Alte Liebe zu Deutschlands erstem Seebad – Cuxhaven im aufgefrischten Gewand

Mit Kind und Kegel, Hund und Pferd zieht es die Großen ins weite Watt vor Cuxhaven. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Cuxhaven, Deutschland (MaDeRe). Bei Ebbe ganz weit ins Watt hinein wandern – bis nach Neuwerk, als muntere mutige Schar sogar bis Scharhörn, und wieder zurück vor der Flut – das gehört wohl seit Kindesbeinen zu den unvergesslichen Erlebnissen derer, die an Weser wie seinen Nebenflüssen aufgewachsen sind. Und kein Familienalbum ist komplett ohne vergilbte Fotos jener abenteuerlichen Tat. Damals, als Großvater eine ganze Schulklasse gerettet hat, oh! da oben auf hölzernem Podest, unter dem Wassermassen gar gefährlich zischten und brausten zumindest in der Überlieferung. Damals, als wir, wenn überhaupt, noch politisch unkorrekt küssten und ihn fast gesehen hätten, den Nigger auf Scharhörn. Hans Leip, für viele ohne Zweifel ein Nazi-Barde, dazu Dichter des bei Freund und Feind beliebten Weltkriegsschlagers „Lili Marleen“, fühlte sich mehr auf den Meeren als unter der Laterne zuhause. Sein humanistisches Manifest, geschickt als Kinderbuch verpackt, erzählt die Geschichte einer überraschenden Freundschaft zweier Jungs, junger Männer aus sehr unterschiedlichen Kulturen, Schiffbrüchige auf der Schatzinsel ihrer Träume in einer von Unversöhnlichkeit geprägten Epoche. „Der Nigger auf Scharhörn“ sollte auf die Bühne, aber bitte nicht hier bei uns auf Hochdeutsch, höchstens dort auf Platt. Aber das ist eine andere, kaum vergilbte Familiengeschichte.

Auch an kalten Tagen ein Vergnügen. Fahrten mit der Pferdekutsche von und zu Neuwerk. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow
Auch an kalten Tagen ein Vergnügen. Fahrten mit der Pferdekutsche von und zu Neuwerk. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Ins Watt hinein wandern wohl gemerkt und nicht hinaus. Hinaus zur See fahren Schiffe – von Hamburg, gen Helgoland, einst nach Harwich, dank mancher Angsthasen sogar nach Neuwerk. „Alte Liebe“ wird die Anlage genannt, von der Schiffe begrüßt werden welche kommen aber oft vorbeifahren. Ein Windsemaphor, Europas einzig erhaltener, reckt und streckt sich empor, sturmerprobt. Jeder im rauen Klima gestählte Urlaubsgast kann sich in der Nordsee erquicken – aber vom Spätsommer bis in den Frühsommer erweist sich als angenehmer dann doch meistens der Besuch vom Wellenbad wie der Aufenthalt im Thalasso-Zentrum. Durchs Panoramafenster einer Sauna auf der Dachterrasse schweift der Blick hier aus wohliger Wärme über das „Weltnaturerbe Wattenmeer“. Wer darüber mehr wissen will wende sich zur Seite von WELTEXPRESS – wir aber wenden uns jetzt Cuxhaven zu mit den maritimen Museen. Nichts verstaubtes, hier weht eine steife Brise. Mit „Windstärke 10“ brauste Orkantief Xaver am 5. Dezember 2013 über die Hafenstadt hinweg. Dies passte zur Eröffnung des gleichnamigen Hauses, wo das entbehrungsreiche Alltagsleben der Hochseefischer ebenso anschaulich aufgezeigt wird wie das Schicksal der Schiffbrüchigen in der Deutschen Bucht samt effektvoll präsentierter Wrackfunde – tief eintauchen ins Geschehen mit einer 360 Grad Projektion und einer Lichtinstallation.

Mehr Watt geht nicht, wenn das Meer gegangen ist. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow
Mehr Watt geht nicht, wenn das Meer gegangen ist. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Ein gewisser Dr. Russell hatte 1754 seinen Patienten das Trinken von Meerwasser und das Baden in solchem erstmals verordnet, und er schickte sie zu diesem Zwecke in das Fischerdorf Brighthelmstone. Der Prince of Wales, später Georg IV., auf der Suche nach einem Ort wo es sich lustiger leben ließ als in London nah bei seinem verrückten Vater, gestaltete ihn zu seiner Residenz Brighton mit einem exzentrischen ‚indischen’ Palast. „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad“, fragte sich zu der Zeit Georg Christoph Lichtenberg, Professor zu Göttingen im Kurfürstentum Hannover (mit Großbritannien in Personalunion verbunden). Und befand Cuxhaven, so sagt man, als dafür geeignet – das aber gehörte damals und lange darauf zu Hamburg. Wie dem auch sei, erst der hanseatische Amtmann Amandus Augustus Abendroth legte 1816, nach den Napoleonischen Kriegen, den ideellen Grundstein für das erste deutsche Seebad an der Mündung der Elbe in die Nordsee. Hanseaten sind bekanntlich zurückhaltende Leute. So verwundert es nicht, dass es hier weder einen exzentrischen Palast noch einen Pier als Vergnügungsmeile übers Meer gibt wie an Englands Gestaden. Dennoch kann Cuxhaven durchaus mithalten. Das Duhner Wattrennen, die Trab- und Galopprennen auf feuchtem Wattboden Mitte Juli würden auch dem spleenigsten Briten gefallen. Und dass die Hüte der Damen nicht hochgewellte filigrane Kreationen darstellen wie in Ascot, ja dass liegt bestimmt nur wie weiland an Windstärke 10.

Reiseinformationen:

Informationen, auch zu aktuellen Angeboten über das Wattwandern bei: Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH, Cuxhavener Str. 92, 27476 Cuxhaven, Telefon: (04721) 404-0, Fax: (04721) 404-198, E-Mail: info@tourismus.cuxhaven.de, Web: www.nordseeheilbad-cuxhaven.de

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