Berlin, Deutschland (MaDeRe). Das Oppolner Land mit seinen majestätischen Schlössern und imposanten Burgen war einst das bevorzugte Ziel der Aristokratie. Nun darf das Volk und Besucher aus aller Welt viele der prachtvollen Anwesen besichtigen, wohnen und in den weitläufigen Parks spazieren gehen oder ausgelassene Feste feiern.

Am Flußufer in Oppeln. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Aufnahme: Oppeln, 16.06.2023

Oppeln ist eine der ältesten Städte der Woiwodschaft Opole. Jetzt ist sie eine muntere Studentenstadt. Abends treffen sie viele junge Leute im schwimmenden Restaurant Ponton, um zu plaudern oder etwas zu trinken. Dahinter spiegeln sich die orangefarbenen Fachwerkhäusern im Wasser der Oder, fast so wie in der Lagunenstadt Venedig. Ab 19 Uhr ist das Lokal fast immer ausgebucht. Wer zu spät kommt, muss in die Altstadt ausweichen. Doch das ist kein Nachteil, denn auch hier fühlt man sich fast wie in Italien. Vor den bunten und stilvollen Bürgerhäusern reihen sich gemütliche Cafés und Restaurants aneinander, in denen man das bunte Treiben beobachten und die lokale Küche genießen kann. Das Rathaus ist das Herzstück des Marktplatzes. Obwohl es etwas kleiner als der florentinische Palazzo Vecchio ist, gleicht es diesem fast wie eine Kopie. Das im 19. und teilweise im 20. Jahrhundert errichtete Neorenaissance-Gebäude beherbergt heute die Stadtverwaltung. Pünktlich um 12 Uhr sollte man auf dem Marktplatz sein, denn täglich erklingt vom 65 Meter hohen Turm die Hymne der Stadt Oppeln. Am Stadtrand ist es grün und idyllisch. Jogger laufen entlang des Flussufers und Radfahrer sind unterwegs. Enten vergnügen sich im kühlen Nass. Sie schnattern miteinander und schwimmen ans Ufer, wo sich Weidenzweige sanft im Wasser bewegen. Auf der Promenade gibt es Bänke zum Ausruhen. Es ist leicht, mit den polnischen Einwohnern ins Gespräch zu kommen, sei es auf Deutsch oder Englisch.

Sobald man Oppeln verlässt, und an den kleinen Dörfern vorbeifährt, ist man fernab vom Trubel. Es geht über Kopfsteinpflaster und hinter kleinen Fenstern hängen Spitzengardinen, an den grauen Hauswänden wachsen Stockrosen, die sich der Sonne entgegenstrecken. Ringsum Wiesen mit Klatschmohn, der sich im Wind wiegt und Weizenfelder, die kaum ein Ende nehmen. Schon von weitem ist das Schloss Moszna mit seinen spitzen Türmchen und Giebeln sichtbar. Es sieht so verspielt aus, dass alle die es gesehen haben, von einem Märchenschloss erzählen. Es ist kein Wunder, dass es heute zu den bekanntesten und meistbesuchten Schlössern des Oppolner Landes zählt. Es wurde von der Familie Tiele-Winckler 1866 erworben und renoviert, um es zu einem luxuriösen Wohnsitz zu machen. Die Gäste steigen auf der dunklen Holztreppe nach oben und streifen durch die Prunkgemächer, besichtigen das ehemalige Arbeitszimmer des Hausherrn mit einem Türportal aus Sandelholz aus Florenz, sowie die Schlosskapelle. Es ist als ob man zurückversetzt wird in eine Zeit, als die angesehenen Gäste in prächtigen Ballkleider über den Boden schwebten und das Klirren der edlen Kristallgläser auf den rauschenden Festen und Jagdgesellschaften erklang, die einst die fürstlichen Gemäuer mit Leben erfüllten. Von oben gibt es einen weiten Blick in die Parkanlage. Gäste schlendern wie einst die Besitzer durch eine Lindenallee und zwischen duftenden Rosen durch den Park. Im Frühjahr, wenn die rosa, weißen und lilafarbenen Azaleen sich sanft im Wind hin und her bewegen, wird das große Fest der Azaleen gefeiert.

