Cadiz, Spanien (MaDeRe). Eine Schiffsreise um das westliche Europa herum ist im späten Frühling oder im frühen Herbst besonders angenehm. Einige Routen führen zum Ausgangspunkt der Reise zurück – andere starten im Mittelmeer und enden in der Ostsee. So beginnt beispielsweise eine Kreuzfahrt mit der Costa Magica im italienischen Savona und endet in Bremerhaven. An Land geht es in Frankreich, Marokko, Spanien, Portugal und Belgien. Die dritte Station Cádiz, Mittelpunkt der Costa de la Luz und älteste Stadt Europas, leuchtet den Kreuzfahrern schon von weitem entgegen und lädt zum Landgang ein. Es ist die Stadt Europas mit den meisten Sonnenstunden im Jahr und rund 310 wolkenlosen Tagen.
In seiner „Reise in Andalusien“ schrieb Théophile Gautier 1843: „Auf der Palette des Malers gibt es keine Farben von hinlänglicher Helligkeit und Leuchtkraft, um den blendenden Effekt wiederzugeben, den Cádiz auf uns machte. Nur zwei Töne fallen ins Auge: blau und weiß… Etwas Strahlenderes, ein diffuseres und gleichzeitig doch grelleres Licht ist nicht vorstellbar. Ehrlich gesagt, was wir hier Sonne nennen, ist verglichen damit nur ein blasses, dem Verlöschen nahes Kerzenlicht auf dem Nachttisch eines Kranken…“
Der Legende nach wurde Cádiz von Herakles gegründet. Die ältesten Funde, die auf eine Besiedlung hinweisen, stammen aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. Unter den Phöniziern im 7. Jahrhundert v. Chr. und später unter den Karthagern wurde die Stadt zu einem blühenden Handelszentrum. Sie diente Hannibal als Ausgangspunkt seines Kriegszuges im Jahre 218 v. Chr. und leistete Cäsar in dessen Bürgerkrieg gegen Pompeius wertvolle Hilfe. Als Dank verlieh Cäsar der Stadt das römische Bürgerrecht. In der Kaiserzeit entwickelte sich Cádiz zu einer der reichsten und größten Städte im Westen des Römischen Reiches.
Heute hat die Stadt etwas an Bedeutung verloren. In den Sommermonaten wird Cádiz vor allem von den Spaniern selbst besucht und ist von deutschen Touristen längst nicht so belagert wie Malaga oder Torremolinos, Lloret de Mar oder Alicante. So ist Cádiz, auf einer Landzunge im Südwesten von Spanien gelegen, fast ein Geheimtipp – allerdings wird es in den kleinen Gassen schon ganz schön eng, wenn ein Kreuzfahrtschiff angelegt hat und die Kreuzfahrer die Stadt fluten.
Die Schiffe legen nicht weit von der Altstadt an, so dass der Fußmarsch zu den Sehenswürdigkeiten kein Problem ist. Und einige davon sind schon vom Schiff aus zu sehen – so die am Meer gelegene riesige Kathedrale von Cádiz auf dem Domplatz, die von einer eindrucksvollen, mit goldig glänzenden Dachziegeln gedeckten Kuppel überwölbt wird. Ihr Grundstein wurde 1720 gelegt, vollendet wurde der Bau im Jahre 1838. In dieser Zeit wechselten mehrmals Stil und Geschmack der einzelnen Architekten, und so ist eine merkwürdige Mischung aus Barock, Rokoko und Neoklassizismus entstanden.
Zwar gilt die Kathedrale als stilistisches Stückwerk, jedoch beherbergt sie einige sehr wertvolle Kunstwerke, die zum Teil älter sind als der Kirchenbau selbst. Zu ihnen gehört die fünf Meter hohe „Custodia del Millón“– die größte Monstranz der Welt aus massivem Aztekensilber – und die beeindruckende Christusstatue der Sevillaner Barockbildhauerin Luisa Roldán, beides aus dem 17. Jahrhundert. In der Krypta der Kathedrale befindet sich das Grab des Komponisten Manuel de Falla, nach dem der eindruckvolle Theaterbau der Stadt benannt ist.
