Wohnkultur in Wien – Das „Rote Wien“ begründete eine bis heute andauernde Lebensqualität in der Donaumetropole

Ausstellung „Das Rote Wien“. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Wien, Österreich (MaDeRe). Nach Ende der Donaumonarchie begründete das „Rote Wien“ eine bis heute andauernde Lebensqualität, die auch Reisenden ins Auge fällt.

Waschsalon im Karl-Marx-Hof . © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Vienna First? Kaum zu glauben, dass sich im jährlich ausgefochtenen Wettbewerb um den Lebenswert berühmter Metropolen die Stadt Wien weltweit eine Spitzenposition gesichert hat. An diesem bemerkenswerten Erfolg haben natürlich die städtebaulichen Leistungen der K.u.K.-Monarchie einen erheblichen Anteil. In jener Zeit, als unter Kaiser Franz-Joseph die Stadtmauer fiel und an ihrer Stelle der legendäre „Ring“ entstand.

Und doch stand ein halbes Jahrhundert später ein anderer historischer Einschnitt erst noch bevor. Es war der Zusammenbruch des einst so mächtigen Habsburgerreiches am Ende des Ersten Weltkriegs. In der Stunde der Not übte die Donaumetropole eine ungeheure Anziehungskraft aus auf die Menschenströme, die sich aus den umliegenden Regionen in Bewegung setzten. Höchstes Alarmsignal für die neue sozialdemokratische Stadtverwaltung, möglichst schnell wirksame Abhilfe zu schaffen.

Schaufel und Schubkarre

Bauerfolge der Arbeiterschaft. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Es war die kurze Zeit der Jahre von 1919 bis 1934, die als das „Rote Wien“ in die Wiener Stadtgeschichte eingingen. Zwar war es nur ein relativ kurzer Zeitabschnitt zwischen Kaiserreich und Faschismus. Und doch reichten die fünfzehn Jahre aus, um ihrer Erfolge im 100. Entstehungsjubiläum in mehreren Ausstellungen zu gedenken.

Diese haben vor allem den damaligen Wiener Bauboom zum Gegenstand in einer Zeit der Verarmung und Entwurzelung. Historische Filmaufnahmen dokumentieren die unglaubliche Zähigkeit der arbeitsfähigen Bevölkerung. Mit Feuereifer machte sie sich, ausgerüstet mit Schaufel und Schubkarre, ans Werk.

Realitätssinn und Augenmaß

Eingangstor zum Karl-Marx-Hof. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Es war geradezu eine Sternstunde für die städtebauliche Entwicklung Wiens. Denn unter kommunaler Aufsicht erblickten in kurzer Zeit flächendeckend unzählige Wohnprojekte das Licht der Welt. Zum Beispiel die riesige Anlage des Karl-Marx-Hofes, in der nicht nur Hunderte von Menschen Unterkunft fanden, sondern auch zahlreiche soziale Einrichtungen vorfanden.

Natürlich durfte dabei auch eine Waschanlage nicht fehlen. Sie dient beim diesjährigen Jubiläum als Ausstellungsort und Dokumentationszentrum für den Lebensalltag der damaligen Zeit. Dabei fällt besonders auf, mit welchem Realitätssinn und Augenmaß die Bauprojekte geplant, erstellt und verwaltet wurden. So hielten sich die Wartezeiten auf eine Zuweisung in Grenzen, und die größten mit der Wohnungsnot einher gehenden Verwerfungen in der Gesellschaft konnten in relativ kurzer Zeit behoben werden.

Stilvolle Wohnkultur

Wohnprojekt der Gemeinde Wien. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Auch das Wien Museum MUSA nahe dem Wiener Rathaus am Ring nimmt sich dieser Problematik an. Hier wird auch die sozialdemokratische Ideologie erkennbar, wie sie damals im „Roten Wien“ Gestalt annahm. Gerecht sollte es zugehen entsprechend der humanitären Einsicht, dass es sich beim Wohnen um ein unbestreitbares Grundrecht handelte.

Bei aller Dringlichkeit in der Wohnungsfrage, vergleichbar der Aufbauleistung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, sollte doch ein gewisses Qualitätsniveau eingehalten werden. Zwar kein übermäßiger Luxus, aber doch eine stilvolle Wohnkultur sollte es sein, die über die Bedürfnisse hinaus auch der menschlichen Würde entsprechen würde.

