Die „Blaue Blume“ als Lebensgefühl – Eine romantische Blütenlese im Harzvorland

„Blaue Blume“-Kunstausstellung. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Hardenberg, Deutschland (MaDeRe). Verbirgt sich die von Novalis vergeblich gesuchte Blaue Blume im Gräflichen Landsitz Hardenberg?

Der grüne Hanf war es nicht. Jenes allgegenwärtige Rauschmittel, das unlängst eine ganze Generation Jugendlicher elektrisierte und zum Aufbruch beflügelte. Vielmehr war es die Blaue Blume, die sich in den Köpfen festsetzte und das Lebensgefühl der Menschen prägte.

Jener Romantiker, die sich vor zweihundert Jahren der Suche nach dieser Pflanze verschrieben, wohl wissend, dass sie sie in Wirklichkeit niemals finden würden. Doch als das Sinnbild für unstillbare Liebessehnsucht und inneres Einssein mit sich selbst erwies sie sich als bestens geeignet, dem damaligen Zeitgeist mit seinem Streben nach Unendlichkeit Ausdruck zu verleihen.

Welt der Gefühle und Leidenschaften

Novalis als Spross der Hardenberg-Familie. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Als Wortführer dieser Aufbruchstimmung tat sich der junge Friedrich Freiherr von Hardenberg hervor. Unter dem Pseudonym „Novalis“ beschrieb er in seinem literarischen Werk eine Welt des individuellen Erlebens mit all ihren Gefühlen, Leidenschaften und Sehnsüchten, die sich vielfach erst im Tod vollendeten.

Auch wenn die Achtundsechziger mit ihrer Kritik die Blaue Blume am liebsten rot eingefärbt hätten, steht Novalis heute jedoch keinesfalls auf dem Abstellgleis der Kulturgeschichte. Ganz im Gegenteil, möchte man meinen, sieht man sich um auf dem Gräflichen Landsitz Hardenberg, einem stattlichen Anwesen im südlichen Niedersachsen, auf dem sich Carl Graf von Hardenberg mit Hingabe der Traditionspflege seines berühmten Vorfahren widmet.

Landschaftliche Fülle des Vorharzes

Waldwanderweg am Landsitz Hardenberg. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Zum Beispiel mit dem Motiv des einzigen von Novalis existierenden Ölgemäldes am Kopfende eines stilvoll eingerichteten Gourmetrestaurants, das zudem seinen Namen trägt. Oder mit einer bis in den Herbst 2013 andauernden  Gemälde- und Skulpturenausstellung des Künstlerpaares Ulrich Fox und Gisela Fox-Düvell, das sich mit Novalis auf die „Suche nach der Blauen Blume“ begibt.

Genau dazu lädt auch die in sommerlicher Fülle strotzende Hügellandschaft des Vorharzes ein, in der sich üppige Getreidefelder mit dem von Licht durchfluteten Blätterdach des Eichen- und Buchen-Mischwaldes abwechseln. So verliert sich bei der Wanderung der Buntsandsteinsockel oberhalb des Gräflichen Landsitzes mitsamt seiner hoch aufragenden mittelalterlichen Burgruine schnell aus den Augen. Wie damals auch für den zweiten berühmten Spross der Hardenberg-Familie, der sich von hier aus aufmachte, um Teile der politischen Ordnung Mitteleuropas auf den Kopf zu stellen.

Beabsichtigte „Revolution von oben“

Ölgemälde des Staatskanzlers Hardenberg. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Es ist das Lieblingsthema und zugleich Spezialgebiet von Begleiter Hans-Jürgen Kotthaus, Betriebsführer im Hause Hardenberg, der bei Fragen zu Karl August Graf von Hardenberg keine Antwort schuldig bleibt. Hardenberg, so weiß er zu berichten, als umtriebiger Geist unterwegs in ganz Europa, brachte es  zur Zeit der Napoleonischen Kriege zum Staatskanzler in preußischen Diensten, wo schließlich Teile seiner progressiven Ideen in den bahnbrechenden Stein-Hardenbergschen Reformen ihre Umsetzung fanden. Von der Abschaffung der Leibeigenschaft bis hin zur Kommunalen Selbstverwaltung.

Obwohl ein Realpolitiker durch und durch, war er zugleich ein Visionär. Mit Vorstellungen, die schon in der Zeit der Monarchie die Mitbestimmung der Bevölkerung durch eine von ihm propagierte „Revolution von oben“ vorsahen. Diese jedoch scheiterte vorerst an den damals in Deutschland herrschenden Machtverhältnissen. Auch zu diesem Themenkreis, so Hans-Jürgen Kotthaus, gibt es eine umfassend aufbereitete Ausstellung im Hause Hardenberg, deren Wiedereröffnung in diesem Herbst er bereits mit Ungeduld erwarte.

Überhöhung des Alltags

Atrium des Hardenberg-Burghotels. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Ist es die Generationen überspannende Tradition dieser Romantiker und Vordenker, von der die Gäste des Gräflichen Landsitzes Hardenberg heute profitieren? Und damit verbunden die gediegene Eleganz und kultivierte Zwanglosigkeit, die – gemischt mit einem Schuss aristokratischen Esprits – die erwünschte Überhöhung des Alltags mit sich bringen?  

