Mythos “Broadway” – Expedition in das Zentrum des Musicals

Erleuchtetes Broadway Theater. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Neuyork/New York, VSA/USA (MaDeRe). Nirgendwo gibt es eine ähnliche Fülle ausgefallener Bühnenprogramme wie rund um den Times Square.

Es ist eine unverhoffte Explosion aus Farben, Licht und Energie. Ein geradezu rauschhaftes Geschehen, das in seinem Epizentrum zunächst Herzklopfen hervorruft, sodann aber die Sinne beflügelt und Fantasien freisetzt: Wenn sich die Saaldecke aus der Froschperspektive heraus in eine Wasseroberfläche verwandelt, auf der aufreizende Gestalten lebenslustig und ausgelassen in dem feuchten Element aufzugehen scheinen. Quirligen Rheintöchtern zum Verwechseln ähnlich, diesmal jedoch in den Fluten des East River?

Erstaunen auch, wenn sich der schwarze kubische Innenraum mittels Projektion und Folieninstallation in die Weiten des Weltraums verwandelt. Wo außerirdische Wesen in schwereloser Leichtigkeit des Seins  Zeit und Raum vergessen machen. Ausgangspunkt des Geschehens, so wird man sich am Ende dieser fantastischen Ausflüge ins Irgendwo bewusst, ist das Daryl Roth Theatre, das am New Yorker Broadway mit seiner exquisiten Show „Fuerza Bruta“ das Publikum nun bereits seit geraumer Zeit zu völlig neuen Wahrnehmungen und Erfahrungen anfeuert.

Das Times Building am Times Square. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Leuchtende Funken

Kein Zweifel: Manhattan ist wie eh und je das Weltzentrum des Show Business. Weil der New Yorker Stadtteil zwischen Hudson- und East River mit seinen gigantischen Wolkenkratzern sich bereits selbst als gigantische Kulisse präsentiert? An deren Gittergeflecht zwischen Längs- und Querstraßen schon seit Neu Amsterdamer Zeiten so manches historische und kulturelle Dekorationsstück hängen geblieben ist. Allen voran der Broadway, der am Times Square, abweichend vom üblichen Schachbrettmuster, mit der 7. Avenue diagonal kollidiert.

Leuchtenden Funken gleich finden sich als Folge dieser Kollision in den Nebenstraßen an die vierzig Theater, die zu New York dazu gehören wie einst die Eulen zu Athen. Besonders sind es die Musicals, die hier seit Jahrzehnten das kulturelle Leben bestimmen. Klassiker wie „Chicago“, „Les Misérables“ und „The Lion King“. Aber auch unbekannte Shows wie „The Color Purple“, „Kinky Boots“ oder „On your Feet“, die in der europäischen Erfahrungswelt offenbar noch auf ihre Entdeckung warten.

Musical „Fiddler on the Roof“ im Broadway Theatre. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Backstage-Gewimmel

Attraktiv wird es vor allem, so die Broadway-Spezialistin Rachael Singer beim Blick hinter die Kulissen des gepflegten Broadway Theatre, wenn Tradition und Neuschöpfung sich miteinander mischen. So wie beim „Fiddler on the Roof“, wo man den Künstlern im Backstage-Gewimmel nach erbrachtem Bühneneinsatz förmlich ansieht, dass ihnen mit der soeben vorgestellten Aktualisierung ein großer Wurf gelungen ist. Zwar treffen die zündenden Songs über die Tradition, das Leben und über den Wunsch vom schnellen Reichtum noch immer zielsicher die Herzen des Publikums.

Doch die Tanzeinlagen der alten Inszenierung von Jerome Robbins bedurften der Erneuerung. Eine Aufgabe, der sich der Londoner Choreograph Hofeyh Schechto stellte und eine mustergültige choreographische Neuversion ablieferte. Und nun mit dieser genialen tänzerischen Vermittlung jüdischen Brauchtums, zum Beispiel im originellen Hochzeits-Flaschentanz, beim Publikum wahre Begeisterungsstürme auslöst.

Die “Metropolitan Opera” im Lincoln Center. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Musentempel besonderer Art

Selbst die ehrwürdige Metropolitan Opera gehört im weitesten Sinne zu den Broadway-Aufführungsstätten hinzu. Ehrfurcht gebietend lässt das festlich erleuchtete Gebäude keinen Zweifel daran, dass es mit seinen riesigen Dimensionen alle anderen Broadway-Schauplätze an Größe bei weitem übersteigt. Allein

die langen schlanken Säulen, die die riesige Glasfassade unterteilen, zeichnen sie als einen Musentempel der besonderen Art aus.Entsprechend großzügig ist auch der Bühnenbereich ausgelegt, der in nahezu unbegrenzter Weite bei Inszenierungen jedweder Art Raumprobleme gar nicht erst aufkommen lässt. Das gilt natürlich auch für George Bizets Oper „Die Perlenfischer“. Ein ganzes Fischerdorf hat dabei hinter dem Orchestergraben Platz, ja selbst für die Illusion zerstörerisch herein brechender Tsunami-Wogen. Hervorragend geeignet für die bezaubernde Sängerin Diana Damrau aus Deutschland, die als die Hauptdarstellerin Leila mit ihrem wunderbar tragenden Sopran dazu beiträgt, den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen.

Manhattan vor dem East River. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Angebots-Eldorado

Ein unglaublich vielseitiges musikalisches Feuerwerk ist es, das hier allabendlich rund um den Times Square gezündet wird. Das jedoch bereits vor der Reise über den Atlantik Kopfzerbrechen bereitet: Was steht wann zur Auswahl? Und vor allem: Wo und wie kann ich zuverlässig buchen? Denn vor Ort könnte es für die freie Auswahl der bevorzugten Stücke längst zu spät sein.

