Port Said, Ägypten (MaDeRe). Im Konvoi überwindet die elegante „Star Clipper“ das Nadelöhr zwischen Mittelmeer und Rotem Meer.
In wildem Tanz malen die Mastspitzen ihre Beschwörungsformeln an den stahlgrauen Himmel. Glauben sie wirklich, mit ihrer ausdrucksstarken Symbolsprache den launischen Meeresgott Poseidon von seinem ungestümen Vorgehen abhalten zu können? Von seinen rauen Attacken, mit denen er das Schiff wie eine Nussschale vor sich her treibt? Ein dumpfes Stöhnen erfüllt den vibrierenden Schiffsrumpf, wenn der Bug sich wieder und wieder in den anrollenden Fluten aufbäumt, um kurz danach erneut in ein tiefes Wellental einzutauchen.
Natürlich müssen auch die dickbäuchigen Segel nach seiner Pfeife tanzen. Knatternd klammern sie sich an den Schiffstauen fest, um nicht widerstandslos von tosenden Windböen davongetragen zu werden. Sind aber nicht gerade sie es, die das Schiff immer wieder in eine spürbare Schieflage versetzen? Dermaßen deutlich, dass sich die heran donnernden Wogen laut klatschend am Schiffsrumpf brechen, als hätten sie es vor allem auf die gläsernen Bullaugen abgesehen. Allerhöchste Zeit, deren Abdichtung von innen zu überprüfen und zusätzlich alles auf dem Sonnendeck in Sicherheit zu bringen, das sich als nicht niet- und nagelfest erweist.
Unterwegs nach Fernost
Gerade noch hatte die „Star Clipper“ das herbstlich angenehme Sonnenwetter für sich nutzen können, als sie vom Athener Hafen Piräus aus in See stach. Vorbei an der Akropolis und dem malerisch gelegenen Kap Sounion an der Südspitze der Halbinsel Attika. Und auch in der Caldera der Vulkaninsel Santorini zeigten sich Wind und Wetter der Ägäis noch von ihrer einladenden Seite. Bis an den hoch aufragenden Festungsmauern der Kreuzritterinsel Rhodos das Wetter plötzlich umschlägt und mit zunehmender Wucht die Elemente aufpeitscht.
Für die Besatzung, so erweckt es den Anschein, ist dies kein ungewöhnlicher Vorgang. Handelt es sich für sie doch lediglich um eine Episode auf dem Weg von Europa nach Fernost, zu dessen Traumlandschaften und Traumstränden die elegante Viermast-Barkentine nun wieder unterwegs ist. Mehrere Jahre lang, so ist im Umkreis der Schiffsbrücke zu vernehmen, hatte sie sich aus Sicherheitsgründen nicht am Horn von Afrika vorbei getraut. Doch offensichtlich erweist sich die Lage inzwischen wieder als überschaubar und kalkulierbar.
Spritzige Rhythmen
Nun aber kommt es erst einmal darauf an, die schützende Küste Nordafrikas zu erreichen. Genau jene Stelle, an der bereits in der Antike der Leuchtturm von Alexandria den Seeleuten ein schützendes Hafenbecken versprach. Jenes legendäre Weltwunder, dem der Zahn der Zeit jedoch schon in einer früheren Epoche den Garaus machte. Der Bedeutung des Hafens von Alexandria tat dieses bedauernswerte Ereignis indes keinen Abbruch. Für viele heutige Schiffe bietet er zudem eine willkommene Verschnaufpause vor dem Ansteuern des Hafens von Port Said, dem nördlichen Eingangstor zum Suezkanal.
Bereits beim Anlegemanöver in der Kanaleinfahrt zeigt sich die Stadt von ihrer farbenfreudigsten Seite. Mit spritzigen Rhythmen und in bunten Kostümen bereitet eine Tanzgruppe der „Star Clipper“ einen herzlichen Empfang. Soll dieser etwa den Gedanken daran zerstreuen, dass die dem Sonnengott Helios gewidmete Kolossalstatue nicht hier, sondern als Freiheitsstatue in der Hafeneinfahrt von New York aufgestellt wurde? Ein gewaltiges aber durchaus realistisches Vorhaben, dessen Durchführung allerdings an den hohen Kosten scheiterte.
Hauptarterie des Welthandels
Bedauerlich vor allem deshalb, weil aus heutiger Sicht die gegenwärtige Wirtschaftsleistung des Kanals das damalige Projekt auf das Niveau von Peanuts zusammenschrumpfen lässt. Hat sich der Kanal doch inzwischen zu einer der Hauptarterien des Welthandels entwickelt, über die ein Riesenanteil des Warenaustauschs zwischen Europa und Asien abgewickelt wird. Bis zu täglich siebzig Schiffe in beiden Richtungen bilden das Rückgrat dieses unglaublichen wirtschaftlichen Potentials.
Soeben wird mit ausgefeilter Logistik der Tageskonvoi in südlicher Richtung zusammengestellt. Für alle an Bord stellt sich dabei die entscheidende Frage, welcher Platz wohl der kleinen „Star Clipper“ zwischen den riesigen Öltankern und gigantischen Containerschiffen zugewiesen wird. Bis Kapitän Sergey Tunikov schließlich erleichtert das Ergebnis verkündet. Danach hat sie sich ganz am Ende des langen Konvois einzureihen. Augenblicklich breitet sich Erleichterung aus über die Tatsache, nicht zwischen den mächtigen Ozeanriesen eingeklemmt zu sein. So entspricht die an Deck erklingende Musik aus Verdis Oper „Aida“, deren Uraufführung hier einst zur Kanaleröffnung geplant war, exakt der Stimmung an Bord.
