Kramsach, Tirol, Österreich (MaDeRe). Zwischen Rofangebirge und Kitzbüheler Alpen zeigt sich die Tiroler Bergwelt von ihrer schönsten Seite.
Ist dies die Neuauflage des ewigen Kampfes zwischen Licht und Finsternis? Aktueller Schauplatz der Auseinandersetzung ist die Tiefenbachklamm, jene nicht ganz einfach zugängliche Felsenschlucht, in die sich die Brandenberger Ache im Verlauf der Jahrtausende tief hinein gefressen hat. Und die dabei mit ihren wild aufsprühenden Wassermassen steil aufragende Felswände schuf, die bei ihrem Anblick tiefen Respekt abnötigen.
Mit zunehmender Tiefe der Schlucht ist die Finsternis im klaren Vorteil. Denn nur mit Mühe gelingt es, sich von dem aus der Felswand heraus geschlagenen Pfad einen Überblick zu verschaffen über das drunten vom weißen Wildwasser verursachte Chaos. Nur eins wird sofort deutlich: Dies ist mit Sicherheit kein Ort für menschliche Aktivitäten.
Reißende Strömung
Doch weit gefehlt! Denn vor nicht allzu langer Zeit, so Klammführerin Julia, diente die reißende Strömung noch dem Transport von Baumstämmen. Gekürzt auf eine Länge von viereinhalb Metern, schienen diese vor ihrer Weiterverarbeitung im Tal in einer Art von Galgenhumor die einmalige Gelegenheit zu nutzen, um über die Stromschnellen und Strudel mühelos hinweg zu tänzeln.
Hin und wieder kam es jedoch vor, dass sich einer der Stämme zwischen zwei Felsbrocken verfing. In einem solchen Ernstfall fiel wagemutigen jungen Männern der Region die Aufgabe zu, leichtfüßig über das angestaute Gewirr von Stämmen hinweg zu balancieren, um die unerwünschte Blockade schnellstmöglich aufzulösen. Denn schon drohte ein nicht aufzuhaltender Nachschub, die heikle Situation noch zu verschärfen.
Erste Extremsportart
War dies vielleicht schon die erste „Extremsportart“ im Alpbachtal? Im Ernstfall konnte allerdings bereits die kleinste Unachtsamkeit dem Wagemut ein jähes Ende setzen. So entsprach es weiser Voraussicht, dass die beherzten Helfer ausnahmslos ohne familiäre Bindungen zu sein hatten, um nicht Frau und Kind unversorgt zurück zu lassen.
Dagegen haben es die heutigen Extremsportler wesentlich leichter, wenn sie in ihren wendigen Kajaks mit Geschick durch die Felslücken hindurch manövrieren. Oder sich mit modernen Rafting Booten in ausgelassener Freude von der sprühenden Gischt auf und ab wirbeln lassen. So zeigt sich die Brandenberger Ache als ein Musterbeispiel für den häufig in Tirol anzutreffenden Übergang von einstiger Knochenarbeit zur modernen Abenteuerfreizeit.
Dach der Region
Nach dem Ausstieg aus diesem dunklen Keller des Alpbachtals fällt der Blick schnell auf das Dach der Region, das stolze Wiedersbergerhorn. Je höher die Seilbahn geräuschlos nach oben schwebt, umso mehr tritt bei strahlender Sonne das Licht seinen Siegeszug an. Und je tiefer das Alltagsgeschehen im Tal zurück bleibt, umso mehr beeindruckt von den blühenden Almweiden her die sommerliche Fülle der alpinen Natur. Besonders prägt sich in dieser leicht abgehobenen Stimmung das Läuten der Kuhglocken ein, das mit hellen Sphärenklängen einer anderen Welt zu entstammen scheint.
Eine gute Gelegenheit, um an der Endstation der Seilbahn auf der Terrasse der „Dauerstoa Alm“ bei einer zünftigen Jause zu sich zu finden, mit herzhaften Knödeln, einem knackigen Salat und erfrischenden Obstsäften. Doch schließlich siegt die Neugier und setzt die erforderlichen Kraftreserven frei für den Aufstieg zum Gipfel. Bereits nach einstündigem Fußmarsch ist in 2200 Metern Höhe das Gipfelkreuz des Wiedersbergerhorns zum Greifen nah.
Gipfel wie Sägen
Von hier aus ergibt sich ein Atem beraubender Blick über die Bergwelt des Rofan-Gebirges und der Kitzbüheler Alpen. Denn ringsum entfaltet sich innerhalb grün gewellter Hügel eine unglaublich üppige landschaftliche Vielfalt, zusätzlich verziert durch malerisch gelegene Bauernhöfe, die im Sommer den Almbetrieb aufrecht erhalten. Bereits im nächsten Augenblick präsentiert sich am Horizont eine steil aufragende Gipfelreihe, die wie eine gigantische Säge Himmel und Erde mit leicht verschwommenen Konturen auseinander hält.
Doch nicht minder interessant ist der Blick hinunter in das Alpbachtal. Dorthin, wo der Inn auf seinem Wege von Innsbruck nach Passau mehr als zwanzig Kilometer lang von der der Brandenberger Ache begleitet wird, bis diese ganz unspektakulär vom Inn verschluckt wird. Für einen kurzen Augenblick erwächst sogar die Illusion eines Spaziergangs mit den Augen, um dabei die Natur in all ihren Facetten in sich aufzunehmen.
Legenden des Seenlandes
Professioneller wird es hingegen mit Extremsportler und Wanderführer Oswald Stock, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Sein Meisterstück war eine Wanderung über 1300 Kilometer auf der Suche nach den 88 Klöstern der japanischen Insel Shikoku. Immerhin führt die heutige Wanderroute von Kramsach aus zu den fünf Seen des Seenlandes, vom Frauensee über den Reintaler See bis hinauf zum idyllisch gelegenen Berglsteinersee.
