Bergen, Tromsö, Norwegen (MaDeRe). Nicko Cruises – mit denen ich inzwischen schon einige höchst abwechslungsreiche Reisen auf luxuriösem Niveau erleben durfte – stellte uns auf dieser herbstlichen Nordwegen/Schweden-Kreuzfahrt Nordlichter in Aussicht. Ich gestehe: Da ich die Fjorde vor vielen Jahren bereits im Sommer (mit verlässlicher Mitternachtssonne, versteht sich!) auf der legendären „Vistafjord“ bereist hatte, sehnte ich mich schon seit Jahren die berühmten „Northern Lights“ – „Aurora Borealis“ – mit eigenen Augen zu sehen. Für mich war das, eingestandenermaßen, neben dem entspannenden Leben an Bord, einer Vielzahl interessanter Anlegestellen entlang der norwegischen Küste, das Hauptmotiv hinter dieser Reise auf der luxuriösen, großzügig ausgestatteten „Vasco da Gama“.
Wurde ich enttäuscht? Ich will fair sein. Die „Northern Lights“ sind, wie die Norweger mit einem maliziösen Schmunzeln gegenüber den modernen Kreuzfahrern zu bemerken pflegen, „eine kapriziöse alte Dame“ – mal zeigt sie sich, mal nicht, mal prachtvoll und faszinierend, mal eher spröde und zurückhaltend. Auf dieser Reise war – dem Wetter, der Bewölkung und dem Vollmond geschuldet, der diese komplizierte Lady zu überstrahlen pflegt – die „Aurora Borealis“ lediglich als vager, mit einiger Fantasie als von grünlicher Farbe einzustufen, zu erkennen. Schön war’s gewiss, aber nicht eindeutig. Immerhin: Der Kapitän gab sich mit entsprechenden Lautsprecherdurchsagen (auf die hin alles auf Deck rannte) und sogar dem Herunterfahren der Deck-Beleuchtung alle erdenkliche Mühe. Waren das nun die Nordlichter oder war’s doch eher was anderes? Gewiss werden die anderen Passagiere zu Hause begeistert (aber kaum aufrichtig) berichten und wie üblich auf den Neid-Reflex der Daheimgebliebenen zählen. Die „Northern Lights“ genoss ich auf dieser Reise allerdings zur Genüge, ja fast bis zum Überdruss – in ihrem spektakulärsten Erscheinungsformen und Farbspielen, aber eben, leider: Nur auf Filmen, die man sich im Laufe der Reise überall zu Gemüte führen durfte, und auf farbenprächtigen Fotos.
Nun, mit solchen bin ich nicht nach Hause zu kommen, aber dafür mit zahlreichen wunderbaren anderen Bildern von dieser Reise, die in der Erinnerung aus zahlreichen bunten Mosaiksteinen besteht, die sich erst später zu einem vollständigen Bild zusammenfügen werden. An der Spitze dieser grandiosen Erinnerungen steht natürlich der zu Recht weltberühmte Geirangerfjord, der mich bereits auf meiner ersten Norwegen-Kreuzfahrt fasziniert hatte. Vor allem mich als Schweizer, gewohnt an Seen (namentlich den Vierwaldstättersee), aus dem Tausende Meter hohe Bergwände steil emporragen – und auf dem die wunderbaren über hundertjährigen Dampfschiffe verkehren.
Hier, im Geirangerfjord, erwartete uns eine sehr ähnliche Landschaft – nur dass es sich nicht um einen See sondern einen Meeresarm mit Salzwasser handelt, auf dem nicht ein Dampfschiff für 250 Personen sondern ein respektabler Ozeandampfer für 1000 Passagiere und fast so viele Besatzungsmitglieder verkehrt. Das ist für mich das eigentliche Faszinosum: Sieht aus wie ein Schweizer Bergsee – ist aber das Meer, komplett riesigem Schiff. Diese „optische Täuschung“ ist es, die mich wohl zeitlebens unendlich beeindrucken wird. Der Ausflug zum atemberaubenden und doch nur wenig über 1000 Meter hohen Berggipfel Dalsnibba mit seinem atemberaubenden Rundblick hoch über den Fjord (tief unten sichten wir die „Vasco da Gama“) und die bereits teilweise verschneiten, kargen Berghänge.
