Engadine Lodge, Alberta, Kanada (MaDeRe). In der Mount Engadine Lodge, südlich des Banff National Parks in Alberta, finden Skilangläufer luxuriöse Gemütlichkeit bei grandioser Aussicht auf die kanadischen Rocky Mountains. Die nur ca. 120 km von Calgary entferne Region zählt zu den wildesten Landschaften Kanadas und ist dennoch gut erreichbar.
Schon früh am Morgen ist es schwierig einen Parkplatz zu finden. Die Gegend um den Watridge Lake, der im Spray Lake Provincial Park liegt, ist bekannt unter Ski-Langläufern. Umgeben von den kantigen Gipfeln der Rocky Mountains führen zahlreiche Loipen in verschiedene Richtungen. Schon bald sind wir allein auf der frisch gespurten Strecke, und man wundert sich, wo all die angereisten Sportler geblieben sind. Kennt man die weit läufige Natur des Kananaskis- Tales, weiß man von den endlosen Möglichkeiten die Winterlandschaft zu erkunden. Unwirklich stille ist es. Würde sich nicht hin und wieder ein Ast seiner Schneelast entledigen, ein aufgeregter Häher die Eindringlinge ankündigen und das regelmäßige Schleifen der Skier über den Schnee an die Wirklichkeit erinnern, man glaubte, sich in einer Käseglocke zu befinden, abgeschirmt von sämtlichen Geräuschen. Doch dann treffen wir auf Gleichgesinnte. Auch sie als Genussfahrer finden Zeit, um ein paar freundliche Worte auszutauschen, über den herrlichen Tag und die ausgezeichneten Schneeverhältnisse. Die viel gepflegte Umgangskultur in Kanada ist gerade hier in der Einsamkeit wohltuend. Mit einem freundlichen „Have a nice day“ verabschiedet man sich, danach folgt jeder wieder seiner eigenen Spur.
Nach einer guten halben Stunde taucht der von Eis und Schnee bedeckte Watridge-See auf, kaum auszumachen in der weißen Landschaft. Er kann an Länge und Größe nicht mithalten mit dem Spray-Lake oder dem unteren und oberen Kananaskis-Lake. Dafür liegt das Kleinod eingebettet im Wald und ist auch nur zu Fuß erreichbar. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Banff-National-Park, dessen Grenze mitten durch ursprüngliche Wildnis führt.
Wesentlich unbekannter als der berühmte Nachbar, aber landschaftlich beinahe genauso eindrucksvoll ist die Gegend um die Spray-Lakes im Bow Valley Wildland Provincial Park, dem gleichnamigen Spray-Lake Provincial Park und dem südlicher gelegenen Peter Lougheed Provincial Park in der kanadischen Provinz Alberta.
Zwischen Winterolympiade und Gipfeltreffen
Canmore, etwa – Std. entfernt von Calgary und 40 km von der Mount Engadine Lodge, ist das Zentrum nordischer Skiaktivitäten und spielte während der Winterolympiade Calgary 1988 als „Außenposten“ eine wichtige Rolle. Das quirlige Ambiente des Skizentrums mit Apartmenthäusern, Sportausrüstern und Restaurants hinter sich lassend, fährt man die ungeteerte, im Winter gut geräumte Straße Nr. 742 in das urwüchsige Tal, das vom aufgestauten Spray Lake dominiert wird. Oder man findet auf dem Highway 40 direkt ins Kananaskis Village. Der Name Kananaskis stammt wohl aus der Indianersprache der Stony Indians, die entlang der Seen lebten und bedeutet: Ein Häuptling wurde mit der Axt in den Kopf getroffen, was sicher öfters vorkam. Es soll aber auch den Zusammenfluss zweier Flüsse benennen. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es entlang des Highway 40 ein Gefangenenlager für deutsche Kriegshäftlinge, die man oft sich selbst überließ. Um die Aufsicht brauchte man sich keine Gedanken zu machen. Wohin sollte man auch in dieser Wildnis entkommen. Mitte der 80ger Jahre, wäre es beinahe mit der Beschaulichkeit des Tales vorbei gewesen. Es stand in der näheren Auswahl als Austragungsort für die Olympischen Winterspiele 1988. Gerade noch rechtzeitig stellte man fest, dass die Schneeverhältnisse doch nicht so optimal sein könnten. Damit blieb diese Landschaft vom Rummel und von der Zerstörung ursprünglicher Naturgebiete verschont, die solche Veranstaltungen mit sich bringen. Diese Unzugänglichkeit der Gegend kam auch dem G8-Gipfel 2002 zugute. So konnten die Weltpolitiker ohne Störung tagen.
