Fahrstuhlfahrt in die Tiefe – Serie: Lob der Langsamkeit auf MS Sans Souci (Teil 6/24)

Links das alte Schiffshebewerk Niederfinow und rechts das neue ab 2021. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, 2017

Niederfinow, Deutschland (MaDeRe). MS SANS SOUCI tastet sich in das dunkle Gerüst hinein. Früher übernahmen die Treidelarbeit kleine Elektroloks, an die noch ein museales Restexemplar am Ufer erinnert. Wir sind umzingelt von Stahlträgern, Rädern und Seilen. Das Schiff scheint über den Baumwipfeln zu schweben. Cathrin Fuhrmanns „Geisterstimme“ aus dem Lautsprecher passt zur Szenerie: „Wir befinden uns jetzt im zweitgrößten, aber interessantesten Schiffshebewerks der Welt, das am 21. März 1934 nach siebenjähriger Bauzeit eingeweiht wurde. Dadurch konnten die Frachter-Kapitäne viel Zeit einsparen und die nebenan gelegene vierstufige Schleusentreppe wurde überflüssig. Wir sind gerade in den 85 Meter langen Trog eingefahren, der zusammen mit dem Wasser 4300 Tonnen wiegt“. Staunend vernehmen ihre Zuhörer noch zwei Superlative: Höhe des Hebewerks 60 Meter, Gesamtgewicht der verarbeiteten Bauteile 14 000 Tonnen. „Wenn ein Schiff hier einläuft, wird der Trog nicht etwa schwerer“, lüftet Cathrin das Geheimnis, „sondern es wird so viel Wasser an den Kanal abgegeben, wie das Schiff verdrängt.“ Das Gewicht des wassergefüllten Troges bleibt immer gleich, ob nun mit oder ohne Schiff. Um ihn ohne viel Kraftaufwand zu heben, ist eine ebenso große Gegenmenge notwendig, wird man an frühere Physikstunden erinnert. Für Ausgleich sorgen 560 Betonblöcke zu je sieben Tonnen, die durch 256 Drahtseile gehalten werden. Daher genügen auch vier 75 PS-Elektromotoren, um den Trog zu bewegen.

Ab 2018 wird ein noch größeres Hebewerk mehr, vor allem größere Schiffe noch schneller auf und ab bewegen. Nach einer halben Stunde ist das Spektakel gelaufen, wovon die eigentliche 36-Meter-Fahrstuhlfahrt auf Odertal-Niveau nur fünf Minuten dauert. „Er sinkt!“ stellt ein Seh-Mann während der Abwärtsfahrt sachlich fest, aber seine Frau frotzelt: „Hoffentlich keine schmutzigen Lieder!“ und hat damit die Lacher auf ihrer Seite.

Feierabend im Schifferstädtchen Oderberg. Am Lagerfeuer bei Schmalzbrot, Bier und Fackelschein im „Deichgrafen“ gleich neben der Anlegestelle. Der Mond leuchtet heim an Bord, wo der Pianist mit flotten Klängen noch unermüdlich zum Tanz aufspielt.

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