Rat weiß Krista Canfield, eine der Organisatorinnen der „Gogobot“-Website, die das Angebots-Eldorado der New Yorker Kulturszene überschaubar macht. Und darüber hinaus, darauf legt sie besonderen Wert, auch das Auge schärft für das Drum und Dran eines Theaterbesuchs in Big Apple. Für die lokalen Schätze und Angebote, die Anlässe und Ereignisse, auf die man als Zugereister allein nicht so leicht käme.

Fassade des „The Knickerbocker“-Hotels. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Verkehrte Welt

Gehört dazu nicht auch das legendäre „The Knickerbocker“, ein Hotel mit Tradition direkt am Times Square? Zu Beginn des letzten Jahrhunderts aufwändig erbaut von Jakob Astor als eine Nobelherberge im Stil der Beaux Arts und dennoch eine verkehrte Welt. Musste doch, so erklärt es Hotel Manager Igor Apraiz, die gut betuchte Kundschaft für die Übernachtung nur zwei Dollar, für das Essen jedoch fünfhundert Dollar hinblättern. Damit war es das unübertroffene Szene-Hotel der damaligen High Society. Besonders glänzte es mit Stars wie dem italienischen Operntenor Enrico Caruso, der hier während seiner Opernauftritte logierte. Und mit seinen sprichwörtlichen wilden Partys, bei denen erstmals die hier von Barkeeper Martini konzipierten „Martinis“ ausgeschenkt wurden.

Bis das Hotel im Zeitalter des Alkohol-Verbots in seinem Inneren als Bürogebäude zweckentfremdet wurde, vor wenigen Jahren jedoch zu seinen Ursprüngen zurück kehrte. Zwar weniger üppig als vor hundert Jahren. Aber doch ausgestattet mit stilvollen Zimmern und Suiten zu erschwinglichen Preisen. Und mit einer unglaublichen Dachterrasse, von der aus man in der Silvesternacht in unmittelbarer Nähe die legendäre Kugel vom Times Building herab fallen sieht.

Buchungs-Kunstgriff

Auch was die Buchung der Broadway Shows anbelangt, bedurfte es eines Kunstgriffs. Dieser bestand darin, dass man die Broadway-Theater zu einer überschaubaren „Broadway Collection“ zusammen fasste und dadurch den Kartenverkauf wesentlich vereinfachte. Schmunzelnd erinnert sich Charles Flateman von der „Broadway Inbound“-Agentur an die von ihm geleistete Überzeugungsarbeit, mit der er sich schließlich durchsetzte.

Der Erfolg lag schnell auf der Hand. Denn nicht nur ist es nun möglich, die einzelnen Tickets zentral zu kaufen. Darüber hinaus empfiehlt es sich sogar, sie bereits vor Reiseantritt über den Reiseveranstalter zu buchen, um sich bei dem stets als zu kurz empfundenen Aufenthalt zwischen Hudson River und East River nichts entgehen zu lassen.

Broadway-Künstlergalerie im „Sardi`s“ Restaurant. © Foto/BU: Dr. Bernd Kregel, Neuyork, 2016

Quellen des Show Business

Wie beispielsweise das „Sardi’s“, ein Broadway-Restaurant in unmittelbarer Nähe des Times Square. Hier hinterließ in den letzten einhundert Jahren jeder seine Fußspuren, der auf einer der Broadway-Bühnen an seiner Karriere arbeitete. Von Henri Fonda und Yul Brynner über Lauren Bacal und Paul Newman bis hin zu Leonard Bernstein und Sammy Davis jr. Es ist wie ein Eintauchen in die Quellen des Show Business, die sich an diesem speziellen Ort zu einem breiten Strom verdichten.

Das zeigen  die vielen hundert Künstler-Portraits, die die Wände des „Sardi’s“ in lückenloser Reihe zieren. Und David, einer der diensteifrigen Kellner, lässt es sich nicht nehmen, bei der Schatzsuche in dieser einmaligen Galerie behilflich zu sein. Ein weiterer unverwechselbarer Bestandteil des inspirierenden Mythos „Broadway“.

Fotoreportage

Mehr Bilder zum Beitrag in der „Fotoreportage: Expedition in das Zentrum des Musicals“ von Dr. Bernd Kregel.

Reiseinformationen “Broadway”

Anreise: Günstig mit United Airlines ab Frankfurt nach Newark/NJ, ab Euro 550. Von dort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Manhattan.

Einreise: Mit Reisepass und Teilnahme am US Visa Waiver Programm für eine elektronische Einreiseerlaubnis (“ESTA”)

Reisezeit: Ganzjährig, wenn der Schwerpunkt auf dem Broadway-Programm und Museumsbesuchen liegt. Sonst empfiehlt sich die Reiseperiode von Frühjahr bis Herbst.

Reisebuchung: Die Buchung des Broadway-Kulturprogramms empfiehlt sich bereits in Deutschland, Österreich, Schweiz unter www.broadwaycollection.com

Unterkunft: Unbedingt empfehlenswert “The Knickerbocker”, 6 Times Square, New York NY 10036, Tel. 001-2122044930, knickfrontdesk@theknickerbocker.comwww.theknickerbocker.com, ab USD 300 p.R. o.F; und das “Archer Hotel”, 45 West 38th Street, New York NY10018, Tel. 001-212 7194100, anthony.bosco@archerhotel.comwww.archerhotel.com, ab USD 150 p.R. oF

Anmerkung:

Die Recherche wurde unterstützt von „Broadway Inbound“ und „The Broadway Collection“. Vorstehende Reportage von Dr. Bernd Kregel wurde am 16.2.2020 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.

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