Über den Golf von Korinth an schrägen Seilen zu schönen Teilen von Griechenland

Eine Brücke bei Patras in Griechenland. Quelle: Pixabay, Foto: ursula sassalos

Patras, Griechenland (MaDeRe). Passt das? Patras ist ja für seinen Karneval bekannt, aber Masken und Massen machen sich jetzt gar nicht gut zusammen. Und sonst?

„Danach wird Reisen ganz anders“ – sagen Tourismusexperten zu Corona-Zeiten um es Mantra mäßig zu repetieren. Aber wie? Jeder kann sich seinen Reim darauf machen. Wenn sich der Blick auf das Reiseziel ändert, die Optik eine andere Perspektive vorgibt: dann soll’s so sein. Griechenland beispielsweise ist nicht nur klassische Kunst plus Sonne und Strand, respektive umgekehrt. Für den der mit Autofähre oder Flieger in oder nahe Patras ankommt, dessen Programm beinhaltet bisher: keinerlei Streifen, jedoch fünf Ringe. Muss es denn immer olympisch werden? Dem Peloponnes gegen über, gleich auf der anderen Seite vom Golf von Korinth erwartet Reisende Großes im Kleinen.

2004 zu den Olympischen Spielen in Athen eröffnet, war sie mit 2883 Metern zweitlängste Multi-Span-Schrägseilbrücke der Welt. Benannt nach Charilaos Trikoupis, der 1880 eine Verbindung über den Golf plante, sturmerprobter Ministerpräsident Griechenlands, hält sie selbst auch einiges aus: Erdbeben von 7,4 auf der Richter-Skala, eine Kollision mit Tankern von 180 000 Tonnen, Hurrikane von 250 km Windgeschwindigkeit. Wenn es sein muss. Für uns ist sie nur schön anzusehen mit den fächerförmigen Seilanordnungen und vier kräftigen Pylonen – und gut zu befahren, so von Rio 8 km östlich von Patras hinüber nach Antirio. Den besten Blick auf das Bauwerk bietet sich über die Mauern der alten Festung von Rion. 1499 von Bayezid II auf den Ruinen eines Tempels von Poseidon errichtet, 1603 von Malteserrittern heftig belagert und 1687 von Morosini für die Republik Venedig mit neuen Türmen, Bastionen und Wällen verstärkt lohnt sie den Halt bevor es hinüber in ein eher unbekanntes Teil des Landes geht.

Nafpaktos, das Städtchen nahe dem Eingang zum Golf von Korinth begrüßt heutzutage ganz freundlich seine vielen Gäste die fröhlich entlang der Strandpromenade zum Platz mit den Platanen-Cafés promenieren. So friedlich ging es früher rundum nicht zu: Lepanto war stark befestigt, da strategisch enorm wichtig im Wiederstand der Serenissima gegen die Türken und ihrem Osmanischen Reich. Vor 450 Jahren verlor Venedig Zypern, worauf sich eine „Heilige Liga „unter dem Banner von Papst Pius V. formierte, deren Flotte im östlichen Mittelmeer zur Entscheidungsschlacht auflief. Über 250 Galeeren mit an die 80.000 Mann Osmanen zogen sich in den Golf zurück, in der Bucht von Naupaktos. Von dort stießen sie vor ins offene Meer westlich von Mesolongi – wo sich 213 Schiffe der Liga und zur Hälfte unter venezianischer Flagge schon in Stellung gebracht hatten. Bei der Insel Oxia, seit 2012 Besitz des Emir von Katar. Zum Ein- oder Ausgang vom Golf schlug die Flotte der Liga die Osmanen am Morgen des 7. Oktober 1571 unter Führung von Juan d’Austria vernichtend. Sie verlor lediglich 13 und erbeutete 117 Schiffe; gut 90 wurden versenkt, teils von den Türken selbst. In kaum sechs Stunden starben 38.000 Menschen.

Alles lange her: Anfang Oktober wird das Ereignis in Nafpaktos prachtvoll und in bunten Kostümen nachgestellt. Auf den Ruinen der Akropolis im Mittelalter erbaut und von den Venezianern um 1500 verstärkt, lohnt sich der Weg zur Burg hinauf schon wegen der Aussicht über den Golf von Korinth und bis zur „Brücke von Rio“. Vom Burgareal führen nach Osten sowie Westen gewandt zwei Befestigungsanlagen den Hang zum Ufer hinab: zwei Arme, welche den Hafen sicher in Händen halten. Fünf innere Mauern, runde und quadratische Türme – ein noch immer imposantes Verteidigungswerk, welches Lepanto bis ins 17. Jahrhundert vor der Türkengefahr schützte. Beim pittoresken alten Hafen steht eine Statue des spanischen Nationaldichters und Autors von „Don Quixote“ Miguel de Cervantes (1547-1616). Er verlor vor Lepanto die Fähigkeit seine linke Hand zu nutzen – „zum Ruhme seiner rechten“. Ein kleines Museum befindet sich im Haus der Familie Botsaris. Markos, griechischer Freiheitskämpfer gegen die Türken, fiel 1823 bei der Verteidigung von Mesolonghi.

„Heilige Stadt“ nennen Griechen Mesolonghi, die Hauptstadt der Regionalen Einheit Aitoloakarnania nordwestlich des Eingangs zum Golf von Korinth. Sie war kein antikes Heiligtum, sondern erwarb sich diesen Ehrentitel dank ihrer Rolle im griechischen Kampf um Unabhängigkeit von den Türken. Angrenzend an die Reste der Stadtmauer beim Eingangstor liegt der Heldenpark als Begräbnisstätte der Befreiungskämpfer wie vieler Philhellenen. Obwohl manche, so der Maler Eugène Delacroix und der Dichter Wilhelm Müller genannt „Griechen Müller“ ja nie in Hellas waren. Einer jener Unterstützer in Wort, aber auch Tat, war der englische Romantiker Lord Byron dessen fieberndes Herz hier ruht wo er, glühender Verfechter der gerechten Sache, am 19. April 1824 an Unterkühlung verschied. Höhepunkt der langjährigen Belagerung in zwei Phasen, August 1822 bis Januar 1823 und ab April 1825, der einst von Sümpfen umgebenen Stätte bildete der heldenhafte Ausbruch von Verteidigern am 10. April 1826. Da ihr Plan an die Türken verraten wurde, gelang die Flucht nur ein paar Hunderten. Am Jahrestag und bis zu Palmsonntag wird das Ereignis feierlich zelebriert. Frauen, Kinder und einige Kämpfer die zurück blieben um Widerstand zu leisten sprengten sich – unter Anleitung des Bischofs – zwei Tage später im Zeughaus und in der Windmühle in die Luft. Eine kleinere steht nun an gleicher Stelle zur Erinnerung. Museal wurden die Heldentaten in Mesolongi natürlich passend aufbereitet, und der Mythos ist weiterhin prägend präsent.

Heute liegt die Heldenstadt inmitten einer großartigen Landschaft von Lagunen wo Flamingos sowie andere Stelzenvögel stolzieren. Ein bedeutendes Feuchtgebiet für allerlei Arten – und bekannt für gutes Meersalz. Das Säckchen als Mitbringsel, gewonnen in einer der weiterhin existierenden Salinen mit den Häuschen auf Stelzen, lohnt den Halt am Weg. Wobei, Avgotaracho ist die Spezialität der Gegend, aus Fischeiern von weiblichen Meeräschen – „Bafas“ sagt man auf Griechisch. Falls eine Taverna das nicht hat, entschädigt der Blick von der Terrasse: amphibisch bis zum Horizont.

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