Ein Kurzkreuzfahrt-Tag an der M-V-Küste – Unter Dampf, Segel und Diesel die „Perlenkette“ erkunden

Mare Balticum, auch Ostsee genannt. Quelle: Pixabay, Foto: Michal Jarmoluk

Kühlungsborn, Deutschland (MaDeRe). Die „Perlenkette der Ostsee-Bäder“ bleibt den großen Kreuzfahrtschiffen verschlossen. Einheimischen, die ihr Nahumfeld kennen, jedoch steht sie wieder jederzeit offen. Wie wär´s also mal mit einem Kurztörn zwischendurch auf einem der vielen kleinen Ausflugsschiffe? Das geht bequem und preiswert an einem Tag. Vom Wasser nämlich sieht unser Land ganz anders aus, eben mecklenburg-vorpommersch maritim.

Fahrt mit dem MOLLI durch Bad Doberan. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Zum Beispiel: mit der Regionalbahn von Stralsund über Rostock nach Bad Doberan und dort umsteigen auf die Mecklenburgische Bäderbahn. Eine Rarität, gilt sie doch mit ihren 130 Jahren zu den ältesten Schmalspurbahnen der Welt. Auf 900 Millimetern Spurweite dampfen die unter Denkmalschutz stehenden historischen beige-roten Züge im Stundentakt über 15,4 Kilometer bis nach Kühlungsborn West. Ausstieg am strandnahen Haltepunkt Kühlungsborn Ost.

Hafenmeister in Kühlungsborn. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Kapitän der Landstraße ist Hafenchef

Ein paar Schritte noch und man staunt über den 2001-2004 entstandenen Bootshafen mit geradezu mallorquinischem Flair der umgebenden Häuser. Ein Strahlemann an der Zufahrt mit blauer Latzhose entpuppt sich als Hafenmeister Jens Buchwald, Herr über 400 Liegeplätze, fing seine Karriere bei der damaligen Bundesmarine an und ist stolz darauf, Schnellbootfahrer gewesen zu sein im 2. und 7. Geschwader auf S „Habicht“. „Fürs Zivildasein hab ich auch den Kraftboot- und LKW-Führerschein gemacht“, erzählt er. 15 Jahre war der gelernte Landmaschinenmechaniker Fernfahrer, bis er den Absprung durch seine Frau geschafft hat. Bei seinem Vorgänger ging er in die Lehre als Assistent, bis er Chef des modernen Hafens wurde, der Boote bis vier Meter Tiefgang aufnehmen kann. „Man kann bei uns schon übers Internet einklarieren und sich den Liegeplatz aussuchen“, wirbt Buchwald für diese vereinfachte Prozedur. Neben 225 Dauerliegern gibt es auch noch das DGzRS-Rettungsboot „Konrad Otto“ und sechs Fischkutter mit acht Mann Besatzung. Die garantieren in den Restaurants an der Promenade für täglich frischen Fisch.

Küstentörn mit dem Katamaran. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Erfrischendes Segel- und Wasservergnügen

An ihrem Steg wartet schon die „Viamar“, ein 12 Meter langer und 6,50 Meter breiter Katamaran vom Typ Jeanneau Lagoone mit acht Schlafplätzen in vier Kabinen.

An Deck Skipper und Eigner Jan Grunwald. Der studierte Maschinenbauer hat sein Segel-Hobby zum Geschäft gemacht, indem er Zwei-Stunden- oder Charter-Exklusivtörns anbietet (www.viamar.de). Er holte das Boot aus dem Mittelmeer an die Ostsee.

Für Stimmung sorgt der fröhlich-entspannte Mittvierziger bei den Gästen, „nur das Wetter kann ich nicht beeinflussen“, lacht er und löst die Leinen.

Gäste werden durchs Wasser geschleppt. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Zwei 40 PS-Motoren schieben den Siebeneinvierteltonner aus der Marina auf die freie Ostsee. Bis leichter Nordostwind den Wasserspiegel kräuselt und die Segel gesetzt werden sollen. „Man kann alles“, ruft er vom Steuerstand aus, „aber muss gar nichts!“ Doch es finden sich schnell helfende Gasthände, so dass sich bald das Tuch am hohen Mast bläht. Dafür gibt es ein Freibier. Die Flautenschieber verstummen. „Ah!“ hört man aus aller Munde, als es endlich still ist an Bord. „Segeln mit dem Wind ist wie Ballonfliegen“, philosophiert Jan, „man merkt es nicht. Wir kommen voran und strengen uns nicht an“. Mit zwei Knoten gleitet der Katamaran an der Küste von Kühlungsborn entlang, untermalt von Jans heimatkundlichen und touristischen Erklärungen. „Wer baden möchte – nur zu!“, ermuntert er das Schiffsvölkchen. Und schon springen die ersten, gesichert durch eine 15 Meter lange Leine, die er achtern ausbringt, in die 15 Grad frischen, klaren Fluten: ein herrliches Wasservergnügen.

Auf dem Grenzturm in Kühlungsborn. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Schauer am Ostsee-Grenzturm

Kaum wieder an Land, fühlt man sich kurz vor der Seebrücke an DDR-Zeiten erinnert: an einen Abend 1985. Erfasst von einem Scheinwerfer, wurde der Spaziergänger von einer Grenzstreife barsch nach dem Ausweis gefragt. Denn Küste war ab 22 Uhr Sperrgebiet wegen möglicher „Grenzverletzer“. Die wählten vom Strand aus den Weg über die viel von West-Schiffen befahrene Lübecker Bucht oder nach Dänemark.