Die alte Hansestadt und einstige norwegische Hauptstadt Bergen (Verwaltungszentrum der „Hanseatischen Liga“) mit ihrem dank Golfstrom relativ milden Klima ist Universitätszentrum und zweitgrößte Stadt Norwegens – mit stets betonter Rivalität zur Hauptstadt Oslo, das „eigentlich schon zu Schweden gehört“ – gilt als „Tor zu den Fjorden“oder, je nach Lesart, als „Herz der Fjorde“ und ebenso wie der Geirangerfjord zählt sie wegen ihrer Häuserzeile von bunten, historischen Holzbauten zum Unesco-Weltkulturerbe. Wie andere norwegische Städte wurde auch Bergen von verheerenden Bränden heimgesucht und viele der malerischen Holzhäuser sind Nachbauten. Mit einst 50 Holzhäusern aus dem 18. bis 20. Jahrhundert war Bergen einst die „größte Holzstadt“ Europas. Bergen ist Norwegens wichtigster Hafen, vor allem als Anlaufstelle für rund 300 Kreuzfahrtschiffe jährlich. Die Einwohner sprechen einen deutlich vom übrigen Norwegisch unterscheidbaren Dialekt.
Unter kundiger Führung lassen wir uns ins Hanse-Viertel und in die Innenräume der alten Häuser begleiten und dann per hochmoderner Standseilbahn auf den Aussichtspunkt auf dem nur 320 Meter hohen Floyen über der Stadt. Doppelt so hoch ist der Ulriken mit noch großartigerem Panorama über die Fjordlandschaft, zu erreichen mit einer Gondelbahn. Natürlich sind überall riesige, hässliche Trolle postiert, über die wir dann später, im Trollmuseum (ja, das gibt es wirklich!) in Tromsö mehr erfahren werden – auch übrigens über die kulturellen Grössen Ibsen und Grieg und deren gegenseitiger Inspiration. Ein Muss für alle Fisch- und Sea-Food-Liebhaber ist der Fischmarkt, auf dem man die köstlichsten und frischesten Produkte direkt in den angeschlossenen Restaurants genießen kann. Bergen als Kulturstadt offeriert selbst bei den kurz bemessenen Aufenthalten der Kreuzfahrtschiffe kulturelle Höhepunkte, so die Gemälde Munchs und, bei längerem Aufenthalt, Konzerte des renommierten BerLgen Philharmonischen Orchesters in der Grieg-Halle.
Die Ortschaft Leknes Vestvagoy ist der Anlaufpunkt für eine Tour durch die herrliche Berg- und Meerlandschaft der Lofoten – dazwischen die typischen rot-weissen Holzhäuser, deren Farben an die norwegische Flagge erinnern, und, mit etwas Scharfblick, die Holzgestelle, auf denen heute wie vor Jahrhunderten die Kabeljaus getrocknet werden – ein beliebter Exportartikel in verschiedene europäische Länder (namentlich Portugal, das 100 Bacalhau-Rezepte kennt) und Afrika. Ein sehr besonderer Landausflug führte uns zu einem stillgelegten Marmorbergwerk namens „Bergtatt“. Doch der Marmor der hier abgebaut wurde, fand keine Verwendung in luxuriösen Bauwerken oder Möbeln – sondern wurde, was uns doch sehr schockierte, zermahlen und für die Herstellung von Glanzpapier verwendet… Immerhin: Hier war die romantische und irgendwie unheimlich Fahrt auf einem Floss vorgesehen, das über einen unterirdischen See glitt in einer riesigen Grotte, deren Felswände farbig beleuchtet waren. Unwillkürlich, angesichts des vierschrötigen, schweigsamen Fährmanns, der uns durch die Klippen manövrierte, drängte sich eine klassische aber makabre Assoziation auf: dies war der Styx oder Acheron, der sagenhafte Fluss, der die Welt der Lebenden mit der Unterwelt verband – und war dieser kräftige, mürrische Fährmann nicht der Charon aus der griechischen Mythologie?