Mischung der Wohnbevölkerung

Originelle neue Wohnkultur. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Dieser Grundgedanke hat sich bis in die Neuzeit hinein erhalten. Als Musterbeispiel für soziale Bauvorhaben der Stadt Wien erweist sich heute das Gelände im Umkreis die Wiener Hauptbahnhofs. Denn hier wurde in Übereinkunft mit der Bahn durch Umgestaltung des Bahnhofsgebäudes und Verlegung des bisherigen Gleiskörpers ein riesiges Baugelände gewonnen.

Das Beispielhafte besteht darin, dass wie damals im „Roten Wien“ nicht nur für eine einzelne soziale Schicht gebaut wird. Angestrebt ist vielmehr, so erklärt es Bernhard Stefan vom Architekturzentrum Wien, ein ausgewogenes Mischungsverhältnis bei der Wohnbevölkerung. Denn niemand sollaufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wohngegend von vornherein sozial ausgegrenzt werden.

Humanes Wohnen

Neubau-Spiegelungen in Seestadt. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Entsprechend diesem Konzept setzt die Seestadt an der Wiener Peripherie noch eins obendrauf. Sie gilt nach Meinung führender Architekten als eines der innovativsten Stadtentwicklungsgebiete Europas. Im Eiltempo wurde es bereits zu einem Drittel fertiggestellt und lässt mit seiner Lage an einem kleinen See bereits erahnen, welche Wohnqualität hier in einigen Jahren vorherrschen wird.

Dankbarkeit der Bevölkerung? Diese Frage bringt bei Baufachmann Kurt Puchinger vom Magistrat der Stadt Wien ein vielsagendes Schmunzeln hervor. Denn seit einhundert Jahren sei die Stadt Wien nunmehr in städtebaulicher Hinsicht mit gutem Beispiel vorangegangen. So sei „humanes Wohnen“ für die meisten seiner Bewohner zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die in gleichem Maße Erwartungshaltungen hervorrufe.

„Glückliches Wien“

Riesenrad im Wiener Prater. © 2019, Foto: Dr. Bernd Kregel

Von der in Wien praktizierten Lebensqualität profitieren natürlich auch die Besucher der Stadt. Auf sie strahlt vor allem die Gastlichkeit aus, die hier allenthalben großgeschrieben wird. Zum Beispiel im stimmungsvollen Weinvorort Grinzing, in dem es sich bereits Ludwig van Beethoven während seines Wien-Aufenthalts gut gehen ließ. Als einladend erweisen sich natürlich auch die Beisl am Prater, in denen sich bei einem guten Wein die Zunge lockert zum fröhlichen Plaudern.

So verfügt das einst als „glückliches Österreich“ gepriesene Land heute über eine Metropole, die sich in ihrer Lebens- und Liebenswürdigkeit den Titel „glückliches Wien“ zu Recht verdient hat. Schon allein aufgrund seiner prachtvollen Habsburger Tradition. Aber auch wegen der kommunalen Weitsicht, die sich seit dem „Roten Wien“ bis in die Gegenwart hinein durchgehalten hat.

Fotoreportage

Mehr Bilder in der Fotoreportage: Wohnen in Wien von Dr. Bernd Kregel.

Reiseinformationen „Das Rote Wien“:

Anreise: Mit dem Flugzeug: Direktflüge mit Lufthansa, Eurowings und Austrian Airlines ab Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, München und Stuttgart; mit Auto oder Bahn z.B. über München.

Reisezeit/Reiseziele: Ganzjährig; Jubiläumsausstellungen „Das Rote Wien“ bis 19.01.2020 im Wien Museum MUSA; Waschsalon Karl-Marx-Hof: www.dasrotewien-waschsalon.at

UnterkunftMagdas Hotel; Hotel KärntnerhofHarmonie Vienna; Palais Hansen Kempinski Wien

Essen und Trinken: Mayer am PfarrplatzTian Bistro Spittelberg; Restaurant-Beisl StuwerMotto am Fluss; Zum Schwarzen KameelCafé Central; Café Landtmann

Vienna City Card: Für 24/48/72 Stunden bei Euro 17/25/29 freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie 210 weitere Vorteile

Auskunft: Wien Tourismus, +43-1211140, ; erste Anlaufstelle in Wien: Touristinfo am Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse, Telefon: +43-124555

Unterstützungshinweis

Die Recherche wurde unterstützt vom Vienna Tourist Board.

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