de Altstadt in Minuten mit einem Linienbus direkt bis an einen Gletscher fahren kann. Der „Mendenhall Glacier“ ist einer der Ausläufer des fast 4000 Quadratkilometer großen Juneau-Eisfelds, einer eisblauen, von wild gezackten Dreitausendern umrahmten Welt. Mit 67 Metern Höhe und 2,4 Kilometern Breite ist er jedoch fast ein Winzling – ein Winzling geworden dank des Klimawandels.

Bahnhof der White-Pass-Eisenbahnlinie in Skagway. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker
Bahnhof der White-Pass-Eisenbahnlinie in Skagway. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker

Nächster Halt: Skagway. Die Stadt hat einen „Broadway“ mit historischen Restaurants, Saloons, Geschäften und vielen Einheimischen in historischen Kostümen. Skagway und die nahe gelegene Geisterstadt Dyea waren einst Ausgangspunkte für die Goldgräber. Auf deren Spuren kann man von Skagway aus mit der historischen „White Pass & Yukon Route“-Eisenbahn, deren Bau vor rund 120 Jahren begonnen wurde, bis ins Yukon Territority von British Columbia reisen.

Auf nur 20 Meilen der insgesamt 110 Meilen langen Strecke mit ihren teils dramatischen Kulissen überwindet die Bahn einen Höhenunterschied von 1000 Metern. 35 000 Menschen waren an ihrem extrem schwierigen Bau an steilen Felsen und bei Temperaturen von bis zu minus 52 Grad beteiligt. Wer nicht bis Whitehorse fährt, sondern nur die rund 28 Meilen bis Fraser, kann für die Rückfahrt dort in einen Bus umsteigen, der die Reisenden sicher über den Klondike Highway zurück nach Skagway bringt.

Auf dem Weg zur Glacier Bay. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker
Auf dem Weg zur Glacier Bay. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker

Am nächsten Tag geht es dann echt in die Wildnis – wir fahren in den Glacier Bay Nationalpark. Beidseits des Schiffes wechseln schroffe Felsküsten tiefer Fjordlandschaften mit kleinen Inseln. Nur selten sieht man kleine Blockhütten am Ufer, ab und zu tauchen Fischtrawler und Wasserflugzeuge auf. Im Glacier Bay Nationalpark Park gibt es über 50 Gletscher, sieben von ihnen haben es bis in die Glacier Bay genannten Bucht geschafft. Dort brechen nicht selten über 50 Meter hohe Eisbrocken ab und fallen mit einem Ohren betäubenden Knall ins Wasser. Die Leute auf dem Schiff quittieren das mit Beifall.

Als Kapitän George Vancouver 1794 die Region erforschte, war die Bucht fast vollständig vom Eis der Gletscher gefüllt – es war mehrere Kilometer breit und über 1000 Meter hoch. Nur 85 Jahre später stellte der Naturforscher John Muir fest, dass sich die Gletscher stark zurückentwickelt hatten – sie haben sich um 77 Kilometer verkürzt.

Tag Sieben markiert den Höhepunkt der Reise, in deren Verlaufe natürlich auch die Tiere dieser Region zu sehen waren – wenn man Glück hatte: verschiedene Wal-Arten, Seelöwen und Seeotter, Seehunde und Seeadler, Biber und Fischotter, Wölfe und Füchse, Braunbären und Schneeziegen, Möwen und Papageientaucher. Am Tag Sieben also war den legendären Hubbard Gletscher erreicht. Dieser Gletscher mit dem Spitznamen „galoppierender Gletscher“ ist nicht nur elf Kilometer breit und 122 Kilometer lang – im Gegensatz zu anderen wächst er nämlich, und zwar um rund 24 Meter pro Jahr.

Am Hubbard Gletscher. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker
Am Hubbard Gletscher. © 2016, Foto: Eva-Maria Becker

Morgens um sieben Uhr, bei strahlendem Sonnenschein und 15 Grad Celsius im Schatten sind wir vor Ort. Geschickt bugsierte Kapitän Ronny Borg sein 283 Meter langes Schiff mit über 1900 Gästen und einer 926-köpfigen Crew bis auf etwa 300 Meter an die gewaltigen Eismassen heran. Es knackt und knarzt, und unter lautem Getöse – die Einheimischen nennen das „weißer Donner“ – brechen immer wieder große und kleine Teile ab, die dann als türkisblau schillernde Eisblöcke aufs offene Meer hinaustreiben. Danach geht es zum ebenso beeindruckenden Grand Pacific Glacier.

Abgesehen von den Touristen auf den hier regelmäßig einlaufenden Kreuzfahrtschiffen und einigen Ausflugsbooten und abgesehen vom „weißen Donner“ ist Glacier Bay aber heute so still und fast menschenleer wie vor Tausend Jahren. Nur wenige nomadisierende Indianer zog dieses unzugängliche, unwirtliche Land an. Doch auf der Suche nach dem Mythos Alaska spielen die schier unendliche Weite sowie die unbarmherzige und eigentlich menschenfeindliche Natur eine wichtige Rolle.

Endstation der Reise mit der Norwegian Sun ist Seward, ein Hafen nahe Anchorage. Nun heißt es Abschied nehmen vom fahrenden Hotel, deren Mitarbeiter uns so fürsorglich und charmant auf unserer Reise betreut und versorgt haben – mit abwechslungsreichen Diners und leckeren Drinks, mit allerlei Zeitvertreib und künstlerischen Darbietungen, mit interessanten Informationen und allerdings sehr kostenintensiven Ausflugsangeboten. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen Jahr für Jahr aufmachen, um auf so bequeme Weise auch recht unbequeme Regionen per Kreuzfahrtschiff zu bereisen. Unsere Tour war jedenfalls zu 100 Prozent ausgebucht, wie ich von Hotel-Manager Rumi Khatao erfahre.

Kein Wunder auch, dass die Reedereien immer neue Schiffe bauen lassen und in den Dienst stellen. Die Norwegian Sun, im Jahre 2001 in Bremerhafen gebaut, wird dort in zwei Jahren renoviert. Im gleichen Jahr verlassen zwei weitere Luxus-Liner deutsche Werften: Dann ist die „Norwegian Bliss“ in der Papenburger Meyer Werft fertig gestellt und soll ab Sommer 2018 von Seattle aus zu Alaska-Kreuzfahrten aufbrechen. Die „Norwegian Bliss“ mit Platz für 4000 Passagiere ist das 13. Kreuzfahrtschiff, das die Meyer Werft für die Reederei Norwegian Cruise Line fertigt. Zurzeit wird noch an der „Norwegian Joy“ für den chinesischen Markt gebaut. Sie soll im kommenden Frühjahr ausgeliefert werden.

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