Wien, Österreich (MaDeRe). Der Journalist und Schriftstelle Karl Kraus bringt es wie immer aus den Punkt: „Wien hat lauter Wahrzeichen und jeder Wiener fühlt sich als solches.“ Wer Wien besucht ist förmlich erschlagen von der Pracht, der Vielzahl an Sehenswürdigkeiten, Bauten und Geschichten. Augenzwinkernd beschreibt der Kabarettist Karl Farkas die dort Ansässigen: „Wir Wiener blicken vertrauensvoll in unsere Vergangenheit.“ Bei vielen Orten wissen wir sofort: Wien! Bei anderen vielleicht nicht sofort. Eine Reise durch Wien in Bildern. Im siebten Teil waren wir an Orten, die überraschen und auf den meisten Sehenswürdigkeiten-Toplisten nicht stehen.
Ein Ort, der aus der Literatur bekannt ist, aber auch vor Ort sehr bemerkenswert: Die Strudlhofstiege. Sie überwindet den Höhenunterschied zwischen dem oberen Teil der Strudlhofgasse und deren tiefer gelegenem Part. Am Rand der Geländestufe lies der Bildhauer und Maler Peter Strudel, oft Strudl geschrieben, 1690 den Strud(e)lhof bauen. Hier richtete er eine private Malerschule einrichtete, die 1705 zur kaiserlichen Akademie erhoben und bis zu Strudels Tod 1714 betrieben wurde. Anfang des 20. Jahrhundert wurde beschlossen, die Geländestufe mit einer Treppe zu überwinden. Das Bauwerk wurde aus Mannersdorfer Kalkstein errichtet, wurde am 29. November 1910 eröffnet und gilt als bedeutendes Bauwerk des Jugendstils. Zur namentlich bekanntesten Stiegenanlage Wiens wurde sie durch ihre literarische Verarbeitung in Heimito von Doderers Roman „Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre“ von 1951.
Die Neudeggergasse ist eine kleine Gasse, der man eher wenig Aufmerksamkeit schenken würde. Sie ist ein Beispiel für das Projekt „Ot“ und die dazu gehörigen Lichtzeichen. 25 Synagogen wurden im Novemberpogrom 1938 mutwillig zerstört. Ein davon stand in dieser Gasse. Eine Fotografie auf Glas ermöglicht, sich das zerstörte Gebäude aus dem richtigen Blickwinkel an der ursprünglichen Stelle vorzustellen. Daneben findet sich ein fünf Meter hoher Metallmast mit Lichtkörper. Diesen Lichtkörper könnte man einfach nur als modern erkennen – oder man tritt langsam näher und die geschwungenen Linien ordnen sich zu einem Davidstern, je näher man dem Masten kommt. Der österreichische Künstler Lukas Maria Kaufmann (Jahrgang 1993) hat diese beeindruckende Kunst geschaffen. Am Mast ist zudem die Bezeichnung des zerstörten Gotteshauses angebracht und ein QR-Code ermöglicht online weitere Informationen zu finden. An 25 Orten in 16 Bezirken ist diese Lichtkunst zu finden. Alle Standorte und Infos zum Projekt finden sich unter www.lichtzeichen.wien.
Für die Wiener ist es die Otto-Wagner-Kirche oder die Kirche am Steinhof, korrekt wäre es die Kirche zum Heiligen Leopold. Erbaut wurde sie von 1904 bis 1907 als Teil der „Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke am Steinhof“ – heute ist es das Otto-Wagner-Spital. Erzherzog Franz Ferdinand eröffnete den Sakralbau am 8. Oktober 1907. Da die Kirche seit 1920 im Eigentum der Stadt Wien ist, verfiel sie zunehmend. Nach rund sechsjährigen Renovierungsarbeiten wurde die Kirche am 1. Oktober 2006 wiedereröffnet. Unter anderem wurde die Kuppel mit 2 Kilogramm Blattgold neu vergoldet. Die Kirche am Steinhof ist neben dem Secessionsgebäude eines der Hauptwerke des Jugendstils in Wien und weist gestalterische Parallelen zu der vom Otto-Wagner-Schüler Max Hegele bereits 1899 entworfenen und 1910 fertiggestellten Friedhofskirche zum Heiligen Karl Borromäus am Wiener Zentralfriedhof auf.