Phnom Penh, Kampong Thom, Siem Reap, Sihanoukville, Kambodscha (MaDeRe). Kein Land der Welt musste Ende des 20. Jahrhunderts so schrecklich leiden wie Kambodscha. Als während des Vietnamkriegs der Vietcong seinen Nachschub und seine Rückzugswege immer mehr in das bis dahin unbeteiligte Nachbarland verlegte, weiteten die amerikanischen Aggressoren ihren Bombenterror auch auf dieses kleine, arme Land aus.
Anfang der 1970er wurden über 100.000 Tonnen Bomben und auch Chemiewaffen über Kambodscha abgeworfen. Unter der Zivilbevölkerung gab es unzählige Opfer (Henry Kissinger, der ehemalige US Außenminister und Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Fürth, ist bis heute stolz auf die amerikanischen Kriegsverbrechen, die er wesentlich mit zu verantworten hat, und kennt kein Bedauern). Weil das nicht schon schlimm genug war, folgte zwischen 1975 und 1979 die Schreckensherrschaft der Roten Khmer. Pol Pot und seine Gefolgsleute, die alle in Europa, zumeist in Frankreich, studiert hatten, rotteten auf grausamste Weise rund ein Viertel der eigenen Bevölkerung aus (wenn einem ein Besuch in Dachau oder Ausschwitz noch nicht genügend Übelkeit verursacht hat, der sollte die „Killing Fields“ besuchen, die nationale Gedenk- und Dokumentationsstätte in Phnom Penh, eines der schlimmsten Vernichtungslager der Roten Khmer). Es dauerte noch bis in die 1990er Jahre, bis der Schrecken der Roten Khmer endgültig vorüber war. Pol Pot starb 1998. Wenn man heute in Kambodscha älteren Menschen begegnet, drängt sich daher zwangsläufig die Frage auf, zu welcher Gruppe sie einst gehörten. Sind es traumatisierter Opfer, die den Terror gerade noch überlebt haben, oder haben sie Blut an den Händen, weil sie damals als Kindersoldaten zum willkürlichen Morden gezwungen wurden?
Das Kambodscha von heute wird seit 1991 von der postkommunistischen Cambodian People’s Party regiert, die unübersehbar dominiert. Auf den Haupt- und Nebenstraßen steht alle paar hundert Meter ein blaues Propaganda Schild der Partei, auf dem stets auch das Portrait von Hun Sen, dem starken Mann des Landes, zu sehen ist.
Inzwischen ist Kambodscha zu einem beliebten Reiseziel geworden und man kann problemlos als Individualreisender unterwegs sein. Den besten Einstieg bekommt man, wenn die Reise in Siem Reap beginnt. Die Stadt mit ca. 180.000 Einwohnern ist übersichtlich und bietet eine entspannte Atmosphäre. Der alte Markt ist ein echtes Erlebnis. Unter einem Hallendach, drängt man sich durch schmale Gänge. Direkt neben einem Kleiderstand sind am Boden auf Planen die verschiedensten Fische ausgebreitet und verströmen einen starken Geruch. An den Fleischständen ein paar Ecken weiter sind, natürlich ohne Kühlung, Fleischbrocken, Innereien und vieles mehr ausgelegt.
Es gibt auch viele gute Lokale in Siem Reap. Unbedingt probieren: Amok, das kambodschanische Nationalgericht mit Fisch oder Huhn.
Tipp: Restaurant „Amok“ Nr. 9 Street zwischen Old Market und The Passage.
Der eigentliche Grund aber, warum Touristen aus aller Welt in Massen nach Siem Reap strömen, ist Angkor. Die ganze Stadt lebt davon. Diese größte Tempelanlage der Welt erstreckt sich über ein Areal von gut 50 km². Mit einem Tuktuk (ein Mopedtaxi mit Anhänger) lässt man sich zu den interessantesten Tempeln kutschieren: zum Bayon Tempel mit den aus Steinquadern geformten Gesichtern, auf dem leider stets Massen chinesischer Touristen herumklettern und nicht Besseres zu tun haben als „Selfies“ zu machen. Zum Labyrinth des Ta Prohm Tempels, wo gewaltige Wurzeln und Stämme der Würgefeigen die alten Mauern umschließen, zu einer Reihe weiterer Tempel, die alle etwas Besonderes ausstrahlen und natürlich zum riesigen Angkor Wat, der eine Fläche von gut 1 Km² einnimmt und von einem fast 200 Meter breiten Wassergraben umgeben ist. Es ist das bei weitem größte sakrale Bauwerk der Welt! Unter den unendlich vielen Reliefs fallen die mit zierlich eleganten jungen Frauen auf. Es sind die geheimnisvoll lächelnden „Apsaras“, ein halb göttliches halb menschliches Wesen aus der hinduistischen Mythologie.
