Livingstone, Sambia (MaDeRe). Grenzübergreifende Anpassungen erleichtern das Reisen im Flusssystem von Sambesi und Okavango.
Nur für einen kurzen Augenblick verlor David Livingstone die Orientierung. Doch schnell erkannte er aus dem dichten Sprühnebel heraus, wie sich der mächtige Sambesi unerwartet aus seinem eigenen Bett über die steile Bettkante hinab in die Tiefe stürzte. Um von dort reflexartig als „donnernder Rauch“ wieder aufzusteigen. Begeistert von diesem furiosen Naturschauspiel widmete Livingstone seine Entdeckung keiner Geringeren als der Monarchin des Britischen Empire. Eine folgenschwere Entscheidung, wie sich herausstellte. Denn selbst in Zeiten afrikanischer Unabhängigkeit sollten die „Viktoriafälle“ das Markenzeichen für alle Naturwunder im Südlichen Afrika bleiben.
Und doch hatte Livingstone offenbar etwas übersehen. Denn nur wenige Schritte von seinem Standort entfernt staut sich vor der Absturzkante ein unscheinbares Wasserbecken. Als „Devil’s Pool“ ist dieses inzwischen der Inbegriff von Lebensfreude und Abenteuerlust. Jedenfalls für alle jene, die den Mut aufbringen, sich mit gestrecktem Oberkörper über die Steilkante hinüber zu beugen und den Wassermassen bis hinunter in die Tiefe nachzuschauen. Eine Aussicht, die noch überhöht wird von einem in der Gischt flimmernden Regenbogen. Ob Livingstone sich das damals auch schon getraut hätte?
Erschließung einer Region
Für Spekulationen bleibt indes wenig Zeit. Denn die Viktoriafälle sind zugleich der Ausgangspunkt für eine Safari durch das Südliche Afrika mit seinen unterschiedlichen Ländern und Landschaften. Es ist eine Reise im entgegengesetzten Uhrzeigersinn, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Gemeinsamkeiten zu entdecken, wie sie sich aus der Zugehörigkeit zu den Flusssystemen des Sambesi und des Okavango ergeben. Gleichsam als eine Region, in der sich die Seele des Südlichen Afrikas wiederspiegeln?
Beteiligt an dem Prozess der grenzübergreifenden Vereinheitlichung sind neben Sambia, dem Ausgangspunkt der Reise, auch die Länder Namibia, Angola, Botswana und Simbabwe. Als „Große Fünf“ sind sie miteinander verbunden in der „Kavango Zambesi Transfontier Conservation Area“, kurzauch KAZA TFCA genannt. Bei diesem Projekt geht es darum, durch geeignete Strukturmaßnahmen zur Erschließung der größten Naturregion der Welt beizutragen. Entsprechend angespannt ist die Aufbruchstimmung, als nach einer spektakulären Fähr-Überquerung des Sambesi der Norden Namibias ins Blickfeld gerät.
Afrikanischer Busch
Tagesziel ist der Babwata Nationalpark im östlichen „Caprivizipfel“, wo die Nambwa Zeltlodge erste Maßstäbe setzt für die gediegene Wohnkultur im afrikanischen Busch. Die in Baumkronen eingepasste Anlage weckt bereits die Vorfreude auf eine Wander-Safari in der Frühe des nächsten Morgens. Dabei weiß Naturführer Eustus nicht nur die Spuren von Hyänen, Giraffen und Kudus zu deuten, sondern auch die aus den Bäumen und Sträuchern erklingenden Vogelstimmen zu benennen. Ja selbst an der Hinterlassenschaft eines Dickhäuters entzündet sich sein spezielles Interesse.
Doch schon drängt die Zeit. Denn nicht weit entfernt ist auf Einladung von Chief Mayuni ein Treffen angesagt, das einen Erfahrungsaustausch zum Miteinander von Mensch und Tier in der Wildnis zum Gegenstand hat. Als besonders aufschlussreich erweisen sich dabei die Ausführungen von Lise Hanssen, der Koordinatorin eines regionalen Raubtier-Projekts. In dieser Funktion ist sie natürlich vertraut mit der Statistik und stellt fest, dass mehr Nutztiere den Hyänen als den Löwen zum Opfer fallen. So macht sie sich Gedanken über neue Methoden bei der Viehzucht, lässt aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihr die Leoparden besonders am Herzen liegen.
Afrikanische Nacht
Als etwas Besonderes gilt jenseits der namibischen Grenze ein Abstecher in den Luengue Luiana Nationalpark von Angola. Nach langem Bürgerkrieg ist endlich der Frieden im Land wieder eingekehrt und verlangt der Bevölkerung erhebliche Anstrengungen beim Wiederaufbau ab. Auf dem Weg in ein mobiles Zeltcamp vermitteln gut organisierte Ranger ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit. So kann sich jeder am Lagerfeuer oder im Zelt voll auf die Geräusche in der afrikanischen Nacht konzentrieren.