Treffpunkt der Elche am Blockhaus
Wohltuende Wärme empfängt uns beim Betreten der Lodge. Aus der Küche riecht es nach frisch gebackenem Brot. Im offenen Kamin flackert das Feuer. In der Mount Engadine Lodge herrscht eine lockere Atmosphäre. Hört man den Namen stellt sich gleich die Assoziation zu dem traumhaft gelegenen Tal in der Schweiz mit seiner Kette von Seen ein. Gewisse Ähnlichkeiten lassen sich nicht abstreiten. Doch weit gefehlt. Die romantische Blockhaus-Lodge wurde nach dem Berg genannt, der von der Eingangstüre nord-östlich zu sehen ist. Dieser wiederum erhielt seinen Namen von dem Briten Arthur Wheeler, der die in diesem Tal liegenden Gebirgszüge nach Kriegsschiffen aus dem ersten Weltkrieg benannte. So findet man in der Karte die Battleship Mountains, den Sparrowhawk und sogar einen Shark. Doch auch im zweiten Weltkrieg gab eine HMS Engadine, einen Flugzeugtransporter, der später in Spanien verschrottet wurde.
Im Jahre 1987 bauten zwei im Bow-Valley lebende Familien die Mount Engadine Lodge. Sie ist die einzige Lodge an dem 65 km langen Smith Dorrien Trail. Andrew und Sharisse Kyle von Calgary erwarben das inzwischen mehrfach an- und umgebaute Gebäude 2003. Mit dem neuen Besitzer kamen auch wesentliche Erneuerungen. Um eine Gästeunterkunft im Provincial Park zu betreiben mussten strenge Umweltschutzregeln eingehalten werden. Ein neues Abwasser-System wurde den Anforderungen gerecht. Der moderne Generator kommt mit weniger Treibstoff aus und arbeitet dank einer ausgeklügelten Regulierung sehr sparsam. 2007 wurde die Anzahl der Zimmer verringert, dafür jede Einheit mit einem eigenen Bad versehen.
Punkt 19 Uhr versammeln sich alle um die große Tischrunde. Man macht sich mit den neu Eingetroffenen bekannt. Langweilig wird es nie, denn die Besucher kommen aus der ganzen Welt. Neben uns Deutschen sind auch Gäste von Australien, der Schweiz und den USA hier. Mit viel Humor serviert Mike die abendlichen Gerichte. Rose, die ehemals im Banff Springs Hotel tätig war, winkt mit dem Kochlöffel aus der Küche, als wir ihre Kochkünste loben.
Das Kananaskis Valley ist auch ein gutes Beispiel, was mit Natur- und Landschaftsschutz erreicht werden kann. Das Tal wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts zur Energiegewinnung genutzt. Man benötigte Energie für den Kohlenabbau in Canmore. In den 50er Jahren bediente man sich des Holzreichtums. Heute hat sich die Gegend weitgehend von diesen Eingriffen erholt. Vielleicht ermöglichte ein radikales Ausräumen sogar die Rückkehr oder Neuansiedelung einer größeren Artenvielfalt. Auch für die Tiere ist das Tal ein ideales Rückzugsgebiet. Im Sommer können jeden Tag Elche beobachtet werden, die bei der Mount Engadine Lodge in einem Schlammloch ihren Bedarf an Mineralien stillen.
Auch heute noch wird mit Hilfe der Stauseen Strom erzeugt. In diesem Fall eine Möglichkeit regenerative Energie zu gewinnen, ohne dabei die Landschaft zu zerstören.
Heute Nacht ist endlich Vollmond. Eine Gruppe Unentwegter macht sich dick vermummt kurz vor Mitternacht auf den Weg. Nur mit Schneeschuhen können wir den Weg quer über die tief verschneite Wiese wagen. Es braucht etwas Zeit bis man in den wiegenden Gang gleitet, in die gleichmäßige Bewegung von Arm und Fuß. Die Stille, das gleißende Licht, die schwarzen Berggipfel, alles wirkt beinahe außerirdisch. Vergessen ist die Kälte.
Nach einer Stunde taucht das heimelige Licht der Mount Engadin Lodge aus der Finsternis wieder auf. Drinnen erwartet uns Rose mit einem Glühwein, der es in sich hat. Trotz des langen Arbeitstages strahlt sie, als sie sieht, wie wir die Aufwärmung genussvoll zu uns nehmen.
Anmerkung:
Vorstehender Artikel von Monika Hamberger wurde unter dem Titel „Sachtes Gleiten durch unwirkliche Stille – Winterferien in Westkanada“ am 30.10.2009 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.