Berlin, Deutschland (MaDeRe). Schon der Ausgangspunkt dieser genussreichen Fluss-Kreuzfahrt auf Rhone und Saone, durch die schönsten und kulturell reichsten Regionen Südfrankreichs wäre eine eigene Reise wert: Lyon, drittgrößte Stadt Frankreichs, Hauptstadt des Südens, zwischen zwei Flüssen und Hügeln gelegen, Kulinarische Hauptstadt der Nation (Stichwort: Paul Bocuse). Doch so sehr diese herrliche Stadt mit ihrer mittelalterlichen Altstadt zum weiteren Verweilen einlädt – es wird von Schreibenden dringend empfohlen, schon einen Tag vor Ablegen anzureisen! – unser Schiff, die Bijou de Rhone wartet am Quai und es gilt, die Kabine zu beziehen und uns zur Abfahrt bereit zu machen. Hoffentlich hat man sich hier das neue „Musée des Confluences“ mit seiner phänomenalen Architektur (Coop Himmelb(l)au) nicht entgehen lassen – und vielleicht auch das beste (und noch dazu preisgünstige) Entrecote der Stadt im sinnigerweise „L’Entrecote“ genannten Restaurant vor der Abreise genossen…
Unsere Kabine im Oberdeck der Bijou de Rhone ist luxuriös, geräumig (14 Quadratmeter), mit eleganten Holzelementen und großer Fensterfront. Wir sind froh, unsere Kleider in den großzügig vorhandenen Schränken und die Koffer unter dem Doppelbett zu verstauen: Im Gegensatz Reise in Hotels entfällt auf einer Schiffsreise das lästige, tägliche ein- und auspacken. Das ist sehr entspannend – man kann sich auf die Reise selbst konzentrieren, und was gibt es entspannenderes als eine Flussreise: Die Landschaft gleitet mit schöner Regelmäßigkeit und backbord und wohltuender Langsamkeit an backbord und steuerbord vorbei, es ist ein langsames und doch zielführendes Vorwärtskommen – die für eine Woche beiseite gelegten Souvenirs an Reisen auf Autobahnen sind Erinnerungen an Stress und Gefahren, die man hier an Bord am besten rasch vergisst.
Die rund 20jährige „Bijou du Rhone“ ist klein aber fein: 150 Passagiere, 40 Besatzungsmitglieder, 114 Meter Länge von Bug bis Heck – eine überschaubare Größe, bei der man sich wohlfühlt. Die Durchsagen an Bord sind auf Deutsch und Englisch, die internationale Crew ist durchwegs freundlich und hilfsbereit.
Die Zusammenstellung der Route gewährleistet die Highlights Südfrankreichs – ideal für Reisende, welche diese Gegenden noch nie besucht haben, sich einen guten Überblick verschaffen wollen mit der Absicht, zurückzukehren und die Eindrücke auf einer weiteren Reise zu vertiefen. Im Unterschied zu anderen Südfrankreich-Flussreisen werden die Regionen nördlich (Burgund) und südlich von Lyon (Beaujoulais und Camargue) besucht – oft beschränken sich die Rhone-Flussreisen auf den Süden der Stadt Lyon.
Sobald das Schiff anlegt, sollte man niemals zögern, sofort den Ort zu erkunden und jede Minute an Land auszunutzen. So beispielsweise das entzückende Städtchen Chalon-sur-Saone mit seiner prachtvollen Kathedrale und den mittelalterlichen Riegelbauten auf dem Platz vor dem Gotteshaus. Der Bischofssitz Viviers, ein intimes Städtchen mit engen mittelalterlichen Gässchen und einer wunderbaren gotischen Kathedrale, ist ein Juwel und zugleich ein Geheimtip: Kaum eine Handvoll Touristen habe ich auf dem Bummel in die stimmungsvolle Oberstadt angetroffen.
Die Reise führt durch die drei wichtigsten Wein-Anbaugebiete Südfrankreichs, mit Weinproben und vor allem unter kundiger Führung der Reiseleiterinnen, welche alle hier ansässig sind und über entsprechende lokale Kennerschaft verfügen. Wir lernen, wie enorm die Parzellen-Preise (und damit auch die Weinpreise) im Burgund in die Höhe geschnellt sind – und dass nach schlechten, verregneten Weinjahren der Wein des laufenden Jahres 2022 von sensationeller Qualität und mit entsprechendem Preisniveau auf den Markt kommen wird. Wir reisen durchs schöne, hügelige Beaujoulais und die Landschaft, die den Cote du Rhone mit dem weltberühmten „Chateuneuf du Pape“ reifen lässt.
Unvergessliche Ausflüge führen in die Abtei von Cluny, eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters – und in die von alten Mauern umringte Stadt Beaune ihrem berühmten, in zahlreichen Kinofilmen verwendete Spital „Hotel-Dieu“. Hier liegen in den von roten Vorhängen abgetrennten Abteilen mit den knapp bemessenen Spitalbetten längst keine Kranken mehr und es gibt hier auch keine Armen mehr – dafür aber Reiche, denn in diesen prächtigen mittelalterlichen Sälen wird alljährlich eine Burgunder-Weinauktion abgehalten.
Eine herrliche Stadt ist Arles – man denkt sogleich an Bizets „Arlésienne“, und natürlich auch an die „Carmen“, zumal zufällig an diesem Tag hier die große „Feria“ stattfindet: Die ganze Stadt ist auf den Beinen, überall spielen Musikkapellen und in der römischen Arena werden vor kundigem Publikum Stierkämpfe abgehalten – nachdem in einer unblutigen Treibjagd, eine Mutprobe für die jungen Burschen von Arles, die Kampfstiere aus der nahen Camargue hinter schweren Eisengittern durch die Straßen getrieben werden. Ein riskantes Spiel, wenn die Burschen die mächtigen Stiere provozieren und dann im letzten Moment auf die Eisengitter springen – von den Mädchen kichernd bewundert und von einer Blechmusik angefeuert. Ein Schauspiel, wie auf einer Bühne. In einem großen Kupferkessel wird eine herrliche „Paella“ angerührt, die man sich keinesfalls entgehen lassen darf: Spanien, so fühlt man hier auf Schritt und Tritt, ist nah, und die spanische Kultur überlagert die französische.
Bei Nacht fahren wir im farbig beleuchteten Avignon mit seiner gewaltigen Stadtmauer und dem, vielbesungenen „Pont d’Avignon“ ein und freuen uns schon darauf, die päpstliche Stadt mit ihrem gewaltigen Papstpalast am nächsten Tag zu besichtigen. Wir lernen, dass die weltberühmte aber abrupt mitten im Fluss Rhone endende Brücke ursprünglich über eine beeindruckende Länge verfügte – und dass eine winzige, mit bedeutenden Fresken geschmückte Kapelle im päpstlichen Palast den Namen „Sixtinische Kapelle von Avignon“ erhielt.
Zweifellos das faszinierendste Bauwerk, das wir auf dieser faszinierenden Flussreise zu sehen bekamen, der Pont du Gard: ein gigantischer, perfekt erhaltener, dreistöckiger römischer Auquädukt von 49 Metern Höhe und 275 Metern Länge der wie ein Monument der römischen Zivilisation in riesigen gelblichen Kalksteinblöcken – ohne Mörtel zusammengefügt – aus der weiten, grünen Buschlandschaft herausragt. Der Genuß dieses atemberaubenden Kulturdenkmals lässt sich mit einem erfrischenden Bad im Fluss Gard perfekt ergänzen.