Tallinn, Estland (MaDeRe). Für Stockholm-Liebhaber ist es recht bequem zu fliegen. Von den meisten deutschen Flughäfen erreicht man die schwedische Hauptstadt in wenigen Stunden. Der Weg über Land – ob mit dem Auto oder der Bahn – erfordert mehr Zeit. Seit geraumer Zeit gibt es nun mehrere Angebote mit dem Zug von Deutschland nach Schweden zu fahren: mit Sitzplatz, im Liege- oder Schlafwagen. Wir haben das Angebot der schwedischen Privatbahn „Snälltåget“ im Liegewagen getestet und unsere Reise um Aufenthalte in Berlin, Stockholm, Tallinn sowie Hamburg ergänzt. Im dritten Teil genießen wir eine Mini-Kreuzfahrt mit Tagesaufenthalt in Tallinn samt seiner wunderbaren Altstadt.
Unser erster Aufenthalt in Stockholm auf dieser Reise neigt sich dem Ende zu. Mit der U-Bahn ist es ein Leichtes, das Fährterminal „Värtahamnen“ zu erreichen. Hier fahren die großen Autofähren mit Kreuzfahrt-Charakter von Tallink Silja Line nach Helsinki und Tallinn. Während es nach Helsinki zu fahren dank zweier Schiffe täglich möglich ist, fährt die „Baltic Queen“ allein die Verbindung nach Tallinn und somit nur jeden zweiten Tag. Unser Ziel ist Tallinn, die Hauptstadt Estlands. Wie auch nach Helsinki bietet die Reederei hier Mini-Kreuzfahrten an – man fährt über Nacht nach Tallinn, genießt den Tag in der Stadt und kehrt über Nacht zurück.
Und dabei ist, ganz klar, der Weg das Ziel. Nicht nur ein einfaches Fährschiff, sondern schon durchaus ein Kreuzfahrt-Schiff, bietet die Baltic Queen (2009 in Dienst gestellt) 927 Kabinen, zwölf Restaurants und Bars, drei Shops und so einiges mehr. Man kann das Leben an Bord also wirklich genießen und die rund 60 Kilometer von Stockholm zum offenen Meer bieten eine spektakuläre Aussicht auf den Stockholmer Schärengarten.
Unser Zuhause für die nächsten zwei Nächte haben wir in einer Deluxe-Kabine gefunden. Neben spürbar mehr Raum als in einer Standard-Kabine ist es vor allem die Aussicht über den Bug hinaus, die fasziniert. Zu dieser Kabinen-Kategorie gehört immer auch eine gut gefüllte Mini-Bar und ein spezielles, gehobenes Frühstück. Sonst kann man ein vergünstigtes Mahlzeitenpaket buchen, das zwei Mal Frühstücksbüffet und zwei Mal Abendbüffet (inklusive einer Getränkeauswahl) beinhaltet. Wir orientieren uns auf dem weitläufigen Schiff, genießen ein Bier im Pub, schlemmen beim Buffet und lassen den Abend im Club „Starlight“ bei Tanzmusik und Tanzshow ausklingen.
Nach dem Frühstück geht es los, wir verlassen die Baltic Queen und laufen in wenigen Minuten zur großen Strandpforte. Hier beginnt die absolut sehenswerte Altstadt von Tallinn. Nur das Wetter ist uns nicht mehr hold. Es wird den ganzen Tag regnen. Der Schönheit der Stadt tut dies aber keinen Abbruch. Tallinn hat rund 430.000 Einwohner und hieß bis Februar 1918 amtlich Reval. Den Namen Tallinn trug die Stadt im Estnischen bereits seit der Eroberung durch den dänischen König Waldemar im Jahr 1219. Er wird üblicherweise abgeleitet von „Taani-linn(a)“, was „Dänische Stadt“ oder „Dänische Burg“ bedeutet. Die Ursprünge Tallinns gehen auf eine hölzerne Burg (auf dem heutigen Domberg) und einen vermuteten estnischen Handelsplatz zurück, die Mitte des 11. Jahrhunderts gebaut wurden. Zur gleichen Zeit wurde der Hafen Tallinns angelegt.
