„Magnifique“ durch Friaul Julisch Venetien – Lagunen-Törn zwischen Fahrspaß, Kultur und Natur

Antiker Hafen von Aquilea. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Preceniccio, Grado, Friaul Julisch Venetien, Italien (MaDeRe). Legendär sind sie, die Adria-Sandstrände von Bibione, Lignano und Grado. Dahinter vermutet niemand ein Traumrevier für Binnenskipper, das darauf wartet, entdeckt zu werden.

Über Preceniccio hängt ein riesiger, orangefarbener Vollmond-Lampion. Im Gebüsch trällert ein Spötter sein melodiöses Nachtlied dazu. Chiusa oder conga Die fröhliche Runde an Oberdeck gerät ins Stocken, als die Wortbedeutung von „Chiusa“ und „conga“ diskutiert wird. Basisleiter Carlo kann beruhigen: „Im Italienischen gibt es beide Wörter für Schleuse, aber keine auf eurer Strecke!“ Ein Glück, denn davor haben führerscheinlosen Hausboot-Kapitäns-Neulinge ohne Führerschein einen gewissen Bammel. als ´hohe Kunst`. Carlo indes macht Appetit auf Fahrspaß: „Unser problemloses Revier wird euch gefallen“.

MAGNIFIQUE auf der naturbelassenen Stella. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Geradezu ein Kinderspiel für Skipper

Schon gleich nach der Ankunft in Preceniccio hat Carlo, im Hauptberuf Architekt, die Crew mit dem Boot vertraut gemacht: seiner Beherrschung samt Technik und Besonderheiten der Flussfahrt bei Strömung und Gezeiten (Hub ein Meter). Jeder muss mal ran, das heißt starten, ablegen, steuern, auf engem Raum drehen, das Bugstrahlruder benutzen, anlegen. „ Gar nicht so schwierig“, ist Silke stolz auf ihre ersten gelungenen Manöver. „Dann möchte ich auch mal Skipperin spielen dürfen“, meint sie schon ganz selbstbewusst. Nicht nur sie hat Carlo dazu animiert. „Geradezu ein Kinderspiel!“ für Leo, der schon Hausboot-Erfahrung mitbringt.

Bei ein paar Gläsern regionalem Begrüßungsrotwein entspannen sich alle.

Die kleine Crew brennt schon darauf, am nächsten Tag von der neuen Le-Boat-Basis aus nach Süden vorzustoßen. Die liegt am Flüsschen Stella. Zur geografischen Orientierung: Letzteres fließt durch die nordostitalienische Provinz Udine nahe der slowenischen Grenze, nur jeweils rund eine Autostunde von Venedig oder Triest entfernt.

In den gemütlichen Kabinen und träumen sie dem Aufbruchs-Tag entgegen. Die romantische Stella sorgt für einschläferndes Wellengluckern unterm flachen Kiel.

Hafen Grado im Abendlicht. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Schwanen-Spaziergang neben der Fahrrinne

„Magnifique“ – der französische Bootsname wird Programm: schön! Gelassen strömt der Fluss dahin. Das überträgt sich auch auf die Freizeitskipper, die versuchen, „ihr Schiff“ in den Griff zu bekommen. Ständig verlangen Stellas Kurven nach Kurskorrekturen. „Du schreibst ja deinen Namen ins Kielwasser“, lästert Bettina über den 12-Kilometer-flotten Schlangenlinien-Kurs des Steuermanns. Signalrote Mohnfelder leuchten durch das üppige Ufergrün – ein Paradies für Reiher, Kormorane, Schwäne, Enten, Singvögel -, über dem sich ein hoher Wolkenhimmel wölbt.