Auch hier in Angola ist man eifrig bemüht, den Anschluss zum Fortschritt auszubauen. Zum Beipiel mit einem landwirtschaftliches Projekt in der Nähe der Ortschaft Jamba. Elefantenkorridore sind auch hier im Gespräch. Und wo diese nicht ausreichen, soll die eigene Ernte mit sinnvollen anderen Mitteln vorder Zerstörung geschätzt werden. Elektrozäune und übelriechende Mixturen erweisen sich, wie ein Sprecher erklärt, bereits jetzt als erfolgversprechend.
Artenreicher Pfannenstiel
Auf holpriger Straße geht es nun zurück zu einem der wohl interessantesten Teilbereiche der gesamten Region: nach Botswana. Vorbei an den Tsodilo Hills mit ihren historischen Buschmann-Felszeichnungen führt der Weg in die Xaro Lodge oberhalb des Okavango, die sich nicht nur als ein Vogelparadies erweist. Ein Zauber liegt über der Anlage, als unter klarem Sternenhimmel das Dinner bei Kerzenschein serviert wird. Hin und wieder begleitet vom scheppernden Grunzen einer Hippo-Herde drunten im Fluss.
Der ist an dieser Stelle noch das kompakte Teilstück des Okavango, bevor sich dieser zum legendären Okavango-Delta verzweigt. Eine Flussfahrt in einem kleinen Boot durch diesen „Pfannenstiel“ erweist sich wegen des hier vorhandenen Tier- und Pflanzenreichtums als besonders attraktiv. Fast will es scheinen, als hätten Flusspferde und Krokodile, Weißkopfadler und Kingfischer vor der hohen Papyrus-Uferkulisse bereits auf ihre Gäste gewartet.
Warten auf die Flut
Und doch ist dieses Landschaftserlebnis noch steigerungsfähig. Das zeigt sich nach dem kurzen Flug in einer kleinen Propellermaschine zum Tubu Tree Camp im Okavango Delta. Noch herrscht hier die Trockenzeit vor. So warten alle hingebungsvoll auf den Regen und vor allem auf das Einströmen der Okavango-Flut in das Inland-Delta, was für viele Tiere einer Erlösung gleichkommt.
Allen voran die Elefanten, die in erwartungsvoller Ausgelassenheit in einer Elefantenparade vorbei defilieren. Gefolgt von den stets grimmig dreinschauenden Büffeln, deren Kampfeslust niemand unterschätzen sollte. Im Moment jedoch zeigen sie sich von ihrer friedlichen Seite, solange die gefiederten Madenhacker die Tiere umschwärmen, um ihr Fell von lästigen Parasiten zu befreien. Und dann ist da noch die erstaunlich zahlreiche Hippo-Herde, die sich der Segnungen einer noch ausreichend gefüllten Wasserstelle erfreut.
Die Welt der Buschmänner
Einen letzten Höhepunkt bieten die Trockengebiete der Makgadigadi-Pfannen. Hier treiben, unweit des exquisiten Jack’s Camp, die possierlichen Erdmännchen in weitläufigen Siedlungen ihren Schabernack. Diese Gegend ist auch die Heimat der Zu`hoasi-Buschmänner, die bereitwillig einen Einblick in ihren der Natur angepassten Alltag vermitteln. Erst zum Sonnenuntergang richtet sich der Blick wie elektrisiert in jene Richtung, aus der sich der König der Savanne mit unüberhörbarem Gebrüll bemerkbar macht. Da zeigt sich wie selbstverständlich der Wert des Feuers, das die Buschmänner mit großem handwerklichem Geschick kurz vorher angefacht haben.
Mit dem Ende der abenteuerlichen Safari zur Seele des Südlichen Afrika schließt sich der Kreis. Wieder sind es die Viktoriafälle, die abschließend Bewunderung hervorrufen. Dieses Mal jedoch auf der gegenüberliegenden Seite von Simbabwe aus, wo sich die Fälle wie ein riesiger weißer Fächer präsentieren. Wen wollte es da verwundern, wenn im Moment des Abschieds die Augen noch einmal hinüber schweiften zum „Devil’s Pool“, dorthin, wo alles begann?
Fotoreportagen
Mehr Bilder zum Beitrag in der „Fotoreportage: Buschmänner in der Makgadigadi-Pfanne„, in der „Fotoreportage: Die Viktoriafälle des mächtigen Sambesi“ und in der „Fotoreportage: Flusspferde im Okavango“ von Dr. Bernd Kregel.
Reiseinformationen„Südliches Afrika“:
Anreise: über Johannesburg nach Livingstone
Einreise: Ein Einreisevisum ist erforderlich für Angola; die weiteren Einreisepapiere beschafft gegebenenfalls der Reiseveranstalter. Ein mindestens 6 Monate gültiger Reisepass ist erforderlich.
Reisezeit: Ganzjährig; die trockene Hitze im Sommer (europäischer Winter!) ist erträglich.
Unterkunft: Sambia: www.davidlivingstonesafarilodge.co; Simbabwe: www.victoriafallshotel.com/contact;
Auskunft: www.kavangozambezi.org; www.boundless-southernafrica.org; daneben: Zambia Tourism Agency; Namibia Tourism Board; Botswana Tourism Orbanization; Zimbabwe Tourism.
Anmerkung:
Vorstehende Reisereportage von Dr. Bernd Kregel wurde am 17.12.2018 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht. Die Recherche wurde unterstützt von KAZA TFCA und SAA.