Wir lassen uns durch die Straßen treiben und genießen die Ausstrahlung der wunderbar erhaltenen Altstadt. Riesig ist sie nicht, sodass wir auch bei unserem wahllosen Abbiegen mal links, mal rechts, mal eine größere Straße, mal eine kleine Gasse, die Orientierung nicht verlieren. Fast unwillkürlich erklimmen wir den Domberg, der weitere Prachtbauten und eine tolle Aussicht auf die Stadt bereithält. Der hier stehende Tallinner Dom (Tallinna toomkirik) ist der Jungfrau Maria geweiht. Mit dem Abschluss der Reformation in Estland 1561 wurde er zur lutherischen Domkirche. Die erste Kirche an der heutigen Stelle wurde wahrscheinlich 1219 errichtet. Sie war eine dänische Gründung und war wahrscheinlich die erste christliche Kirche auf dem estnischen Festland überhaupt. Der erste Kirchenbau war aus Holz. Mit der Ankunft von Dominikaner-Mönchen aus dem dänischen Kloster Ribe 1229 wurde die Kirche durch einen Steinbau ersetzt. 1240 wurde der einschiffige Bau fertiggestellt und der Jungfrau Maria geweiht. Anfang des 14. Jahrhunderts begannen umfangreiche Umbauarbeiten, die die Kirche erweiterten. Bei dem großen Feuer auf dem Domberg am 6. Juni 1684 wurde die Kirche sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, aber weitgehend originalgetreu wiederhergestellt. 1778/79 wurde ein neuer, barocker Kirchturm am westlichen Ende des Langschiffs angefügt. Die Wände der Domkirche zieren die 107 Wappenepitaphe der deutschbaltischen Adligen Estlands.
Wir steigen den Berg auf anderen Wegen wieder hinab, vorbei an mächtigen Stadtmauern und erreichen den zentralen Rathausplatz (Raekoja plats). Das namensgebende Rathaus in seiner jetzigen Form entstand zwischen 1402 und 1404. Es ist das einzige erhaltene Rathaus im gotischen Stil in Nordeuropa. Der Stadtrat Tallinns leitete von dort bis 1970 die Geschicke der Stadt, bevor er in ein modernes Gebäude umzog.
Unseren Mittagessen-Stopp machen wir in einem ungewöhnlichen Restaurant – dem „Olde Hansa“. Es ist im Stil des Hauses eines reichen Kaufmannes im Mittelalter eingerichtet. Speisen und Getränke werden heute noch nach den alten Rezepten von Meisterköchen aus den Zeiten der Hanse zubereitet, also aus der Zeit um das 15. Jahrhundert. Mittelalterliche Musik ist zu hören und auch der Service ist natürlich passend gekleidet. Ob Honig-, Zimt- oder Ingwerbier, ob Wild- oder Fischgericht, ob Leberpastete oder süße Mandeln, es mundet trefflich und die Atmosphäre tut ihr eigenes dazu.
Weitere Informationen: www.oldehansa.ee
Unser ausführlicher Stadtspaziergang endet im Hafen und wir kehren zurück auf die Baltic Queen, die Tallinn pünktlich um 18 Uhr verlässt. Wir genießen die Annehmlichkeiten an Bord und freuen uns auf das Abendessen.
Wie am ersten Abend, suchen wir das Büffetrestaurant „Grande Buffet“ auf. Die Auswahl ist so immens, dass es auch am zweiten Abend kein bisschen langweilig ist, sich durch das Angebot zu probieren. Im Preis für das Büffet sind Getränke enthalten. Dazu gehören Softdrinks, roter und ein weißer Hauswein, Bier sowie Kaffee. Uns geht es gut.
Auch am zweiten Abend besuchen wir den Club „Starlight“. Die Showtanzgruppe sorgt mit einer anderen Show ebenso für ausgelassene Stimmung wie die Tanzband „Fairplay“.
Mit der Rückkehr nach Stockholm kehrt auch unser Wetterglück zurück. Wir verlassen zwar etwas wehmütig das Schiff, sind aber sicher, dass uns sowohl die Baltic Queen als auch Tallinn nicht das letzte Mal gesehen haben, und freuen uns auf einen letzten Tag mit Kaiserwetter in Stockholm.
Weitere Informationen zur Minikreuzfahrt: de.tallink.com
Anmerkung:
Lesen Sie auch die Beiträge
- Von Berlin nach Stockholm – Serie: Perlen der Ostsee mal ganz anders (Teil 1/4),
- In und um Stockholm – Serie: Perlen der Ostsee mal ganz anders (Teil 2/4) und
- Von Stockholm nach Hamburg – Serie: Perlen der Ostsee mal ganz anders (Teil 4/4) von Daniel M Grafberger
im MaDeRe.
Anzeige:
Reisen aller Art, aber nicht von der Stange, sondern maßgeschneidert und mit Persönlichkeiten – auch Reisen durch Schweden und Estland –, bietet Retroreisen an. Bei Retroreisen wird kein Etikettenschwindel betrieben, sondern die Begriffe Sustainability, Fair Travel und Slow Food werden großgeschrieben.