Schönes zum Schauen in der Kunsthalle Schirn – Serie: Kunst und Kultur in Frankfurt am Main (Teil 3/4)

Ein Blick auf die Schirn. © Schirn Kunsthalle Frankfurt, Foto: Norbert Miguletz

Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland (MaDeRe). Wer sich von der großzügigen Wohnkultur des gut situierten Frankfurter Bürgertums im 18. Jahrhundert im Goethe-Haus ein Bild machen konnte, der kann mit jeder Menge Kunst weitermachen und möchte zurück zum Römerberg, auf dem die Kunsthalle namens Schirn steht.

Unter Frankurt.de lesen wir über den Römerberg: „Der Römerberg, ehemals Samstagsberg genannt, diente seit dem 9. Jahrhundert für Märkte und Messen, Turniere und Feste, als Richtplatz und Ort von Kaiserwahlen und –krönungen. Als schönster Platz im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation galt er im 16. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammt auch der Gerechtigkeitsbrunnen in seiner Mitte, Frankfurts erster Springbrunnen, den eine Justitia mit unverbundenen Augen, Waage und Schwert schmückt.“

Die Bühnen und das Museumsufer

Auf der gleichen Website steht über die Bühnen: „Gemessen an der Größe Frankfurts ist das Kulturangebot überwältigend. Mehr als hundertmal in der Woche hebt sich der Vorhang für die Vorstellungen auf den rund 20 Bühnen und für ca. 30 freie Gruppen. Zur Aufführung kommen Konzerte, Opern, Operetten, Tanz, Musical, Shows, Varieté, Kabarett u.v.m., und wer kennt nicht die Frankfurter Musik-Event-Highlights wie ‚Das Deutsche Jazzfestival‘.“
Während die Bühnen sich über die halbe Stadt verteilen bietet das wunderschöne Museumsufer mehrere Museen in unmittelbarer Nähe zum Main. Laut Wikipedia schlossen sich „im Oktober 2007 … rund 30 Frankfurter Museen unter der Wort-Bild-Marke „Musemumsuferfrankfurt“ zusammen. Diese soll ähnlich wie „MQ“ für das Museumsquartier in Wien oder die „Museumsinsel“ in Berlin ein etablierter Begriff für den Museumsstandort Frankfurt am Main werden. Das Logo symbolisiert die sieben Brücken, die am Museumsufer den Main überspannen.“
Ein Besuch lohnt nicht nur zur langen Nacht der Museen, die immer im Frühjahr stattfindet, und das Museumsuferfest, das immer am letzten Wochenende im August gefeiert wird. Doch zählen diese beiden Termine Jahr für Jahr zu den ganz großen Veranstaltungen im Kulturkalender der Stadt.

Das Museumsufer bietet beispielsweise das Historische Museum, das Deutsche Filmmuseum, das Weltkulturen Museum, das Liebig Haus, das Museum Giersch das Jüdische Museum oder das Museum für Moderne Kunst und vor allem das Städel Museum und die Kunsthalle Schirn, wo wir zuletzt im Wonnemonat Mai, um Nolde und Montmartre zu sehen, waren.

Die Schirn

Die Schirn ist mit ihrer Eröffnung im Jahr 1986 ein noch relativ junges Haus und dennoch eine Frankfurter Institution mit weltweiter Strahlkraft in kulturinteressierte Kreisen. Zur Aufgabe der Schirn heißt es auf deren Website, dass virulente Themen aufzugreifen und aktuelle Aspekte des Å’uvres bedeutender Künstler aus einer zeitgenössischen Perspektive zu präsentieren seien. Zudem sei die Schirn „als Ort der Entdeckungen und Seismograph für brisante Entwicklungen in der bildenden Kunst … bestrebt, beides zu bieten: ein originäres und sinnliches Ausstellungserlebnis sowie eine engagierte Teilnahme an der kunsthistorischen Betrachtung. Das heißt auch, die gesellschaftliche Verankerung der Kunst zu benennen und immer wieder neu zu verorten, durchaus auch streitbare Meinungen zu äußern und neue Wege zu gehen.“

Das bewies die Ausstellung der Bohème in Paris um 1900 über den Esprit von Montmarte von Anfang Februar bis Ende Mai 2014 und die erste umfassende Präsentation des in Frankfurt am Main lebenden Tobias Rehberger von Ende Februar bis Anfang Mai 2014, das beweist die Ausstellung „Unendlich Spaß“ – nach dem Titel eines Romans von David Foster Wallace – über das „immer schneller, höher, weiter“ des aktuellen kapitalistischen Gesellschaft mit Werken von Ryan Trecartin, Maurizio Cattelan, Lara Favaretto, Andrea Fraser, Anri Sala und Daniel Richter oder die Schau „Paparazzi – Fotografen, Stars und Künstler“ in diesem Sommer.

