Toulouse, Französische Republik (MaDeRe). Im Oktober vereinen sich in Toulouse südeuropäische Lebensfreude und wissenschaftlicher Elan. Der Platz Capitole verwandelt sich in eine Bühne, auf der die Künstler und Techniker der Theaterkompanie „La Machine“ ihre beeindruckenden beweglichen Riesenfiguren zum Leben erwecken.
Die Riesenspinne La Princesse, mit ihren 38 Tonnen und acht beweglichen Beinen, tanzt durch die Gassen. Gefolgt vom 14 Meter großen Minotaurus Asterion, der mit seinen riesigen blauen Augen in die Menge blickt, als suche er den perfekten Platz für ein Selfie. Rauch sprüht aus seinen Nüstern, während er darauf achtet, nicht versehentlich auf einen Café-Tisch oder einen Croissant-Stand zu treten. Doch keine Sorge, das passiert nicht. Die Mechaniker und Künstler hinter diesen faszinierenden Kreaturen steuern Gelenke, Schrauben über Motoren und fügen alles harmonisch zusammen, so dass sich Arme und Beine lebendig bewegen. Die Straßenshow wird von einer kraftvollen Symphonie aus Violinen und Schlagzeug begleitet.
Wer die spektakuläre Show im Oktober nicht erlebt, der kann die Halle de la Machine besuchen. Dort hat sich der Minotaurus Asterion in einem faszinierenden Universum niedergelassen, das von François Delarozière und seinen talentierten Maschinisten erschaffen wurde. Asterion kann man berühren, aber auch erleben. Auf seinem Rücken wartet ein zweistöckiger griechischer Tempel darauf, dass die Besucher auf diese außergewöhnliche Maschine aufsteigen und gemeinsam mit ihm auf der ehemaligen Start- und Landebahn von Toulouse Montaudran entlangwandern. Eine historische Piste, denn in einer anderen Zeit starteten hier die Piloten Jean Mermoz, Henri Guillaumet und Antoine de Saint-Exupéry. Der Spazierritt bietet die Gelegenheit, die Maschine bis ins kleinste Detail unter die Lupe zu nehmen. Die Maschinisten sitzen am Steuer und zeigen die Feinheit des geschnitzten Holzes, das Klappern der mechanischen Teile und wie der Rauch aus den Nüstern aufsteigt. Manchmal spaziert Ariadne, die Schwester Spinne von La Princess, neben Asterion.
Künstler, Schriftsteller und Poeten fanden in Toulouse seit jeher ihre Inspiration. Maler hielten den Katharerkreuzzug, die Grafen, die hier residierten, sowie die bedeutenden Musiker und Pioniere der Luftfahrt auf Leinwänden und in prächtigen Deckengemälden fest.
Der von Arkaden gesäumte Platz Capitole ist das pulsierende Herz von Toulouse. Hier trifft man sich, lässt sich in einem der zahlreichen Cafés und Restaurants nieder oder schlendert durch die Galerie der Arkaden, wo man in der Nähe die älteste Weinbar „Au Père Louis“ in einer kleinen Gasse entdeckt.
Der Raum ist mit Holztischen und alten Weinfässern dekoriert, die an die Zeit erinnern, als Père Louis 1889 hier seine Türen öffnete. Ein großes Fresko zeigt die Brücken in ihrer Pracht, umgeben von lebhaften Szenen des damaligen Lebens. Die traditionelle Weinbar verführt mit einem Aperitif aus Wein und der Rinde des Chinarindenbaums.
Das Hotel Le Grand Balcon war für den Schriftsteller und Piloten Antoine de Saint-Exupéry ein Rückzugsort, im Zimmer 23 arbeitete er an seinem berühmten Werk „Der kleine Prinz“. Die Stadt an der Garonne erlangte Reichtum und Macht durch ihre günstige geografische Lage. Im Port de l’Embouchure treffen der UNESCO-geschützte Canal du Midi und der Garonne-Seitenkanal aufeinander. Gemeinsam bilden sie den Canal des deux Mers, der den Gütertransport zwischen den Mittelmeerhäfen und Bordeaux an der Atlantikküste florieren ließ. Da es in der Umgebung keine Steinbrüche gab, wurden die Gebäude der Stadt aus Ziegelsteinen errichtet, die aus dem rötlichen Schlick der Garonne gebrannt wurden. Sobald das Sonnenlicht die Fassaden und Dächer der Stadt streift, schimmert der Backstein in goldenen und tiefroten Tönen, die je nach Tageszeit und Wetterlage variieren. Die Ziegelarchitektur sorgt für eine gute Isolierung gegen die Hitze im Sommer und die Kälte im Winter.
Toulouse ist somit nicht nur eine Stadt voller Geschichte und Kultur, sondern auch ein Ort, an dem Naturmaterialien in perfekter Harmonie mit menschlicher Kreativität verschmelzen. Neben den Wasserwegen brachte die Pastel-Blume Reichtum nach Toulouse. Im goldenen Dreieck zwischen Toulouse, Albi und Carcassonne sorgten Klima und Boden für ein üppiges Wachstum dieser Pflanze, die den begehrten blauen Farbstoff liefert. Von den reichhaltigen Erträgen des Handels mit den blau gefärbten Stoffen errichteten die „Pastelfürsten“ im 16. Jahrhundert prächtige Patrizierpaläste. Eines dieser beeindruckenden Gebäude ist das Hôtel d’Assézat, das im Museum Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus verschiedenen Epochen des deutsch-argentinischen Mäzens Georges Bemberg beherbergt. Als die begehrte blaue Farbe schließlich auch chemisch hergestellt werden konnte, verlor das natürliche Blau aus den Blättern der Pastelpflanzen schnell an Bedeutung. Aufgrund des langwierigen Gewinnungsprozesses war Pastel teuer. Nun lebt die Tradition wieder auf.
Die unscheinbare Pflanze mit den gelben Blüten und dicken Blättern und die Liebe zum Pastelblau hat die gebürtige Bielefelderin Annette Hardouin nach Toulouse geführt. Sie kreiert in ihrem Atelier in einem Vorort von Toulouse Mode aus Naturstoffen, gefärbt mit dem unvergleichlichen Blau der Pastelpflanze. In ihrem Shop AHPY in der Rue des Lois gibt sie interessierten Gästen Workshops. Doch nicht nur das Pastel zog die Textildesignerin in diese südfranzösische Stadt: „Hier kann man gut leben“, betont sie.
„Savoir vivre“, wie die Franzosen sagen. Dazu gehört auch die Tradition des guten Essens. In der viertgrößten Stadt Frankreichs mit 472 000 Einwohnern, hat sich eine Feinschmeckerhochburg entwickelt. Auf den Märkten der Stadt finden nicht nur die Chefköche der Sterne-Restaurants eine reiche Auswahl an regionalen Zutaten. „Der Gaumengenuss gehört hier einfach zum Lebensgefühl“, sagt die Genussführerin Jessica Hammer. Bei ihrem ersten Besuch in Frankreich war die Amerikanerin von der kulinarischen Vielfalt beeindruckt und blieb. In der Markthalle Victor Hugo zeigt sie, wie die typische Lebensart Toulouses zelebriert wird.
Anmerkung:
Die Recherche wurde von Office de Tourisme de Toulouse unterstützt.
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