Der Torre Poniente, einer der beiden Türme der Kathedrale, kann bestiegen werden. Auf dem Turm befindet sich eine Aussichtsplattform, zu der ein treppenloser Serpentinenweg führt. Von dort aus bietet sich ein grandioser Blick über die Stadt und das Meer. Unweit der Kathedrale steht die Kirche des Heiligen Kreuzes mit ihrer weißen Fassade, eine asymmetrische Kirche, die im 13. Jahrhundert auf den Grundmauern eines älteren Gebäudes errichtet wurde. Bis zur Einweihung der neuen Kathedrale 1838 war sie die Kathedrale von Cádiz.
Gleich neben der Kirche sind die Ruinen des römischen Theaters aus dem ersten Jahrhundert vor Christus zu besichtigen. Es hatte einen Durchmesser von 120 Metern und bot Platz für 20 000 Besucher. Damit war es das größte Theater des Römischen Reiches, das sogar von Cicero erwähnt wurde. Funde aus Onyx und weißem afrikanischen Marmor zeigen, dass das älteste bekannte Theater Spaniens prächtig ausgestattet war. Es wurde erst im 20. Jahrhundert wieder ausgegraben und fügt sich heute gelungen in die Altstadt ein.
Nach dieser kleinen Rundreise durch die Geschichte ist es aber Zeit für eine Pause. So lädt beispielsweise der Domplatz zum Innehalten ein, zur Rast in einem der Straßencafés und kleinen Restaurants, von denen aber auch zahlreiche in den Gassen und Sträßchen der Altstadt zu finden sind. Wer danach nicht mehr so recht weiß, in welche Richtung er zum Schiff gehen muss, dem sei empfohlen, seine Schritte zur höchsten Erhebung der Stadt zu lenken – zum Torre Tavira. Der reich verzierte weiße Barockturm aus dem 18. Jahrhundert ist 45 Meter hoch und war der offizielle Wachturm von Cádiz. Von ihm aus konnten die Handelsschiffe, aber auch die zahlreichen feindlichen Flotten rechtzeitig gesichtet werden.
Vom Turm aus hat man einen tollen Panoramablick auf Cádiz, das Meer und die Schiffe. An klaren Tagen sieht man sogar die marokkanische Küste. So nahe kommen sich Europa und Afrika an dieser Stelle. Und man kann deutlich die prominente Lage der Stadt auf der Landzunge erkennen – es ist beinahe eine Insellage, nur durch einen schmalen Streifen mit dem Festland verbunden.
Um die Stadt vor Feinden zu schützen, sind direkt am Meer die Burgfestung „Castillo de San Sebastián“ und ein paar hundert Meter weiter die Festung „Castillo de Santa Catalina“ errichtet worden. Die Verteidigungsanlagen entstanden, nachdem Freibeuter aus dem Norden die Stadt überfallen hatten – und nirgendwo war damals so viel zu holen wie in Cádiz. In den apokalyptischen Jahren 1587 und 1596 hatten sich Sir Francis Drake und der Graf von Essex der Stadt bemächtigt, sie ausgiebig geplündert und vollständig zerstört. So erklärt sich auch, dass nur wenige arabische und gotische Bauwerke zu sehen sind.
Herrliche Strände finden sich rings um die Stadt, nur Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Dort ging im Jahre 2002 übrigens Halle Berry an Land – als Schauspielerin im James-Bond-Film „Stirb an einem anderen Tag“. Cádiz musste dabei als Havanna herhalten. Und das war sicher gar nicht so schwer: In verschiedenen Ecken und Winkeln der Stadt erinnert auch heute noch der dekadente Charme des Verfalls durchaus an Havanna.
An den Stränden von Cádiz, sagt man, kann man die romantischsten Sonnenuntergänge am Mittelmeer erleben. Der Kreuzfahrer indes ist um diese Zeit längst wieder an Bord der Costa Magica, die sich am frühen Abend auf den Weg nach Lissabon macht. Mit einem Gläschen Prosecco in der Hand, verabschieden sich die Kreuzfahrer von dieser zauberhaften andalusischen Stadt. Doch nur keine Wehmut: Die Hauptstadt von Portugal wird bereits am folgenden Morgen erreicht und wartet auf ihre Erkundung. Das maritime Abenteuer mit der Costa Magica geht weiter.