Die Fassade im Schloss Niemodlin zog Filmleute an. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Aufnahme: Schloss Niemodlin, 15.06.2023
Die Fassade im Schloss Niemodlin zog Filmleute an. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Aufnahme: 15.06.2023

Nicht so märchenhaft schön, aber dennoch sehenswert ist die Burg Niemodlin, die von einem Landschaftspark umgeben ist. Hier wurden kaiserliche Oberhäupter empfangen. Der Plan der polnischen Adelsfamilie von Bolesław I., die im 12. Jahrhundert in Schlesien regierte war, dass von der Burg aus die Oppelner Länder verteidigt werden sollte. Stolz steht die Burg noch immer da, trotz zahlreicher Kriege, Eroberungen und Brände. Sie hat hohe Türme, massive Mauern, verziert mit gotischen, Renaissance- und Barockelementen. Diese Kombination aus historischer Architektur und der natürlichen Umgebung hat der polnische Filmemacher Jan Jakub Kolski als Drehort für seinen Film „Jasminum“ gewählt. Für die Filmleute war das sehr praktisch. Sie brauchten keine Kulisse bauen. Die Glasfenster und die barocken Malereien über den Türen fanden sie romantisch. Vor acht Jahren übernahm eine Firma aus Lodz das Schlossgebäude. Seitdem wird es weiter restauriert. Dagegen ist das historische Schloss Palac Pawlowice ein eklektisches Meisterwerk, das kunstvoll mit einer Vielzahl von Neorenaissance- und Barockelementen verziert ist. Der Turm ragt mit seinem quadratischen Grundriss bis zum Dach empor und nimmt von dort an eine achteckige Form an. Nach umfassender Renovierung ist es jetzt ein Hotel mit Restaurant. Der Wein kommt von den eigenen Weinbergen des Besitzers Szymon Godyla. Halbtrocken und süß, so wie die Polen es mögen.

Halt vor einer katholischen Kirche. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Aufnahme: Stobrawski Naturpark, 16.06.2023

Inmitten des Stobrawski Naturparks war das ehemalige Jagdschloss Bożeów dem Verfall preis gegeben. Jetzt hat der Besitzer Mirolaw Garack die Anlage saniert und freut sich über Gäste. Wer den kleinen Hügel hinterm Haus erklimmt, wird mit einem atemberaubenden Blick auf eine unberührte Naturkulisse belohnt, keine Autos, nur Wald und ein Teich. Der nächste Nachbar ist hundert Meter entfernt. Im Winter sorgt der knisternde Kamin für wohlige Wärme. Pferde gibt es auch. Mit denen hat er die Gegend im Sattel erkundet und kennt sie wie seine Westentasche. Auf die Kutsche setzt er gern seine Gäste. Der Kutscher lenkt gekonnt die schwedischen Kaltblutpferde durch den Wald bis nur noch das rhythmische Stampfen der Hufe auf dem Waldboden zu hören ist. In seiner Gaststube stehen ausgestopfte Braunbären. Nicht zum Furcht einflößen, sondern als Erinnerung, dass hier schon immer gejagt wurde. Denn auch er geht jagen. Auf seiner Speisekarte sucht man Schnitzel und Pommes vergebens, und darauf ist er sehr stolz. Es gibt saftige Hirschrollen und schlesische Klöße und als Speisebegleiter hausgemachte Limonade. Die Möbel aus dem 19. Jahrhundert verleihen zusätzlich einen Hauch von Nostalgie.

Zu den schönsten Renaissancebauten in Brieg zählt das Rathaus. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Ort und Datum der Aufnahme: Brieg,14.06.2023
Im Rathaus in Brieg. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Ort und Datum der Aufnahme: Brieg,14.06.2023

Noch einmal tief in die polnische Geschichte eintauchen kann man in der Stadt Brieg. Diese ist seit jeher als Herrscherdynastie bekannt. Über 350 Jahre lang lenkten die schlesischen Piasten die Geschicke der Stadt und hinterließen ihre Spuren. Im Jahr 1311 verstarb Herzog Heinrich V. und vererbte das Herzogtum Breslau seinen drei Söhnen, die es untereinander aufteilten. Zu den schönsten Renaissancebauten der Stadt gehört das Schloss, das im Auftrag von Herzog Georg II. im Jahr 1552 umgebaut wurde. Stolz auf seine Familiengeschichte und selbstbewusst ließ er an der Fassade des Torhauses seine Ahnen als Relief verewigen. Die zentralen Figuren des Reliefs sind der Bauherr selbst und seine Frau Barbara von Brandenburg. Viele Fachleute, Arbeiter auch freiwillig helfende Hände sanieren und pflegen unermüdlich die Gebäude und den Ort. Wenn man sich umschaut, kann man sich wie ein stolzer Burgherr fühlen und dabei tiefe Hochachtung für die mittelalterliche Baukunst empfinden.

Schloss Sulisla. © Foto/ BU: Heidrun Lange, Datum der Aufnahme:,15.06.2023

Reiseinformationen

Oppelner Land: www.visitopolskie.pl

Alle Schlösser, die hier beschrieben wurden, sind von Oppeln nach 30 Kilometern erreicht.

Anreise ins Oppelner Land: per Bahn täglich in elf bis 13 Stunden

Tipps zum Übernachten:

  • Jagdschloss Bożeów
  • Schloss Moszna (etwas rustikal, aber ideal für Familien mit Kindern)
  • Schloss Niemodlin
  • Schlosshotel Palac Pawlowice
  • Piastenschloss in Brieg

Anmerkung:

Die Reise wurde vom Fremdenverkehrsamt Polen unterstützt.

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