Mit schaumigem Bart und erlaubter 12-Kilometer-pro-Stunde-Höchstfahrt tuckert das Boot zu Tal. Bis sich der schützende Pflanzenvorhang öffnet und den Blick freigibt auf das glitzernde adriatische Meer. Eine Kontrolle anhand der Seekarte klärt auf, denn voraus erstreckt sich erst die Laguna di Marano, ein rund 16 Kilometer langes und acht Kilometer breites, durch Strandwälle abgeriegeltes flaches 16.000-Hektar-Becken. Darin gehen sogar Schwäne problemlos neben der maximal nur zwei Meter tiefen Fahrrinne spazieren. Die etwa gleich große Laguna di Grado schließt sich nach Osten an. Sie sind durch künstlich gegrabene Zufahrten mit der offenen See verbunden, die aber von Hausbooten nicht befahren werden dürfen. Italienische Skipper nehmen es damit nicht so genau. Fröhlich fahren die mal links, mal rechts, überholen nach Laune und genießen Geschwindigkeitsübertretungen.

Respektiert werden allerdings die gelb leuchtenden (Wasserstraßen-)Schilder am Ende des drei Kilometer langen Canale Cialisia, die an einem Dalben befestigt sind: links geht´s Richtung Triest, rechts nach Venedig. „Bis dahin“, erklärt Katja, „sind es 145 Kilometer Kanalfahrt durch eine wunderschöne Landschaft. In drei Tagen kann man so die Le-Boat-Basis in Casale bei Venedig ansteuern“.

Verführung zum Adria-Baden

Der Weg ist links herum abgesteckt: dabei braucht man sich immer nur zwischen den Doppelpfählen zu halten, bis das nächste Schild den weiteren Kurs vorgibt. So kann auch ein üngeübter Navigator nichts falsch machen.

Der Canale de Lustri macht Lust auf die „vornehme“ Marina des Adria-Badeortes Lignano, in dem festgemacht und übernachtet werden soll. Ein freundlicher Hafenmeister hilft beim Festmachen, kassiert dann aber einen saftigen Obulus von 45 Euro, kein billiger Spaß! Schaut man sich aber um in der Nachbarschaft, geht einem ein Licht auf: Luxusyachten aller Preisklassen dümpeln hochglanzpoliert in ihren schmucken Boxen und sind bereit. Die gut betuchten Eigner genießen den Sundowner an Deck vor der Sonntagsausfahrt.

Die „Magnifique“-Crew indes mag es einen Tick bescheidener, löst die Fahrräder von ihrem Platz am Heck und strampelt in die Stadt. Auf der Südseite verführt der breite acht Kilometer lange  Sandstrand zum Adria-Bad. Nicht gerade eine Augenweide sind die militärisch aufgereihten gebührenpflichtigen Liegen und Sonnenschirme in schier unendlichen Paradereihen, ebenso wenig die Hotelburgen auf der anderen Straßenseite. Stört aber nicht, denn das Wasser ist badewannenwarm. Also nichts wie hinein! Das steigert den Appetit. Dutzende von Osterias bieten sich zum Dinner an. Die Spezies „Schicki-Micki“ wird links liegen gelassen, dafür Schlichteres angesteuert. Der Abend klingt genüsslich aus bei Frutti di Mare, Pizza und Vino Rosso.

Wildpferde in amphibischer Sumpflandschaft. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Safari in praller amphibischer Natur

Nach ausgiebigem Frühstück tuckert „Magnifique“ vier Kilometer immer schön der langen Doppelpfahlreihe des Canale di Marano nach mit „Kurs Nord!“. Flimmernd zeichnet sich am Lagunenrand das Städtchen ab. Am öffentlichen kostenfreien Anleger – kurz nach der Einfahrt auf der linken Seite – problemlos angelegt. Neugierig macht zunächst der gerade eingelaufene Kutter. Und sein Fang? Ausgerechnet ein Hai, den die freundlichen Fischer präsentieren, „unser dickster Fisch heute“. Furchtlos schiebt einer ihm noch seine Hand in den Rachen. Alle finden das „irgendwie gruselig“, fotografieren aber trotzdem die Szene. Das Hai-Rezept der Italiener ist einfach: das Fleisch in mariniertes Bier einlegen und dann grillen. „Irgendwie doch ganz lecker“, findet Leo.