Esprit Motmartre oder Die Bohème in Paris um 1900

war der Ausstellungshöhepunkt im vergangenen Frühjahr, der vom 7. Februar bis 1. Juni 2014 eine schöne Schau in der Schirn über die illustre Schar von Künstlern vom Montmartre in Paris um 1900 zeigte. Der Begriff Bohème passt wie die Faust aufs Auge für diese Meute vom Montmartre, bezeichnet er doch „eine Subkultur von intellektuellen Randgruppen mit vorwiegend schriftstellerischer, bildkünstlerischer und musikalischer Aktivität oder Ambition und mit betont un- oder gegenbürgerlichen Einstellungen und Verhaltensweisen“, wie Wikipedia mitteilt.

Auch im dörflichen Montmarte am Rande der Stadt über der Seine mit seiner barbarischen Bourgeoisie der Belle Epoque beweisen die Maler Vincent van Gogh, Pablo Picasso, Henri de Toulouse-Lautrec, Edgar Degas, Pierre Bonard, Ramon Casas, Kees van Dongen, Max Jacob, Marie Laurencin und Suzanne Valadon – um die Bekanntesten von 26 Künstlern zu nennen -, dass sie, ihren Bildern zum Trotz, nach Helmut Kreuzer „keine ästhetisch-kritische, sondern eine sozialgeschichtliche Kategorie“ sind.

Wegen ihrer Gemälde, Grafiken und Plakaten jedoch, die nicht nur die Cafés, Varietés und Zirkusse des schönen Scheins einer schillernden und trillernden Welt im Herrenwitz und Reichenwahn als eine der Ware und des Spektakels sondern die knallharte Wirklichkeit der Armut, vor allem der Bettler und Prostituierten – die sie selber waren -, porträtierten, werden sie geliebt, können sie (über-)leben.

Montmartre „ähnelt einem riesigen Atelier“, schrieb ein zeitgenössischer Kritiker in den 1890er Jahren. Diesen Hügel über Paris erklommen von ihm förmlich angezogen viele Maler, Dichter und Komponisten. In diesem Atelier, dem man morgens, wenn man aus dem Bett kam, ein absurdes „Bonjour Tristesse“ entgegen- und Leben einhauchte, entwickelten die „Elenden“ ”¦ „ein energiegeladenes Potenzial höchster Inspiration und Kreativität“, heisst es in einem Beipackzettel zum Katalogbuch zur Ausstellung. Oft aus großbürgerlichem Elternhaus stammend, entschieden sich die Künstler bewußt für das so sein im Dasein von Montmarte, für ein Leben als Bohèmiens. „Dieses neue Selbstverständnis als Außenseiter spiegelt sich auch in ihrer Kunst besonders realistisch und eindrücklich wider“, wird gesagt. Die Materialfülle und den Facettenreichtum der Montmartre-Künstler, von denen die Ausstellung zwangsläufig nur wenig – immerhin über 200 Werke, die aus nationalen und internationalen Museen und Privatsammlungen, wie dem Musée d`Orsay in Paris, der Tate Gallery in London, dem Van Gogh Museum in Amsterdam, dem Kunsthaus Zürich, dem Museu Picasso in Barcelona und dem Museum of Modern Art in New York -, zeigen konnte, was dennoch mehr als genug ist, um das Zitat zu belegen, war jede Minute und jeden Euro Wert.

Infos:

Katalog: Das Katalogbuch zur Ausstellug Esprit Montmartre, Die Bohème in Paris um 1900, herausgegeben von Ingrid Peiffer, Max Hollein mit Beiträgen von N. Bakker, M. A. Castor, Ph. D. Cate, D. Devynck, A. Hopmans, P. Kropmanns, C. Langlais, V. Panyella, R. Parker, I. Pfeiffer und M Raeburn, deutsche und englische Ausgabe, 320 Seiten,, 330 Abbildungen überwiegend in Farbe, inklusive Faltplan von Montmartre zum Herausnehmen 24×29 cm, gebunden, Hirmer Verlag, ISBN 978-3-7774-2196-4 (dt.), ISBN 978-3-7774-2197-1 (engl.), Preis: 49,90 EUR (D), 51,30 EUR (A) und 64, 30 SFr.

Anmerkung:

Vorstehender Artikel wurde im WELTEXPRESS am 12.7.2014 erstveröffentlicht.

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