Ina ten Doornkaat, gegenwärtige Leiterin des Landsitzes, sähe sich durch eine solche Annahme sicherlich bestätigt. Sie verweist besonders auf das Filetstück des Anwesens, das kürzlich vollständig renovierte Burghotel, das längst einen respektablen Platz in der Gemeinschaft der Relais & Chateaux-Hotels einnimmt. Mitsamt dem renommierten „Novalis“-Gourmetrestaurant, in dem Küchenchefin Katja Burgwinkel ihre phantasievollen Kreationen entwirft.

Keilertradition in Küche und Brennerei

Produkte aus der Kornbrennerei Hardenberg. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Deftiger geht es dagegen zu in der Keiler Schänke mit ihrer bodenständigen Küche, in deren Produkten sich vor allem der ländliche Charakter des Harzvorlandes widerspiegelt. An erster Stelle stehen dabei die Wildschweingerichte zu Ehren jenes Borstentieres, das einst in stockdunkler Nacht mit seiner lautstarken Wachsamkeit einen Überfall von Soldaten der nahen Plesseburg auf die Burg Hardenberg verhinderte.

Folglich ziert der stämmige Keiler mit seiner schwarzen Schnauze nicht nur das Wappen des Hauses, sondern zugleich auch die Etiketten der Spirituosen, die hier die Hardenbergsche Kornbrennerei verlassen. Ein Vergnügen, mit Betriebsführerin Lena Rotter zwischen Maisch- und Gärbottichen hindurch die alten Lagerhallen zu durchstreifen, um sodann, nach ausführlichen Erklärungen zum Entstehungsprozess, an einem Probierstand der Theorie genüsslich die Praxis folgen zu lassen. Mit dem einen oder anderen Gläschen „Schnüsselschluck“, wie er in Norddeutschland auch zuweilen wegen seines originellen Etiketts in liebevollem Plattdeutsch genannt wird.

Kutschenfahrt und Springturnier

Springreiten in der hauseigenen Reitarena. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Rustikal geht es auch zu, wenn Max und Hektor, zwei stramme westfälische Kaltblüter, mit ihrem überdachten Kutschenwagen vorfahren zu einer Rundtour durch den ausgedehnten Landsitz. Vorbei am Schlosspark und seinem Barockschloss, den Stallungen und Scheunen  bis hinaus in die Felder, auf denen das fast reife Korn noch von den warmen Sommertagen profitiert. Und schließlich hinüber zu dem ausgedehnten Waldgebiet mit seinem zahlreichen Schwarzwild, das sich aus nahe liegenden Gründen tagsüber vorsichtshalber lieber im Unterholz verborgen hält.

„Jedem das Seine“, mögen sich Max und Hektor denken, wenn alljährlich im Sommer auf der hauseigenen Reitarena das Hardenberg Burgturnier stattfindet. Ein international besetztes Springturnier, das einem „Who is who“ der gegenwärtigen Springelite ähnelt. Geht es dabei doch darum, nach drei aufeinander folgenden Siegen nicht nur die Ehre sondern vor allem auch die massive „Goldene Peitsche“ als originelle Belohnung mit nach Haus zu nehmen.

Einssein mit sich selbst

Schloss Hardenberg. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Sportlicher Einsatz ist auch gefragt auf dem Golf-Areal des Hauses, das sich in zwei Achtzehn-Loch-Anlagen weitläufig an die sanften Hänge des Leineberglandes anschmiegt. Als Hardenberg Golf Resort vielleicht sogar eine der schönsten Golfanlagen Deutschlands und wegen der vielen naturbelassenen Hindernisse eine der schwierigsten dazu. Damit es hier bei der Verbesserung des Handicaps nicht nur tierisch ernst zugeht, sorgt ein als Keilerkopf modelliertes überdimensionales Inselgrün für einen optisch zum Haus passenden humorvollen Ausgleich.

„Einssein mit sich selbst“? Novalis hegte in seiner Epoche des Aufbruchs stets Zweifel daran, ob er trotz angestrengter Suche diese Blaue Blume jemals finden würde. Moderne Romantiker hingegen könnten auf dem Gräflichen Landsitz Hardenberg heute allerdings zu der Überzeugung gelangen, dieses Ziel für eine kurze Ausnahmezeit während der schönsten Wochen des Jahres bereits erreicht zu haben.

Fotoreportage

Mehr Bilder zum Beitrag in der „Fotoreportage: Schwarzer Keiler und Blaue Blume“ von Dr. Bernd Kregel.

Reiseinformationen „Gräflicher Landsitz Hardenberg“:

Anreise: Per Auto auf der A7 Kassel – Hannover zwischen Göttingen und Northeim; per Bahn: Haltestelle Nörten-Hardenberg zwischen Göttingen und Northeim

Reisezeit: Ganzjährig mit verschiedenen Arrangements, z.B. Golf; besonders attraktiv von Frühling bis Herbst; im Winter mit Schwerpunkt Gourmet und Wellness im BurgSpa

Unterkunft: „Relais & Chateaux“-Burghotel, Website: www.hardenberg-burghotel.de, Telefon: 05503-981-0 und Hotel FREIgeist, Website: www.hotel-freigeist.de, Telefon: 05551-607-0

Auskunft: Website: www.der-hardenberg.com, Email: info@der-hardenberg.com, Telefon: 05503-802-274

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