Wichmannsdorf, Brandenburg (MaDeRe). Rote, gelbe, grüne Kugeln rollen ins weite Rund und kullern in den Trichterschlund der Presse. Es ist Erntezeit, und aus allerlei Arten Äpfel der Streuobstwiesen und Obstalleen wird in Mostereien Saft satt. Naturtrüb, ohne Zusätze, sortenrein sind die Besten. Meistens kommen die Früchte, neben Äpfeln oft auch Birnen und Pflaumen, gelegentlich sogar Quitten, auf allerlei Wagen herbeigekarrt zur Produktion. Aber warum sie nicht dort abholen, wo sie wachsen? Sagte sich Daisy von Arnim – und startete ihr „Mostmobil“.
Die Apfelgräfin, wie sie oft liebevoll genannt wird, war lange mit ihrem Packesel von Motorrad samt Arbeitsgerät kreuz und quer unterwegs durch die Uckermark. Eine Mobile Mosterei betreibt sie noch heute. Es gibt mehrere davon – so braust südlich von Berlin der „Herbststurm“ durchs Land. 1 Zentner Äpfel ergeben etwa 30 Liter Saft in der Regel welcher besonders gut schmeckt wenn 1/3 Birnen dazu kommen. Daheim im Boitzenburger Land führt Daisys „Haus Lichtenhain“ eine bunte Produktpalette von genussreich bis dekorativ und Flüssiges mit und ohne Alkohol. Alles von Arnim:Das Ländchen befand sich Jahrhunderte unter ihrer Herrschaft und bietet sich an für einen Ausflug durch die wald- und seenreiche Gegend ums Haus. Das Schloss, der Marstall mit Schokoladen- und Eis- und Braumanufaktur, Kaffeerösterei, Schaubäckerei und der Park von Lenné bieten sich in Boitzenburg zum Besuch an. Ebenfalls Klostermühle mit Museum und die nahe Ruine des Zisterzienserklosters. Dann, in Jakobshagen, Silvia Kort mal über die Schulter schauen, ihre Fayence-Keramik kaufen. Zu den Ausstellungen im „Thomsdorfer Kunstkaten“. Im „Eigen-Art“ von Wichmannsdorf einkehren – zu Kaffee und Kuchen inmitten von lauter Kunst und Krempel.
Der Kunsthandwerker unter den Mostmeistern ist ohne Zweifel Florian Profitlich vom Gutshof Kraatz. Manches schrumpeliges Stück ist für ihn eher Skulptur, ein hutzelig geformtes Gebilde welches er als gelernter Fotograf gern in ein anderes Licht setzt.
Aber natürlich wird die herabgefallene, hochgehobene Ernte der regionalen Streuobstwiesen nun hauptsächlich verarbeitet. Zu Wein sowie Secco aus Äpfeln, Birnen und Quitten, zu Apfelsaft, von rein bis mit roter Bete. Aus Wildlingen, also nicht veredelte Zufallssämlinge, zum Kultgetränk „Wilde Kerle“. Zu Obstbrände und Liköre – und zu Essig. Mehr als 30 alte Apfelsorten sind im Einsatz bei der Produktion. Wer mit eigenem Lesegut anrückt, wird belohnt: aus 100 Kilogramm Äpfel werden etwa 65 Liter Saft. Die Mostsaison geht noch bis zum 12. November.
Von der Uckermark hinüber ins Havelland. Im Storchendorf liegt der Linumer Landhof dessen Lohnmosterei wohl im nächsten Jahr zur Ernte wieder lohnt. Mostmeister Bernhard Schlüchter setzte bei seinen Natursäften auf Bio-Qualität. Der Schweizer verarbeitet sowohl Obst wie Gemüse, auch zusammen, das ergibt reizvolle Kombinationen. So schmeckt Rhabarber, mit Ingwer gewürzt, und dazu Klaräpfel schön frisch und fast wie Litschie. Mit Erdbberen gemischt, erinnert der Geschmack an Rote Grütze. Äpfel gesellen sich gern zu Rote Beete und Möhre, meint der Mostmeister, mit Sellerie wird’s pikant. Wer sortenrein vorzieht, dem empfiehlt er Säfte vom Gravensteiner, Goldprämie oder Prinz Albrecht. An den Mosttagen kann man bei der Produktion wohl dabei sein, und auf Voranmeldung auf die Streuobstwiese, wo auch die Schafe vom Hof weiden. Das Linumer Luch ist durchzogen von kerzengeraden Kanälen,eine weite Landschaft. Der Blick reicht bis zum Horizont. Große Felder und Teiche sind im Herbst Futter- und Schlafplatz für Wildgänse und zehntausende von Kranichen. Im schönen Dorf Linum sind Störche schon lange gern gesehene Gäste und der eine oder andere Adebar hat sich hier ein Nest gebaut.
„Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Und kam die goldene Herbsteszeit, Und die Birnen leuchteten weit und breit…“ Bekannt, beliebt, diese Zeilen von Fontane. In der Alten Brennerei in Ribbeck mit Storchennest auf dem Schornstein wird wieder produziert. Von der Familie von Ribbeck. Birnenessig, auch Birnenbrand und Birnenlikör. Hinter der Brennerei stehen neue Birnbäume, ebenso beim Schloss und ein ganz berühmter vor der Kirche. Die Produkte sind ein Gedicht, daran als Anhänger zum Leckeren das Literarische. „Und kam ein Mädel, so rief er: ‚Lütt Deern, Kumm man röwer, ick hebb ne Birn.’ So ging es viele Jahre… Und kommt ein Jung’ übern Kirchhof daher, So flüstert’s im Baume: ‚Wiste ‚ne Beer?’…“