In Tromsö sollte man beim Stadtrundgang auf das kleine aber skurrile Trollmuseum nicht verzichten – und auch die großartige Robbenfütterung im Polarmuseum, dessen avantgardistische Architektur an Eisschollen erinnert ist ein heißer (oder vielmehr: eiskalter) Tip… Als Höhepunkt gab es die Möglichkeit, ein herrliches, abendliches Orgelkonzert in der weltberühmten Eismeerkathedrale (Arctic Cathedral) zu erleben. Dieser phänomenale, zeltartige Beton-Kirchenbau von Jan Inge Horvig der die arktische Landschaft mit ihren Schneeflächen und ihren Farbakzenten auf dem gewaltigen, erst 1972 eingefügten Glasmosaik (von Victor Sparre in einer speziellen Technik wiedergibt, entstand im Jahr 1965. Im Sommer leuchten die Farben des Fensters im Innern des Kirchenschiffs, im Polarwinter dringen die Farben tröstlich von innen in die lange, stockdunkle Polarnacht.
So gab es viel zu erleben auf dieser zweiwöchigen Kreuzfahrt – auch ziemlich fürchterliche Stürme mit Windstärken 10 bis 11, welche den Verzicht auf gewisse im Programm vorgesehenen Häfen notwendig machten, was von den Passagieren mit Verständnis und Gleichmut hingenommen wurde. Vielleicht hätte man die enttäuschteren Gäste unter den Passagieren mit einem spontanen Champagner Cocktail zumindest symbolisch trösten könnten – eine sympathische Geste, die man hier leider vermisste. Immerhin hatten die Passagiere statt den versprochenen Landgängen einige lange Seetage, noch dazu bei hohem Seegang zu gewärtigen. Im Übrigen aber ist die Organisation an Bord der „Vasco da Gama“ überall vorbildlich. Die Touren starten auf die Sekunden pünktlich, die Durchsagen sind stets klar und im Tonfall sehr sympathisch. Besonderes Lob ist der Crew, der Service-Mannschaft in den Speisesälen, den Restaurants und den Kabinen zu zollen: Sie und vor allem auch die Damen und Herren der Rezeption und des Ausflugs-Schalters kamen ihren Aufgaben stets enorm hilfsbereit, mit viel Charme und großem Verständnis für die vielen älteren Passagiere nach. Großes Kompliment!
Die vor genau 30 Jahren in Genua von Stapel gelassene „Vasco da Gama“ könnte im durchaus positiven Sinn als schon etwas „altmodisches“ Schiff bezeichnet werden: Im Gegensatz zu den heutigen Ozeanriesen hat sie einen klassischen Schiffs-Aufbau und vor allem im Innern angenehm großzügige Dimensionen. Das gilt für die öffentlichen Räume, deren Vielfalt vor allem im Restaurant-Bereich bemerkenswert ist, und insbesondere für die Kabinen. Auch die Innen- und Fensterkabinen sind mit 16,9 bis 17,5 Quadratmetern (eigene Dusche bzw. sogar Badewanne) ausgesprochen geräumig. Am empfehlenswertesten sind die ausgesprochen luxuriös und geschmackvoll eingerichteten und extrem großzügig dimensionierten Aussenkabinen mit Balkon (Deck 9 und 10); wer’s noch exclusiver haben will kann eine Balkon-Suite mit 34,7 Quadratmetern wählen – oder, als non plus ultra, die unglaubliche Penthouse Suite ebenfalls mit Balkon (101,7 Quadratmeter – die Dimensionen einer Wohnung auf dem Festland!).
Sehr vielfältig die Restaurants an Bord mit kontrastierender Küche, die ebenso wie die verschiedenen Orchester und Musiker auf die verschiedensten Geschmäcker und Präferenzen unter den Passagieren eingeht. Vom Outdoor Grill auf Deck 11 und dem beliebten Bistrot eben dort bis hin zum Restaurant mit mediterranem Flair, daneben das „Fusion“-Restaurant mit asiatischem Flair (Deck 8) und auf Deck 7 das elegante „Waterfront“ Restaurant mit europäischer Küche. Den Höhepunkt bildet der Fünfstern-Grill mit wunderbaren Rindfleisch-Spezialitäten (inklusive „Surf and Turf“ mit Hummer), perfekt serviert von eleganten französisch sprechenden Kellnern aus Mauritius. Eine besondere (und leistbare!) Attraktion ist die mehrgängige „Chef’s Table“ in einem separaten Raum. Und noch etwas: Im Gegensatz zu sehr vielen Restaurants an Land und an Schiffen ist selbst der (spanische) Hauswein exzellent – und preiswert, wie übrigens auch die Drinks an Bord. So ist die „Vasco da Gama“ ein „Winner“ in jeder Hinsicht – ein empfehlenswertes Kreuzfahrtschiff für jeden Geschmack und nahezu jedes Urlaubsbudget.