Slesin, Polen (MaDeRe). 19.15 Uhr: Nachdem wir Klamotten und Verpflegung verstaut und uns mit dem Boot vertraut gemacht haben, wollen wir doch noch ablegen. „Ist mir hier zu laut in der Marina“, begrüßt mein Steuermann Marcel diese Entscheidung. Beruflich ist der Brandenburger als Zweiter Nautischer Offizier weltweit auf dem Kreuzfahrtschiff AMADEA unterwegs: „Da hab´ ich an Bord schon genug Trubel um die Ohren“.
Leinen los und ein! Langsam dreht MAGDALENA auf den Jezioro Slesinski/Schlüsselsee hinaus, durch den die Notec/Netze zu Tal fließt. Durch das gleichnamige von der letzten Eiszeit und ihren Schmelzwässern ausgespülte Urstromtal. Es wird langsam dunkel, so dass die Navigationslichter eingeschaltet werden müssen. Jetzt heißt es nur noch einen Übernachtungsplatz finden. Nach rund vier Kilometern Fahrt finden wir eine stille von Schilf und Wald begrenzte Bucht. Der Anker plumpst ins Wasser, so dass ein paar Wasservögel verschreckt auffliegen. Im Bordbuch entdeckt Marcel den Hinweis, dass man über Nacht weder fahren noch irgendwo ankern darf, sondern eine Marina ansteuern muss. Da ist guter Rat teuer: wohin also jetzt? Wir gehen mal davon aus, dass die Wasserschutzpolizei um diese Zeit keine Streife mehr fährt.
Die Küche bleibt heute kalt, denn wir haben uns mit Würstchen und Kartoffelsalat eingedeckt.
Bei Kerzenschein und Wein, von lauem Wind und leisem Schilfrauschen umfächelt, besprechen wir entspannt den nächsten Tag. Nur der Mond grinst durch das Baumfiligran. Erster geplanter Fixpunkt: zehn Uhr am nächsten Vormittag, dann nämlich öffnet die Schleuse „Sluza Gawrony“ in zwei Kilometern Entfernung. Kein Problem, wir können ausschlafen und in Ruhe frühstücken.
Tagesausklang unter der funkelnden Milchstraße in absoluter Stille. Die Nacht bleibt störungsfrei. Am nächsten Morgen steht die Netze-Taufe an: ein hüllenloser Sprung in den Fluss zum Munterwerden, opulentes Frühstück, Anker auf und los in Schleichfahrt, denn wir haben Zeit. So soll es auch bleiben, nehmen wir uns vor.