Hotels: In Siem Reap gibt es über 100 Hotels von ganz einfach bis Superluxus; alle großen Ketten sind hier vertreten; zentrumsnah ist am besten.
Auf halbem Weg nach Phnom Penh lohnt ein Zwischenstopp in Kampong Thom. Im Dschungel steht eine weitere Attraktion des Landes: Sambor Prei Kuk. Die Tempelgruppen aus dem 7. bis 9. Jh. zählen seit 2017 ebenfalls zum Welterbe der UNESCO. Hier geht es (noch) sehr beschaulich zu.
Hoteltipp: Sambor Village Hotel – lauschiger Garten, hübsche Zimmer, großer Pool.
Was unterwegs immer wieder negativ auffällt sind die mit Plastiktüten zugemüllten Dörfer und Teiche entlang der Hauptstraße. So extrem habe ich das auch woanders in Asien noch nicht gesehen.
Den allgegenwärtigen blauen Werbetafeln der Partei entsprechen die fast so häufigen roten Tafeln, die für „Ganzberg“ Bier werben. Der Zusatz „German Premium Beer“ suggeriert, es handele sich hier um deutsches Bier. In ganz Deutschland kennt keiner und gibt es kein „Ganzberg“. Hinter „Ganzberg“ steht jedoch ein deutscher Brauer und der Name leitet sich möglicherweise von Phnom (Berg) ab.
Die Hauptstadt Phnom Penh ist eine lebhafte, typisch asiatische Großstadt. Es herrscht reger Verkehr. Zum einen bestimmen unzählige Mopeds, zum Teil mit riesigen, schwer beladenen Anhängern das Straßenbild. Zum anderen fahren hier jede Menge edle und teure SUVs.
Hoteltipp: https://theplantation.asia/ – zentrale Lage; große Zimmer; schöner Pool; sensationelles Frühstück; Restaurant „La Pergola“, wenn man mal wieder mediterrane Küche möchte.
Zum Pflichtprogramm gehört ein Besuch im Nationalmuseum. Zu sehen gibt es Statuen (Buddhas und Hindugottheiten) aus verschiedenen Epochen der frühen Geschichte Kambodschas. Auch der Königspalast lohnt einen Besuch. Wer sich dann stärken will, findet sicher in den vielen Straßenlokalen und Garküchen etwas Leckeres. Wem das nicht fein genug ist, der kann unter einer großen Zahl Restaurants mit internationaler und kambodschanischer Küche wählen. Besucht werden diese Lokale zum großen Teil von im Lande lebenden Expats, also meist Vertreter der vielen NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die mit ihren Freunden und Familien einen aufwendigen Lebensstil pflegen. Von den über zwei Milliarden Dollar an Hilfsgeldern, die bisher nach Kambodscha geflossen sind, ist nur ein vergleichsweise geringer Teil bei den eigentlichen Projekten und Bedürftigen angekommen, der Löwenanteil bleibt bei den Mitarbeitern der Organisationen.
Wie dramatisch die Unterschiede sind, zeigt dieses Beispiel: in einer Hauptstraße in Phnom Penh gibt es ein Autohaus, in dem gut ein Dutzend fabrikneue Rolls Royce und Bentley auf zahlungskräftige Kundschaft warten, die es hier zweifelsohne gibt (nicht einmal in London habe ich so einen Laden gesehen!). Vor dem Autohaus wühlt ein Straßenkind, ein kleiner Junge von vielleicht 7 oder 8 Jahren, im Müll, um irgendetwas Essbares zu finden. Sicher kein Einzelfall.
Kambodscha hat aber noch mehr zu bieten. Zum Beispiel schöne Sandstrände, an denen man angenehm entspannen kann und wo sich ein Lokal an das andere reiht. Frisch gezapftes Bier wird direkt zur Strandliege serviert. Das Wasser ist angenehm warm und auch ziemlich sauber. Die Unterkünfte sind ordentlich und gepflegt. Doch besonders bei Sihanoukville sind die Tage dieser Idylle sind vermutlich gezählt, denn es drängen immer mehr chinesische Firmen herein und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis hier alles platt gemacht wird, damit noch mehr große Hotels und Casinos gebaut werden können.