Ihnen werden die unterschiedlichsten Legenden zugeschrieben. „Ossi“ kennt sie alle und lässt es sich nicht nehmen, die mit den beiden Felsblöcken im Berglsteinersee verbundene Sage ausführlich zu erzählen. Sie handelt von einem Burgherrn der mit der Partnerwahl seiner Tochter nicht einverstanden war. Und der durch seine Uneinsichtigkeit das verliebte Paar durch seinen Sprung über eine Felsklippe in den Freitod trieb. Noch heute zeugen die beiden Felsblöcke, in die sie sich verwandelten, von dieser einstigen Verzweiflungstat.
Badevergnügen im Krummsee
Wie ausgelassen dagegen das Badevergnügen, zu dem diese Seen als die „wärmsten Badeseen Österreichs“ in der Sommerzeit einladen! Höchst beliebt ist der verwinkelte Krummsee im Schutz einer steilen Felswand. Zusätzlich geschmückt mit Seerosen, deren schneeweiße Blütenblätter üppig von der gegenüber liegenden Uferseite herüber leuchten.
Eine Attraktion sind auch die mehr als zwanzig Jahre alten Karpfen, die sich in der Hoffnung auf Mitgebrachtes gern von den Badegästen streicheln zu lassen. Sie sind der Stolz von Otto Sommerecker, der hier in diesem Gewimmel aus Sicherheitsgründen seine wachsamen Augen offen hält. Nichts wünscht er sich sehnlicher als nach dem feuchten Frühjahr endlich eine Reihe aufeinander folgender Sonnentage.
Eldorado für Naschkatzen
Nicht weit vom Krummsee entfernt findet sich inmitten eines überschaubaren Waldgebietes das „Museum Tiroler Bauernhöfe“, eines der schönsten seiner Art in Mitteleuropa. Mehrere Dutzend Bauernhäuser verschiedener Zeitepochen wurden aus ganz Tirol zusammengetragen und hier wieder aufgebaut. Besonders interessant wird der Aufenthalt, wenn Akteure das Dorf im Stil des ausgehenden Mittelalters mit Leben füllen als Färber, Weber, Köche oder Schuster. Und natürlich als Bauern, die es auf die Früchte des Feldes abgesehen haben.
In deren Tradition stehen auch Florian und Naomi, die in der Nähe von Reith aus einem Stück Land die Obstplantage „Floberry“ hervorgezaubert haben. Aus der quellen wie aus einem Füllhorn die sommerlichen Früchte hervor. Fünfzehn Mitarbeiter sorgen dafür, dass ihnen das Obst nicht täglich über den Kopf wächst. Daraus entstehen in heimischen Kochkesseln verschiedene Arten von Konfitüre in unterschiedlichen geschmacklichen Richtungen wie Heidelbeer-Koriander, Brombeer-Zitronengras, Himbeer-Basilikum, Erdbeer-Minze oder Kirsch-Kokos. Geradezu ein Eldorado für Naschkatzen aller Art.
Festsaal der Lebensfreude
Auf dieser kulinarischen Ebene stellt sich das überschwängliche Lebensgefühl wie von selbst ein, das nur noch getoppt wird durch ein deftiges Volksfest. Wenn im Ortsteil Reith eine Blaskapelle am Wochenende Position bezieht und im Spalier der Bevölkerung zum Festzelt zieht, wo sie bereits sehnlichst erwartet wird. Moderne Tiroler Traditionspflege, die offensichtlich auch bei der Jugend regen Anklang findet.
Wenn dann noch die drahtigen jungen Männer des Trachtenvereins „D’Reitherkogler“ ihren temperamentvollen Schuhplattler auf die Bühne bringen, fliegen ihnen die Herzen der jungen Damen im modischen Dirndl offensichtlich im Nu entgegen. Lebensfreude pur, die bis nachts um drei Uhr anhält. Neben dem Keller des Tiefenbachklamms und dem Dach des Niedersbergerhorns hätte das Alpbachtaler Haus damit noch einen provisorischen Festsaal hinzugewonnen.
Reiseinformationen „Alpbachtal Seenland“:
Anreise: Flug: Innsbruck, weiter mit Zug nach Brixlegg, weiter mit kostenlosen Bussen; Auto: über München, Rosenheim, Kufstein, Autobahnausfahrt Kramsach; Zug: München – Rosenheim – Wörgl bis Jenbach , von dort direkte Buslinie ins Alpbachtal
Reisezeit: Die Sommersaison reicht von Frühjahr bis Herbst; ideale Zeit für Wanderungen, Bergsteigen, Schwimmen, Radfahren oder Kajaking, Web: www.sport-ossi.at
Reiseziele: Insgesamt 10 Orte, u.a.: Alpbach („schönstes Dorf Österreichs“), Reith („schönstes Blumendorf Europas“), Kramsach („Seendorf“), Rattenberg („mittelalterliche Glasstadt“)
Urlaubskarte: Jeder Gast erhält die „Alpbachtal Seenland Card“ zur Benutzung der öffentlichen Busse sowie im Sommer der 3 Bergbahnen, Badeseen und Schwimmbäder.
Unterkunft: Kramsach: Sporthotel Sonnenuhr; Reith: Hotel Pirchner Hof
Auskunft: Tourismusverband Alpbachtal Seenland, Zentrum 1, 6233 Kramsach, Web: www.alpbachtal.at; info@alpbachtal.at; Tel. 0043-5337-21200
Unterstützungshinweis:
Die Recherche wurde unterstützt vom Alpbachtal Seenland Tourismus.