Knut Wiek, rühriger Vorsitzender des Vereins Grenzturm e.V. und ehemaliger Bürgermeister, führt durch die Ausstellung neben dem grauen 15 Meter hohen Turm des Typs BT 11. Der wurde 1991 vor dem Abriss bewahrt und kann heute von „Zivilisten“ bestiegen werden. 25 solcher Beton-Monster „sicherten“ bis zur Wende die DDR-Küste. Von der Kanzel, heute noch mit einer angeketteten Kalaschnikov bestückt, hatten die Besatzungen einen 12 Seemeilen Blick auf das seeseitige DDR-Territorium. Viele Fluchtversuche jedoch scheiterten tragisch: entweder durch Ertrinken oder in einem Stasi-Knast. In dem Buch von Christine und Bodo Müller „Flucht über die Ostsee in die Freiheit“ werden ausgewählte Schicksale geschildert.

Mit MS BALTICA von Kühlungsborn nach Warnemünde. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Kleine Küstenkreuzfahrt mit Matjes

Das geht später auf andere Art von der Seebrücke aus weiter: mit dem Oldtimer MS „Baltica“. Über Lautsprecher erzählt der Kapitän die interessante Geschichte des Seebäderschiffes: 1959 in Husum an der Nordsee gebaut und als „Rüm Hart“ für die Wyker Dampfschiffahrtsgesellschaft (WDG) in Dienst gestellt, bediente der 48,80 Meter lange und 8,30 Meter breite und nur 1,78 Meter tief gehende Inselversorger Föhr, Amrum und Helgoland mit bis zu 660 (heute 321) Passagieren, Post und Gütern. Seit dem Besitzerwechsel 1982 war MS BALTICA in der Lübecker Bucht und auf der Flensburger Förde zwischen Kappeln und Sonderburg im Einsatz. 1999 wurde das 373-BRZ-Schiff mit seinen beiden 400 PS-MaK-Originalmaschinen, die herrlich im Vierzylinder-Takt bullernd für maximal 12 Knoten sorgen, nach Warnemünde verlegt. Seitdem pendelt es für die dortige Baltic Schiffahrt und Touristik GmbH (BSTW) zwischen den Seebrücken. Auf diese Weise erlebt man das Land auch von der Seeseite her, deren Rückseite man vorher mit dem „Molli“ durchdampft hat. Dazu sollte man sich einen Freiluft-Imbiss bei Rostocker Matjes-Tatar mit Schwarzbrot gönnen.

Warnemünde mit Strand aus der Luft gesehen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Am belebten Warnemünder Strand vorbei fädelt sich die kleine „Baltica“ hinter zwei großen Fähren in den Seekanal ein, der von einem riesigen Kreuzfahrtschiff überragt wird. Dass sich die Anläufe hier den deutschen Spitzenplatz erobert haben, gefällt wegen der Abgase zwar nicht allen Warnemündern, aber die gewaltigen Pötte sind für viele andere Seh-Leute eine Attraktion. Vom Restaurant „Teepott“ aus kann man die Schiffsparade abnehmen und bei leckerem Fisch genießen, bevor es wieder per S-Bahn in die Stadt geht.

Infos:

Zur beschriebenen Reise:

Mit der DB kann man ab Rostock Hbf praktisch im Stundentakt ab 04.12 Uhr (www.db-fahrplanauskunft.de) mit günstigem MV-Ticket nach Bad Doberan fahren.

Dort besteht Umsteigemöglichkeit auf die Dampfzüge der Mecklenburgischen Bäderbahn Molli GmbH (www.molli-bahn.de) Richtung Heiligendamm-Kühlungsborn.

Eine halbe Stunde dauert die Fahrt bis zum Haltepunkt Steilküste.

Nur ein paar Gehminuten sind es bis zum Bootshafen Kühlungsborn.

Gleich vorn am Steg B liegt der Katamaran „Viamar„. Reservierungen unter: 0172 3047471 (Jan Grunwald).

Preis eines zweistündigen Mitsegeltörns entlang der Küste: 18 Euro.

Der Grenzturm liegt in Kühlungsborn Ost direkt an der Strandpromenade nahe Seebrücke (www.ostsee-grenzturm.com). Geöffnet Di und Fr 15-17 Uhr (Eintritt frei, Spenden erwünscht).

MS Baltica: legt von der Seebrücke nach Warnemünde ab. Außer So jeden Tag um 10 Uhr ab Kühlungsborn, Do 11.30 und 14.30 Uhr. Dauer: 1,5 Std.

Fahrpreis hin  und zurück: 22,50 Euro (Erw.), Kinder 14,50 bzw. Familienkarte 62,50 (2 Erw. und bis zu 3 Kinder).

Weitere lohnenswerte Küstenkreuzfahrt-Möglichkeiten:

Ab Sassnitz nach: Binz, Sellin, Göhren, Kreideküste, Kap Arkona; ab Göhren: rund um Rügen; ab Heringsdorf: entlang der Küste Usedoms; ab Zinnowitz: Swinemünde und Kaiserbäder; www.adler-schiffe.de

Ab Zingst nach: Insel Hiddensee; www.reederei-poschke.de

Ab Breege nach: Hiddensee, Ralswiek/Störtebeker Festspiele, Boddenrundfahrten, Kranichfahrten; www.reederei-kipp.de

Ab Gager nach: Peenemünde, Greifswalder Oie; www.boddenreederei-ruegen.de

Ab Stralsund nach: Hiddensee,Barth, Wiek, Dranske, Zingst, Schaprode;www.reederei-hiddensee.de

Ab Peenemünde nach: Greifswalder Oie, Insel Ruden; www.fahrgastschifffahrt-wichmann.de

Ab Ückermünde nach: Stettiner Haff, Stettin, Swinemünde;www.reederei-peters.de

Ab Wolgast nach: Achterwasser, Peenestrom, Steilküsten; www.schiff-usedom.de

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