Berlin, Deutschland (MaDeRe). Der Autor des Buches „Hurtiugruten, vom Postschiffdienst zur Expeditionskreuzfahrt“ sei seit seinem achten Lebensjahr an fasziniert an großen und kleinen Oceanlinern. „Seit fast 20 Jahren“ sei ihm, Oliver Schmidt, „der auf Kreuzfahrten spezialisierte Journalismus Beruf und Berufung.“ Mit anderen Worten: die nötige Distanz zum Gegenstand ist dem Mann längst abhanden gekommen, wenn sie jemals bestand, schließlich erklärte ihm angeblich sein Vater „die Welt der Passagierschifffahrt“.
Schmidt ist ein affirmativer und kein kritischer Journalist. Nur am Hof fallen die Krümel und die nächste Kreuzfahrt ab. Niemand dürfte ernsthaft behaupten, mit kritischem Kreuzfahrtjournalismus könne man das nötige Geld für die Reproduktion verdienen und Rücklagen bilden.
Und wenn dann noch einer, der im Aftergang geschult scheint, im Vorwort behauptet, dass derjenige, der „die Geschichte der Hurtigruten“ erzähle, „gleichzeitig die Geschichte Norwegens“ erzähle, der faselt sich um Kopf und Kragen und grüßt als Phrasenschwein. Wer ernst genommen werden will, der darf einen solchen Schiet nicht schreiben.
Auch die Geschichte der Gesellschaften auf dem Norwegen genannten Staatsgebiet „ist die Geschichte von Klassenkämpfen“ und nicht von Schifffahrtslinien. „Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigner, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zu einander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete, oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“ (freue sich, wer`s kennt)
Bei journalistischen Aftergängern wie Schmidt, die mit den Wellen schaukeln, die sich schlagen, bauen Reeder Schiffe, nicht Lohnarbeiter. Die Reeder und Kapitäne werden gelobt, nicht getadelt, vorgestellt werden Männer wie Richard With und Sten Magne Engen in Glanz und Gloria. Hunderte, Tausenden, Zehntausenden, die in der langen Hurtigruten-Geschichte ausgebeutet wurden, werden weder erwähnt noch gezeigt. Zu sehen sind hässliche und schöne Schiffe, auch reiche Bürger an Bord.
Wer`s mag, der greife zum Bilderbuch „Hurtigruten, vom Postschiffsdienst zur Expeditionskreuzfahrt“ mit kleinbürgerlicher Geschichte und Geschichten.
Keine Frage, in diesem Buch stecke Fleiß und Fotos, diese sind allerdings allerhöchstens von nur ausreichender Qualität, historischer Materialismus und kritische Theorie wären besser gewesen. Vermutlich sind die Verantwortlichen bei Hurtigruten zu feige, um kritische Journalisten bei der Recherche zu unterstützen. Sie sind nicht die einzigen Hosenscheißer, die sich Hofberichterstatter halten.
Bibliographische Angaben
Oliver Schmidt, Hurtigruten, vom Postschiffsdienst zur Expeditionskreuzfahrt, 192 Seiten, zahlreiche aktuelle und historische Bilder, gebunden mit Schutzumschlag, Format: 26 x 24 cm, Verlag: Koehler, Hamburg, Oktober 2019, ISBN 978-3-7822-1306-6, Preise: 29,95 EUR (D), 30,80 EUR (A) und 41,90 SFr