„Einfach hübsch!“, kommentiert Katja die bunten historischen Häuser an den engen Gassen von Marano, die von einem Campanile-Glockenturm überragt werden.

Am Ende des langgestreckten Bootshafens hört die Stadt abrupt auf: Man ist umringt von Natur. „Riserva Naturale della Valle Canal Novo“ verkündet ein Schild neben einem niedrigen Strohdachhaus, das aus dem traditionellen Baustoff Lehm aufgeschichtet ist.

Über einen hölzernen Laufsteg geht es hinein ins geballte Leben. Ein Ranger begleitet die Crew in das Schutzgebiet und zeigt Schildkröten, Singschwäne, Schlangen und Fische. Weit schweift der Blick aus dem ersten Stock des Ausstellungshauses mit Aquarien und Schautafeln über die sattgrüne amphibische Sumpflandschaft. Immerhin weist die Region Friaul-Julisch-Venetien dreizehn Naturschutzgebiete aus, 20 Biotope und drei Naturparks. Die „Naturfreaks“ der Crew freuen sich, dass sie wild in die Gegend schießen können – mit ihren Fotoapparaten natürlich nur.

Auch später, bei Grado, ist das Naturreservat der Insel Cona am Isonzo-Fluss vor der Kulisse der Dinarischen Alpen für sie als Tier- und Pflanzenfreunde eine wahre Fundgrube. Auf den Weiden tummeln sich Wildpferde und Bisamratten, im Lagunen-Urwald und in den Gewässern, Bienenfresser und Flamingos, Uhus und Austernfischer, Schildkröten und Salamander.  

Einsame Casoni-Fischerinsel in der Lagune. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Bürgermeister mit klangvollem Namen

25 Kilometer am Nachmittag nach Aquliea am Flüsschen Natissa. Die Lagune ist gespickt mit kleinen Inselchen. Obendrauf thronen aus Schilf und Lehm gebaute Hütten: von Bäumen umkränzte Zuflucht der Lagunenfischer.

San Andrea und Morgo, zwei Sandinsel-Ketten zur Rechten, schützen die Lagune vor starken Winden und locken an der Seeseite mit schneeweißen Badestränden. Immer wieder packt einen die Badelust im frischen Adria-Wasser; ebenso die tieferen Durchstiche, zum Beispiel Canale Marino oder der La Fosa. Da muss nur die Badeleiter heruntergeklappt werden. An den Dalben kann zur Gratis-Übernachtung festgemacht werden, um auch Marinegebühren zu sparen.

In der altehrwürdigen Stadt bietet sich zum Festmachen eine Werftpier an. Doch schon wenig später stoppt ein älterer Mercedes neben der „Magnifique“. Die Crew ahnt Ungemach, denn das Boot liegt genau neben einem Kran; unter dem baumelt am Haken ein kleines Boot. Eine Luftnummer, auch die deutsche Furcht, weggejagt zu werden. Gianluca Baronchelli, Sindaco oder Bürgermeister von Aquilea, stellt sich der smarte Herr freundlich lächelnd mit klangvollem Namen vor: 2.500 Jahre zurück und er hätte hier rund 200.000 Untertanen gehabt, als die Römer noch ihre viertgrößte Stadt regierten. Heute seien es leider nur noch 5300, „aber dadurch überschaubar und gut zu lenken“.

Staunen nicht nur über antiken Hausbootfahren

Signore Baronchelli – irgendwie klingt das adlig – habe von dem Anlauf der „Magnifique“ gehört, denn er sei auch für touristische Belange zuständig. Über die schmale Laufplanke balanciert er mit einem Stapel Info-Material an Bord. Darauf folgt eine spontane Einladung Mittagessen. Natürlich werden Spaghetti à la Bolognese serviert. Die von „teutonischer“ Hand zubereitete Landesspeise mundet dem Sindaco vorzüglich und er empfiehlt zur Verdauung einen Stadtrundgang. Die Crew kommt aus dem Staunen nicht heraus: Aquilea war zu Römerzeiten der größte Hafen des Reiches, allerdings damals an der offenen Adria gelegen. 350 Meter lange Pieranlagen für große und kleine Schiffe wurden an der 48 Meter breiten Flussmündung ausgegraben und liegen heute trocken.

