Berlin, Deutschland (MaDeRe). Der Solar-Katamaran gibt nichts als ein leises Summen von sich, während er mit 5 km/h flussabwärts gleitet. Das Boot fährt 12 km/h Spitze und erreicht damit die auf der Bundeswasserstraße Peene zulässige Höchstgeschwindigkeit – doch hier geht es nicht um Tempo. Entschleunigung ist einer der großen Vorzüge des Erholungsgebietes Peenetal in Vorpommern, im äußersten Nordosten Deutschlands.
Was nicht bedeutet, dass eine Fahrt auf der Peene ereignislos verläuft: zwei Seeadler ziehen Kreise über dem Katamaran, irgendwo verausgabt sich ein Kuckuck, hie und da fliegt ein Reiher auf. Auch der Eisvogel soll sich an der Peene zeigen. Angler freuen sich über Hechte von bis zu 1,20 m Länge. Eine Stunde vor Sonnenuntergang schauen Biber aus ihren Burgen und lassen sich mit etwas Geduld und Glück sogar blicken.
Der „Amazonas des Nordens“ mäandert 83 Kilometer lang zwischen Kummerower See und der Ostsee-Insel Usedom durch ein Niedermoorgebiet voll seltener Tier- und Pflanzenarten. Ornithologen in Wathosen verschwinden hier gern tagelang im Gebüsch. Bei einer Breite von durchschnittlich 70 bis 80 m und kaum merklicher Strömung kommen selbst ungeübte Paddler bestens auf der Peene zurecht, können während der Fahrt seelenruhig die Natur beobachten. Auf Wehre oder andere Hürden trifft der Kanut dabei nicht, denn das Gewässer ist so gut wie unverbaut.
Historisch Interessierte mögen eine Bootstour unterbrechen und die Ruine des ersten pommerschen Klosters aus dem 12. Jahrhundert in Stolpe oder Wikingergräber in Menzlin besuchen. Beide Sehenswürdigkeiten liegen unweit der Peene und sind bequem zu Fuß erreichbar.
Eine abwechslungsreiche Vegetation zieht vorüber, indes wir unsere Fahrt fortsetzen. Das Steuerrad des Solar-Katamarans hält der 48jährige Frank Götz, Tourenbetreuer und Manager des Netzwerks „Abenteuer Flusslandschaft“, eines wachsenden Verbundes von Reise-Anbietern entlang der Peene. Dazu gehören Kanu-Verleihe, restaurierte Gutshöfe, die in Hotels und Restaurants umgewandelt wurden, sowie ein Wassersport-Camp an der Peene-Mündung vor Usedom.
Das Engagement der Unternehmer-Gemeinschaft, namentlich ihr Freizeitangebot „Amazonas des Nordens“, belohnte der Deutsche Tourismusverband im Juni mit dem EDEN-Award. EDEN (European Destinations of Excellence) bezeichnet einen Wettbewerb, den die Europäische Kommission zusammen mit nationalen Tourismusbehörden veranstaltet. Die Vorpommersche Flusslandschaft setzte sich dabei gegen 24 Konkurrenten aus ganz Deutschland durch (auch hierüber berichteten wir).
Die Mitglieder des Veranstalter-Netzwerks setzen auf sanften, nachhaltigen Öko-Tourismus und wünschen sich, dass in naher Zukunft ausschließlich Paddel- und Solarboote die Peene befahren. Umweltbewusstes Reisen in das Gebiet könnte schon bald belohnt werden, etwa mit einem Rabatt für Bahnfahrer.
Sinnfälligste Verkörperung umweltfreundlicher Touristik an und auf der Peene ist der Solar-Katamaran, dessen Rumpf aus Taiwan stammt. Entwickelt hat das Gefährt in nicht mal zwei Wochen Stefan Fütterer, Systemelektroniker und Solar-Unternehmer. Er ließ sich 2003 an der Peene nieder und liebt die unberührte Schönheit und Stille der Umgebung. Motorboote stören hier, findet Fütterer, auch wenn man nur selten welchen begegnet. Nach eigenen Angaben kein Paddelfreund, sann er auf andere Möglichkeiten, den Fluss rücksichtsvoll zu befahren. Das Ergebnis sind zwei zu mietende Solar-Katamarane, die je 11 Personen fassen.
Auch den Gutshof Liepen, Hotel und Restaurant mit exquisiter lokaler Küche, versorgte Fütterer mit Solarzellen, die gut versteckt auf dem Dach installiert wurden und den Charme der gut 100 Jahre alten Gebäude nicht trüben. Geplant sind weitere Solaranlagen auf dem Anwesen, die – ebenso diskret – in eine Pergola integriert werden sollen. Jetzt schon wird der komplette Strombedarf des Restaurants von der Solartechnik gedeckt.
Der Küchenchef Stefan Wollert bringt örtlich Angebautes oder Erlegtes sowie vergessene regionale Kräuter auf den Tisch – so kommt als Unkraut Verschrienes zu seinem Recht und sorgt für kulinarische Höhepunkte.
Reisehinweise:
In verschiedenen Varianten können bis zu acht Tagen dauernde Kanutouren gebucht werden, mit Zelt- oder Hotel-Übernachtung, mit oder ohne Betreuung.
Weitere Informationen unter www.abenteuer-flusslandschaft.de im Weltnetz.