Strategische Verteidigungslinie
Nachdem der Lotse Position auf der Brücke bezogen hat, finden sich schon bald am Ufer des unerwartet breiten Gewässers eine Vielzahl historischer Spuren. Hinter der legendären Friedensbrücke bei El Kantara, die Afrika mit Asien verbindet, überwiegt das im Jom-Kippur-Krieg des Jahres 1973 zerstörte Kriegsgerät. Es ist verteilt entlang der strategischen Kanal-Verteidigungslinie, die Israel nach dem Sechstagekrieg an der Ostseite des Kanals errichtet hatte.
Durch einen perfekt durchgeführten Überraschungsangriff wurde damals unter Präsident Anwar el Sadat das Gelände in einer Breite von zwanzig Kilometern zurück erobert. So weiß es der mit den Verhältnissen der Region bestens vertraute Cruise Director Peter Kissner während der Vorbeifahrt zu berichten. Dabei macht er aufmerksam auf das Zeichen des Triumphs, das in Form einer gigantischen Bajonettspitze ägyptisches Selbstbewusstsein widerspiegelt.
Hohe Dünenkämme
Überraschend ist auch, dass neben dem Hauptkanal, verborgen hinter hohen Dünenkämmen, noch weitere moderne Teilstücke des Kanals existieren. Irgendwann nähert sich auf einem von ihnen der mit Handelsgütern vollgepackte Gegenkonvoi, der weiter südlich bereits den Kleinen und den Großen Bittersee passiert hat.
Die Aufbauten der Schiffe, die wie abgehoben von irdischer Schwerkraft über die hohen Dünenkämme hinweg zu gleiten scheinen, verleihen dem Begriff des „Wüstenschiffes“ zweifellos eine völlig neue Bedeutung. So mag man sich nicht satt sehen an den Ungetümen, die sich aus der Froschperspektive vor dem blauen Himmel abheben und in ihrer äußeren Erscheinung nur noch wenig mit einem herkömmlichen Schiffsrumpf gemein haben.
„Marlboro-Kanal“
Natürlich gibt es in dem schmalen Gewässer zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer auch Fische. In kleinen wendigen Booten werden sie von einheimischen Fischern gefangen und ab einer bestimmten Größe den vorbei fahrenden Passagieren an Deck triumphierend vorgezeigt. Dicke Fische ganz anderer Art unterliegen jedoch einer dezenten Zurückhaltung. Bestehen sie doch aus unauffällig verpackten Zigarettenstangen, die im Bereich der großen Dienstabläufe bis hin zu kleinen Gefälligkeiten das angemessene und überall akzeptierte Schmiermittel darstellen. Aus diesem Grund muss sich die logistisch hervorragend durchorganisierte Wasserstraße neuerdings die spöttische Bezeichnung eines „Marlboro-Kanals“ gefallen lassen. Es lebe das gute alte orientalische Bakschisch!
Schon bald nach Einbruch der Dunkelheit ist südlich des Kanalendes die Stadt Suez erreicht, Hafenstadt im Golf von Suez und zugleich Namensgeberin des Kanals. Unter pergamentfarbigem Himmel vermischen sich die Lichter der Stadt und des Firmaments auf einer spiegelglatten Wasserfläche. Ein gutes Omen für den unmittelbar bevorstehenden Ausklang der Reise am feinkörnigen Sandstrand von Sharm el Sheik an der Südspitze der Sinai-Halbinsel?
Clipper-Erlebnis
Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung nach Safaga, dem Hafen der Ausschiffung auf der Seite des afrikanischen Festlands. Vor der Fortsetzung ihres Transfers zu den landschaftlichen und kulturellen Höhepunkten in Fernost heißt es nun Abschied zu nehmen von der kleinen maritimen Welt der „Star Clipper“. Erscheint es da nicht fast wie ein Wunder, dass es ein solches Clipper-Erlebnis im Stil des 19. Jahrhunderts auch heute noch gibt?
Reiseinformationen „Star Clipper“ Suez:
Anreise: Mit dem Flugzeug zum Flughafen von Athen; von dort mit Bus oder Taxi zur Einschiffung nach Piräus.
Einreise: Erforderlich sind ein noch mindestens 6 Monate gültiger Reisepass. Ein Visum wird für Euro 25 in Ägypten ausgestellt.
Reiseroute: Athen – Santorini – Rhodos – Mittelmeer – Alexandria – Port Said – Suezkanal – Rotes Meer – Sharm el Sheik – Safaga
Schiffsatmosphäre: Die „Star Clipper“ als luxuriöser Nachbau der großen Segler des 19./20. Jahrhunderts ruft die Tradition jener Tage wieder wach und bringt sie in Einklang mit der eleganten Atmosphäre einer Megayacht.
Kabinen: Fast durchweg Außenkabinen, ausgestattet mit Farbfernseher, Telefon, Safe sowie komfortablem Bad
Buchung und Auskunft: Empfehlenswert über den Reiseveranstalter „Star Clippers Kreuzfahrten GmbH“, Konrad-Adenauer-Straße 4, 30853 Langenhagen, Telefon: gebührenfrei 00800-78272547 oder 0511-7266590, Fax 0511-72665920, E-Mail: info@star-clippers.de, Web: www.star-clippers.de oder die Reisebüros Ihres Vertrauens.
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Dr. Bernd Kregel ist eine Erstveröffentlichung. Die Recherche wurde unterstützt von Star Clippers Kreuzfahrten.
Thank you for the article.
Great blog that I enjoyed reading.