Einen antiken „Hausbootfahrer“ kann man übrigens in der romanischen Basilika bewundern: als 1300 Jahre altes Mosaik im Kirchenfußboden.

Am Spätnachmittag gibt der Skipper das Kommando: „Klar zum Auslaufen!“ Die Reise geht  flussabwärts durch die Laguna, sechs Kilometer bis Grado, der „Mutter von Venedig“. Mit Bravour packt Holger das Rückwärtseinparken zwischen vier Pfählen. Während die Sonne glutrot im Mastengewirr versinkt, klatschen nicht nur die Marina-Mitarbeiter Beifall.

Das wird in einem Straßencafé der quirligen Altstadt bis nach Mitternacht gefeiert, auch der Abschied. Denn schon am nächsten Tag heißt es auf Gegenkurs drehen nach Precenicco,

Alle sind sich einig: Die Lagunen von Friaul Julisch Venetien gehören zu den eindrucksvollsten europäischen Binnenrevieren. Carlo, der Kenner, kennt die Region wie seine Westentasche: „Tagelang könnt ihr hier auf Kreuzfahrt gehen, weil es noch hunderte von wenig bekannten Wasserwegen zu entdecken gibt“.

Infos:

Boot: Typ „Magnifique“:14,50 m Länge; 4,10 m Breite; 0,85 m Tiefgang; 55 kW-Maschine; 12 km/h (max.) Geschwindigkeit; 8 Liter/h Dieselverbrauch

Vermieter: Le Boat (gehört zur TUI Travel PLC Unternehmensgruppe) verfügt über rund 1.000 Hausboote an 44 Abfahrtsbasen in Europa. Alle Boote mit Platz für zwei bis zwölf Personen sind einfach und ohne Führerschein zu steuern. Sie bieten einen geräumigen Salon, separate Schlafkabinen, Duschen mit fließend Warm- und Kaltwasser und komplett ausgestattete Kombüsen. Vom Besteck und Geschirr bis zu Bettwäsche und Handtüchern steht alles an Bord bereit.

Preisbeispiel: Einwöchiger Hausbooturlaub ab Precenicco (Kosten für reine Bootscharter, ohne Betriebsstunden): Typ „Magnifique“ , für 8+2 Personen: ab 232 €  pro Person (bei Maximalbelegung); Typ „Caprice“  für 4+2 Personen: ab 264 € pro Person (bei Maximalbelegung); beide Bootstypen jeweils klassifiziert mit 4 Ankern/Sternen.

Karten- und Infomaterial: Kurt Frey, Gewässerführer „Litoranea Veneto – die Binnenverbindung von Venedig bis Monfalcone mit allen schiffbaren Kanälen und Flüssen“, www.water-ways.net; eine (beim ersten Mal ausreichende) Übersichtskarte wird vom Vermieter gestellt.

Friaul Julisch Venetien: Alpen und Adria stellen hier eine vielfältige und wechselhafte Landschaft dar. Hier treffen die italienische, slawische und deutschsprachige Kultur aufeinander: eine Art Schmelztiegel der Traditionen, Sprachen und Religionen.

Fast 8000 qkm unberührte Berge, sanfte Hügellandschaften und die Adria sind Koordinaten eines Knotenpunktes der europäischen Geografie; er war schon immer Kreuzweg von Schicksalen und Völkern.  Der Wasser- und Landtourist wird mit einer reichhaltigen Vielfalt aus Natur und Kultur belohnt.

Informationen über die Region: Fremdenverkehrsbüro Friaul Julisch Venetien, E-Mail: info@turismo.fvg.it, Web: www.turismofvg.it, Telefon: +39/0432/815111

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